Eine neue Filmstadt am Rande Wiens: Hafenstudios nehmen Form an
Wien steht seit 2014 ohne konkurrenzfähiges Studiogelände da, damals wurden die Rosenhügel-Filmstudios aufgelassen. Anu Shanker, zu jener Zeit noch als Aufnahmeleiter in der Branche tätig, möchte nun die „Magie der Vergangenheit“ wiederbeleben und zur „Magie der Zukunft“ machen. Denn die heimische Filmbranche müsse derzeit immer wieder neue Gewerbeflächen anmieten und in Behelfsstudios umfunktionieren.
2016 musste Shanker wieder einmal Büros für eine Filmproduktion suchen, „was mir wahnsinnig auf den Nerv ging“, wie er sagt. Er sprach mit Immobilienentwickler Fabian Kaufmann von CC Real international darüber und die beiden „Sandkastenfreunde aus Linz“ beschlossen, etwas zu tun.
2019 entstand der Kontakt zum Hafen Wien, der auf dem HQ7-Gelände in Wien-Simmering seit 2018 im provisorischen Betrieb bereits Filmdrehs beherbergt. 2021 hätten hier zwölf Drehs stattgefunden, heuer bereits 18. Darunter seien Produktionen wie „Tatort“ oder die Sky-Miniserie „Die Ibiza-Affäre“ gewesen, berichtet Hafen-Wien-Geschäftsführer Fritz Lehr. Auf dem Areal haben bereits Requisiteure, Kulissenbauer und Ausstatter ihre Zelte aufgeschlagen. Mit den HQ7-Studios, die im kommenden Jahr gebaut werden, soll überhaupt ein stadt-, sowie flughafen-naher Gewerbepark, also eine Art „Film-Hub“, entstehen, sagt Shanker.
3.000 Quadratmeter
Fläche sollen zwei neue, schalldichte Studiohallen bieten
9 Millionen Euro
investiert der Hafen Wien (Teil der Wien Holding). Baustart ist im Frühjahr 2023, ab dem Frühjahr ’24 soll gefilmt werden
Herzstück sind zwei neue Filmproduktionshallen, wie gestern bei einer Pressekonferenz in der derzeit bestehenden Halle berichtet wurde. Die 2.000 m² und 1.000 m² großen Hallen sollen mit 13 Metern innere Lichte internationalen Standards entsprechen, zwei Produktionen können unabhängig voneinander zur gleichen Zeit realisiert werden. Die Studios werden schalldicht ausgeführt, damit keine teuren Nachsynchronisationen notwendig sind. Zudem soll eine Fotovoltaikanlage mit 704 Paneelen 80.000 Kilo CO₂ pro Jahr einsparen.
Der Filmbranche wolle man „in keiner Weise in die Quere kommen“ meint Kaufmann, daher werde HQ7-Studios nur die Räumlichkeiten vermieten, Technik und Know-how müssten andere Firmen bereitstellen. Ihn habe Shankers Idee schnell überzeugt. „Weil eine ganze Branche, die eigentlich sehr aktiv ist, tatsächlich keinen einzigen Platz hat, wo sie professionell arbeiten kann". Man wolle auch die heimische Werbebranche ansprechen, die derzeit noch oft im benachbarten Ausland drehen müsse.
Das Interesse vonseiten der Filmindustrie sei beträchtlich, berichtet Fritz Lehr vom Eigentümer Hafen Wien. Internationale Streamingdienste hätten bereits angefragt, darunter der US-Sender HBO.
Neue Filmförderung als "fette Butter"
Internationale Produktionen suchen aber nicht nur Infrastruktur, sondern auch Finanzierungsmöglichkeiten. Die Stadt Wien, bei der Pressekonferenz durch Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) und Neos-Wirtschaftssprecher Markus Ornig vertreten, hat im März dieses Jahres den mit zwei Millionen Euro dotierten Vienna Film Incentive gestartet. Österreichweit soll 2023 überhaupt ein neues Zeitalter anbrechen. Das neue Filmstandortmodell, das pro Jahr in Zukunft jährliche Gesamtsummen von mehr als 50 Mio. Euro ausschütten dürfte, kommt heute im Nationalrat zur Abstimmung.
Der Businessplan für die HQ7-Studios sei bereits ohne Berücksichtigung dieses Anreizes entstanden, sagt Shanker, die neue Filmförderung sei aber wohl „die fette Butter aufs Brot“.
In Branchenkreisen gilt als klar, dass bei internationalen Projekten bereits fix mehr Geld aus Österreich eingepreist wird. Wenn ein Förderansuchen vor Drehstart einlangt – und das ginge sich bei „The Palace“ schon innerhalb des neuen Fördermodells aus – warten keine großen Hürden mehr, um einen Zuschuss von bis zu 35 Prozent auf hierzulande ausgegebene Produktionskosten zu erhalten. Denn eine Deckelung des Gesamtfördervolumens ist nicht mehr vorgesehen. Auch die Höchstsumme pro Projekt – bis zu 7,5 Mio. Euro bei Serien – steigt stark.
Einem Inkrafttreten mit 1. Jänner 2023 steht praktisch nichts mehr im Wege. Am 7. Dezember leitete der Kulturausschuss im Parlament das Gesetz zum Filmstandortmodell an den Nationalrat weiter. Dies geschah mit Stimmen von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS. Rot und Pink kritisierten jedoch, dass die zugehörigen Richtlinien für die Förderschienen FISA+ und ÖFI+ noch nicht vorgelegt wurden. Die FPÖ stimmte dagegen, weil auch Angehörige von Nicht-EU-Staaten förderberechtigt sind.
Das neue Gesetz steht diesen Donnerstag auf der Agenda des Nationalrats. Der Bundesrat ist kommende Woche – wohl nur noch in absegnender Form – am Zug.
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