Nachprüfung für die Kultur im Herbst

Christopher Nolans „Tenet“ (mit John David Washington) gilt als Hoffnungsträger der Kinos, kann aber Corona-bedingt nicht starten
Statt einer Saisonbilanz: Nach einer Rumpfsaison zeigt die Kinobranche, wie kompliziert der Kulturherbst werden wird

Mit dem Abschiedskonzert für einen der längstdienenden Kulturmanager überhaupt endete eine gesamtkulturelle Saison, die es so bald nicht wieder geben wird. Aber auch: Früher wiedergeben könnte, als allen lieb sein kann.

Gerne wird sonst zum Zeugnistag auch die Bühnensaison prüfend angeschaut; mit zusammengekniffenem Auge misst man Höhen und Tiefen, Enttäuschungen und Überraschungen. Diesmal muss dieses Zeugnis entfallen: Von einem Tag auf den anderen hat die Saison geendet. Noch im Juni fährt die Kultur trotz zahlreicher Initiativen abseits der Museen auf Notbetrieb.

Der Blick auf die künstlerische Bewertung – es gab immerhin einen neuen Burgtheaterdirektor, die letzte Saison eines Staatsopernchefs – wird verstellt durch die Not und die Zukunftssorgen, die die Branche erfasst haben.

Für diese Saison gibt es kein Zeugnis, sondern ein Requiem.

Fragezeichen im Herbst

Und es herrscht neben der derzeitigen Aufbruchsstimmung die Sorge, dass nach der sommerlichen Erholungszeit die Fragezeichen im Herbst, trotz Lockerungen und größerer Besucherzahl, nicht kleiner werden.

Im Sommer geht vieles: 1000 Veranstaltungen gibt es trotz zahlreicher Absagen in den Open-Air-Räumen Niederösterreichs; auch in Wien entsprang noch ein umfangreiches Kulturprogramm an der frischen Luft. Abseits von Salzburg basiert vieles auf kleinen Locations, lokalen Initiativen, heimischen Künstlern. Wie schwer der Neustart aber dort ist, wo es nur mit internationaler Vernetzung und Innenräumen geht, zeigen die Kinos. Die können schon seit Ende Mai offen haben. Trotzdem gibt es von dieser Front keine guten Nachrichten (außer vielleicht für die Fans des wiederauferstandenen Autokinos).

Während Betreiber von Arthouse-Spielstätten die Kinostarts von neuen Filmen flexibler gestalten können, müssen etwa Großverleiher wie Constantin ihre Filmstarts vor sich herschieben: Alle neun Kinostarts, die für Mitte Juli angekündigt waren, wurden jetzt in den August verlegt.

Nachprüfung für die Kultur im Herbst

Auch Disneys „Mulan“ wurde auf 20. August verschoben

Dazu gehören so unterschiedliche Werke wie der deutsche Animationskinderfilm „Meine beste Freundin Conni“, eine französische Tragikomödie wie „Das Beste kommt noch“ oder der neue Russell-Crowe-Thriller „Unhinged“. „Wir haben gerade erst vor zehn Minuten gehört, dass wir verschieben müssen“, seufzt die Pressebeauftragte der Constantin. Denn die heimischen Kinostarts  sind eng mit internationalen Entwicklungen verknüpft. Die Rechnung ist klar: So lange nicht genügend größere Multiplex-Kinos öffnen, solange können auch keine Filme, die für ein globales Massenpublikum konzipiert wurden, lukrativ gestartet werden.

Und da ist man auf dem europäischen Markt stark von den Amerikanern abhängig, die verschärft mit der Corona-Pandemie kämpfen. Wichtige US-Märkte sind noch weit von einer großflächigen Öffnung der Kinos entfernt. Was wiederum bedeutet, dass hoch budgetierte Blockbuster wie Christopher Nolans Schwergewicht „Tenet“ nicht und nicht starten können: Die Anzahl der Leinwände, auf denen er derzeit weltweit gespielt werden könnte, ist noch zu gering, um genügend Einspielergebnisse zu garantieren. Das ist umso bitterer, als Christopher Nolan als eifriger Verfechter des Erlebnisraums Kino gilt und sich (bis jetzt) standhaft weigert, „Tenet“ im Streaming zu starten.

Insofern ist sein Film einer der Hoffnungsträger der herb angeschlagenen Kinobetreiber. Der wackelige Starttermin (12. August) ist da ein schwerer Schlag. Auch Disneys „Mulan“, die Live-Action-Verfilmung des Zeichentrick-Abenteuers, wurde auf die lange Bank – sprich: 20. August – geschoben, ebenso „New Mutants“ (27. August) und Marvels „Black Widow“ (29. Oktober).

Auf die Bühnen

In gerade mal zwei Monaten soll die nächste Bühnensaison starten, und dann ist bald Schluss mit dem risikoärmeren Open-Air. Und insbesondere die Oper ist ähnlich von internationalen Vernetzungen abhängig wie die Kinobranche: Stars und Publikum kommen oft von anderswo. In der Popbranche gibt es Konzerte in Österreich, wenn Stars eh schon auf Tournee sind. Nur: Die sind abgesagt.

Auch hier geht es unter anderem um Wirtschaftlichkeit. Theoretisch können zwar ab September 5000 Menschen zu Indoor-Veranstaltungen. Wegen Abstandsregelungen werden die Häuser jedoch weit unter der Kapazität fahren, auch wenn die Regelungen gerüchteweise noch gelockert werden.

Der Planungsaufwand ist enorm, die Unsicherheiten sind es auch. So bleibt nur zu hoffen, dass man in einem Jahr der Saison 2020/’21 trotz allem ein normales Zeugnis ausstellen kann.

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