Es wäre ein unbedeutender Auftritt in einem kleinen Sender gewesen, aber Alexander Wrabetz nutzte ihn, um dort am Mittwochabend eine kleine Bombe zu platzieren: Der vom Kanzleramt unterstützte Vizefinanzdirektor Roland Weißmann erfülle als „Abteilungsleiter“ nicht die Anforderung der Ausschreibung, meinte er auf oe24.tv.
Abgekanzelt
Kein kleiner Vorwurf in Zeichen von ÖBAG-Chats und Besetzungsskandalen der Regierung. Auch sonst zog der amtierende ORF-Chef die Samthandschuhe aus: Am Donnerstag nutzte er ein ORF-internes Hearing vor allem dafür, seine Erfahrung in den Vordergrund zu stellen – und die Konkurrenz abzukanzeln. „Ich habe keine Powerpoint vorbereitet. Sie wissen, wer ich bin, sie wissen, was wir gemeinsam erreicht haben, sie wissen, dass wir mit der Strategie ORF 2025 einen Plan für die Zukunft haben, der vom Stiftungsrat einstimmig beschlossen wurde, den ich ausgearbeitet und vorgelegt habe – und dessen Analyseteil Lisa Totzauer (sie hat sich ebenfalls für die Generaldirektion beworben, Anm.) nun sehr gut präsentiert hat, und die Maßnahmen sind ja allergrößten Teils von Roland Weißmann referiert worden“, meinte der ORF-Chef süffisant in Richtung seiner Mitbewerber und Vorredner.
Wrabetz’, dessen Chancen auf eine Verlängerung politisch unter keinem allzu guten Stern stehen, versucht, unentschlossene Stiftungsräte vor allem mit einem Argument zu ködern: Er sei der Erfahrenste der Kandidatenriege, die beiden Konkurrenten eine unsichere Option.
„Schwammig“
Der eingangs erwähnte Verweis auf die Ausschreibung geht jedoch nicht auf: Der KURIER sprach mit Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal, der Bemerkenswertes zu sagen hatte: Die am 31. Juli vom Stiftungsrat veröffentlichte Ausschreibung sei „völlig schwammig formuliert“, was Kompetenz und Erfahrung angeht. Im Grunde könne jeder, der zum Beispiel fünf Jahre Journalist war oder Führungserfahrung vorweisen könne, ORF-General oder -Generalin werden. „Das ist so elastisch ausgelegt, da muss man kein Großunternehmen geführt haben.“
Abendliche Diskussion
Am Donnerstagabend trafen die Bewerberin und ihre Konkurrenten einander bei einer Podiumsdiskussion, die vom Neoslab veranstaltet wurde. Unter der Leitung des Datum-Herausgebers Sebastian Loudon ging es viel um atmosphärische Fragen, aber auch darum, wie man sich um die jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kümmern gedenke, die (wie schon vor zehn Jahren) öffentlich ihre prekären Dienstverhältnisse beklagen.
Weißmann ließ damit der Statistik aufhorchen, dass nur „drei Prozent“ der Belegschaft unter 30 Jahre alt ist. Totzauer versprach, etwas für den jungen Teil der Belegschaft zu tun. Wrabetz wiederum verteidigte die hohe Expertise der rund 3.000 ORF-Beschäftigten, „die nicht nur die Oiden“ seien. Er rechnete hoch, dass zumindest bei den unter 35-Jährigen im Bereich Journalismus und Medienarbeit ein Anteil von rund acht Prozent bestehe. Später erklärte er, dass Prekariat eher bei Unternehmen wie Amazon bestehe. Er sieht im ORF „ordentliche Teildienstverhältnisse“ gegeben.
Bürgerlicher Infight
Totzauer und Weißmann, die beide dem bürgerlichen Lager zuzuordnen sind, zeigten sich auf offener Bühne durchaus angriffslustig gegeneinander: Die ORFeins-Channelmanagerin belehrte den Vize-Finanzdirektor darüber, dass sein geplanter weisungsfreier Chefredakteur ohnehin jetzt existiere – und das gesetzlich verankert ist. Er wiederum stieß sich an ihren programmatischen Satz: „Von der geschlossenen Anstalt zur offenen Plattform“. „Der ORF ist keine geschlossene Anstalt“, betonte Weißmann.
Wrabetz erklärte zum Schluss, dass eine Abwahl seiner Person eine politische Umfärbung wäre, weil das erste Mal seit 1974 eine einzige Partei (die ÖVP) das Pouvoir habe, die ORF-Spitze im Alleingang zu bestimmen.
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