#MeToo & Co: Streit um Haltungsfragen in der Filmbranche
In der Akademie des Österreichischen Films hängt der Haussegen schief. Die Debatte um Missbrauch im Film sorgte nun für zwei Ausschlüsse aus dem Vorstand.
Kurz vor Weihnachten gab es einen Schwall an Positivmeldungen für die Filmbranche. Am 14. Dezember wurde das Projekt für neue Studios im Hafen Wien vorgestellt, tags darauf das wegweisende neue Filmanreizmodell im Nationalrat beschlossen. Just am Vorabend dazu, dem 13. Dezember, lud die Akademie des Österreichischen Films in Wien zur Generalversammlung ihrer knapp 600 Mitglieder. Dort sei es hitzig zugegangen, wie Sitzungsteilnehmer berichten. Der Haussegen in der Institution, die seit 2011 den Österreichischen Filmpreis vergibt, scheint schief zu hängen. Schon im Vorfeld sorgten mehrere Anträge für Aufsehen (sie liegen dem KURIER vor).
Ins Auge fällt etwa der Antrag des Filmemachers Franz Novotny („Exit ... nur keine Panik“), „dass der Vorstand regelmäßig Befragungen der Mitglieder durchführt, die Ergebnisse diskutiert und berechtigte Anliegen der Mehrheit umsetzt“. In einem zweiten Antrag legte Vorstandsmitglied Novotny bereits acht Fragen vor, in der die „Haltung der Akademie“ ergründet werden sollte. Beide Anträge wurden abgelehnt, wie der Vorstand der Akademie dem KURIER bestätigt hat.
Ein Blick in die Fragenliste zeigt Konfliktlinien auf. Es geht um „urteilsfreien“ Austausch, es wird etwa gefragt, ob die Akademie mit den neuen #MeToo-Anlaufstellen #we_do und Vera zusammenarbeiten soll. Bereits Ende Juni hatten aber Akademie-Präsidentin Verena Altenberger und Präsident Arash T. Riahi im Namen des Vorstands es als „wichtig und wünschenswert“ hervorgestrichen, „wenn Betroffene sich verstärkt vertrauensvoll an diese Stellen wenden.“
In den Fragen, die man von 0 bis 10 in ihrer Wichtigkeit bewerten hätte sollen, ist von „Zensurbestrebungen“ und Lenken „in bestimmte ideologische Richtungen“ die Rede. Eine Frage lautet: „Soll sich die Akademie gegen Verdächtigungs- und Cancel Culture, gegen alle ungerechtfertigten Unterstellungen, die das gesamte Filmschaffen in Verruf bringen können, ebenso einsetzen wie gegen Vorverurteilungen?“
Causa Seidl
Anlass dürfte unter anderem die Debatte um Ulrich Seidls Film „Sparta“ sein. Die Vorwürfe reichten bekanntlich von angeblich ungenügender Information der Eltern bis zu mangelnder Versorgung junger Laiendarsteller. Novotny hatte im Oktober auf Facebook vor der „Gefahr, dass es zu einer dilettierenden privatisierten Paralleljustiz kommt“ gewarnt und die Spiegel-Recherchen kritisiert.
Novotny verwies im Antrag darauf, die Fragen im Namen einer vom Vorstand beauftragten Arbeitsgruppe zur Haltung der Akademie erstellt zu haben. Der geschäftsführende Vorstand merkte dazu an, dass Vorstandsmitglied Fritz Fleischhacker diese Gruppe zusammenstellen hätte sollen, dies sei aber noch nicht erfolgt.
Vertrauensfrage
Dies mündete in einem finalen Antrag des geschäftsführenden Vorstands (Obfrau: Mercedes Echerer) und weiterer Vorstandsmitglieder, Novotny und Fleischhacker aufgrund „unkooperativen Verhaltens“ aus dem Vorstand zu entheben. Dem ist die Generalversammlung schließlich gefolgt. Widrigenfalls hätten alle außer Novotny und Fleischhacker den Vorstand verlassen, womit de facto die Vertrauensfrage gestellt wurde. Der Vorstand will nun die diversen Punkte im Jänner besprechen und „vorher dazu keinen Kommentar abgeben“.
Angenommen wurde übrigens der Antrag auf Einrichtung eines Casting-Filmpreises. Fleischhacker (Casting-Director etwa bei „Schindlers Liste“) hatte die Schaffung einer solchen Kategorie als sein einziges Ziel genannt, als er 2019 in den Vorstand ging.
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