Nazi-Raubkunst: 1.500 Gemälde lagen jahrzehntelang in Wohnung

Werke von Pablo Picasso und anderen Meistern der klassischen Moderne wurden in einer Münchner Wohnung gefunden.
Münchner bewahrte über Jahrzehnte einen schier unbezahlbaren Kunstschatz auf - darunter Gemälde von Picasso und Matisse.

Zollfahnder haben laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus in der Wohnung eines 80-jährigen Münchners etwa 1500 bisher verschollene Gemälde von Meistern der klassischen Moderne aufgespürt und beschlagnahmt – darunter Werke von Pablo Picasso, Henri Matisse, Marc Chagall, Emil Nolde, Franz Marc, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Ernst Ludwig Kirchner, Max Beckmann, Max Liebermann und Albrecht Dürer. Laut dem Bericht sollen die Nationalsozialisten die Werke von jüdischen Sammlern geraubt oder als „entartete“ Kunst konfisziert haben. Seither galten sie als verschollen.

Dem Focus zufolge schlugen die Fahnder bereits im Frühjahr 2011 in der Wohnung des Mannes – Spross einer berühmten Kunsthändler-Dynastie – zu. Wenige Monate zuvor sei dieser dem Zoll bei einer Bargeldkontrolle während einer Zugfahrt von der Schweiz nach München aufgefallen, so der Bericht. Mit dieser Kontrolle kam der Stein ins Rollen.

Die beschlagnahmten Gemälde sollen sich nun in einem Sicherheitstrakt des bayerischen Zolls in Garching bei München befinden. Eine Berliner Kunsthistorikerin versuche, die Herkunft und den Wert der Werke zu ermitteln, hieß es. Focus spricht von rund einer Milliarde Euro.

Der Vater des 80-Jährigen, ein Kunsthändler, soll die Gemälde in den 30er- und 40er-Jahren aufgekauft haben. Nach dem Krieg soll er behauptet haben, die Werke seien nach einem Bombenangriff in seiner Dresdener Wohnung verbrannt.

Mitten im Müll

Nazi-Raubkunst: 1.500 Gemälde lagen jahrzehntelang in Wohnung
epa03074024 Anne Sinclair, wife of former IMF Director Dominique Strauss-Kahn, and newly named Editorial Director of the French version of US news and opinion website the Huffington Post, dubbed 'Le Huffington Post' attends a news conference for the launch of 'Le Huffington Post' in Paris, France, 23 January 2012. EPA/IAN LANGSDON
Stattdessen hortete der Sohn den Kunstschatz mehr als 50 Jahre lang in seiner Schwabinger Wohnung – in vermüllten Zimmern zwischen Bergen von vergammelten Lebensmitteln. Im Laufe der Jahre soll der Mann einzelne Bilder verkauft und davon gelebt haben. Als die Fahnder die Wohnung räumten und die Bilder abtransportierten, leistete er keinen Widerstand.

Eines der beschlagnahmten Matisse-Gemälde soll dem jüdischen Kunstsammler Paul Rosenberg gehört haben, dem Großvater der Journalistin Anne Sinclair. Sie ist die Ex-Frau von Dominique Strauss-Kahn. Sinclair kämpft seit Jahren um die Rückgabe der von den Nazis gestohlen Gemälde.

Als "entartet" diffamierte das NS-Regime in den 1930er und 1940er Jahren Kunstwerke, deren Ästhetik nicht in das von den Nationalsozialisten propagierte Menschenbild passte. Das galt unter anderem für den Expressionismus, Impressionismus, Dadaismus, Surrealismus oder Kubismus.

Ursprünglich stammt der Begriff "entartet" aus der Rassenlehre der Nazis - in der Euthanasie-Bewegung des Dritten Reiches wurde er für erbkranke und behinderte Menschen verwendet. Die Übertragung der Bedeutung ins kulturelle Leben sollte den angeblich minderwertigen Charakter moderner "Verfallskunst" anprangern. Betroffen waren in erster Linie Vertreter des deutschen Expressionismus, deren abstrakte, kontrastreiche und oft fratzenhafte Darstellungen vom NS-Idealbild des "starken" Menschen abwichen.

Ins Visier der faschistischen Kulturwächter geriet zum Beispiel die Dresdner Künstlergemeinschaft "Die Brücke" mit Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein und Emil Nolde. Auch die Neue Sachlichkeit von Otto Dix und die Bauhaus-Schule aus der Zeit der Weimarer Republik erregten den Unmut der Nazis. 1938 wurde ein Gesetz zur Enteignung von Museen erlassen, die die Entfernung solcher Werke verweigerten. Die Künstler wurden mit Mal- und Ausstellungsverboten unterdrückt, viele kamen ins Gefängnis oder Konzentrationslager.

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