„Mehr Transparenz, faire Vergütungen und die Stärkung von Urheberinnen und Urhebern sind wesentliche Elemente des Begutachtungsentwurfs“, den das Justizministerium vorgelegt hat, wirbt das Kulturministerium. Große Plattformen sollen sich künftig um Nutzungsrechte für Musik, Text, Videos etc. bemühen müssen – und diese auch abgelten. Nur: Jetzt wird es kompliziert.
Denn an diesem Punkt prallen allerlei mächtige Interessen aufeinander. Jene der Künstler, klar. Aber auch jene der Internetplattformen, die sich vom kleinen Österreich – das hier eine EU-Vorgabe umsetzt – nur ungern in die Geschäftsmodellsuppe spucken lassen.
An deren Seite agiert eine lautstarke Gruppe an Online-Lobbyisten und ihren Gleichgesinnten, die bei jeder Art von Schutz von künstlerischen Werken sehr aufgeregt vor eingeschränkter Meinungsfreiheit warnen.
Und dann gibt es noch die Verlage und die weiteren Künstlervertreter wie etwa Verwertungsgesellschaften. Die haben Interessen, die weder mit jenen der Künstler noch des Publikums deckungsgleich sind.
All diesen Interessen werden in einer verworrenen Debatte, die für den Laien kaum entwirrbar ist, rund um das Urheberrecht aufeinandergeworfen. Ein Grundproblem an dieser Debatte ist, dass schon bisher bei jeder Bewegung im Urheberrecht oder der Künstlervergütung alle Seiten mit Weltuntergangsszenarien hantierten: Jeder wirft Nebelgranaten.
Vor einigen Jahren wurde etwa eine Pauschalabgabe auf Festplatten und andere Speichermedien eingeführt. Nicht nur der Elektro-Handel sah in vielen Aussendungen seinen eigenen Untergang (oder zumindest das Ende günstiger Festplatten) gekommen. Passiert ist nichts dergleichen.
Auch die Künstler haben bereits im Laufe der bald 20-jährigen Debatte über die Digitalisierung des Kulturkonsums immer wieder Katastrophenszenarien ausgerufen, die sich nie realisiert haben.
Auch nun wieder ist die Glaubwürdigkeit aller Seiten nicht leicht einzubuchen.
Die Online-Plattformen haben es durch geschicktes Marketing und Lobbying geschafft, jede Einschränkung ihres Geschäftsmodells als Eingriff in die Meinungsfreiheit darzustellen. Ein Dilemma für jene, die – zu Recht – gegen diese Sicht argumentieren müssen.
Die Künstler sehen, mal wieder, die Einnahmenaufteilung zu ihren Ungunsten verschoben. Schon im Vorjahr kursierten erste Arbeitspapiere zur Novelle, die weit künstlerfreundlicher waren als das nun vorliegende. So soll es nun doch keine Vergütung für Schnipsel auf Webseiten geben, beklagen sie zum Beispiel. Vor allem aber soll es kein belastbares Urhebervertragsrecht geben, wird moniert: Das würde sicherstellen, dass Künstler- und Vergütungsverträge gewisse Mindeststandards nicht zu Ungunsten der Künstler unterschreiten dürfen.
Doch gerade auf dieses Urhebervertragsrecht verweist man auch im Kulturministerium – als positive Neuerung: Es ist, immerhin, das erste Mal, dass es solche Mindeststandards in Österreich geben wird (wenn diese auch hinter der Regelung in Deutschland zurückbleiben).
„Durchgesetzt haben sich die Interessen der Allianz der Kreativwirtschaft Österreich (Wirtschaftskammer, Produzenten, Labels, Verlage, etc.) und der Nutzerinnen und Nutzer. Die Interessen der Kunstschaffenden bleiben – wieder einmal – auf der Strecke“, sagt Gernot Schödl von der Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden.
Diese Allianz, in der zahlreiche der größten Player (darunter Wirtschaftskammer und der ORF) vertreten sind, sieht das nicht so. „Der jetzt vorliegende Entwurf des Justizministeriums entspricht weder den Wunschvorstellungen der Künstlerorganisationen noch jenen der Kreativwirtschaft. Das spricht für einen ausgewogenen Kompromiss“, sagt Franz Medwenitsch, Chef des heimischen Musikwirtschaftsverbands IFPI, für die Allianz.
Aber auch hier übt man Kritik: So, wie die Künstler, daran, dass Schnipsel nicht abgegolten werden müssen. Und daran, dass Nutzer beim Upload von Musik selbst angeben können, ob es sich etwa um eine Parodie handelt. Dann wäre die Nutzung nämlich gratis – „ein Freibrief zum folgenlosen Rechtsmissbrauch“, sagt Medwenitsch. „Beide Schlupflöcher sind in der EU-Vorgabe nicht enthalten und sollten ersatzlos gestrichen werden.“
Die großen Player – die Geldgeber, die mächtigen Verbände – dürften jedenfalls bei der Novelle relativ gut aussteigen. Was einer – für die Kreativen – unangenehmen Realität entspricht: Ohne mächtige Institution im Rücken kann ein Kreativer im digitalen Raum kaum ein Auskommen finden. Egal, was das Internet einst den Künstlern alles an neuen Einnahmenquellen versprochen hatte.
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