Wrabetz will nicht „mitten drinnen“ alles stehen lassen
Mit einem Hintergrundgespräch mit Journalisten hat sich ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz für die heiße Phase des Jahres mit der ORF-Chef-Wahl im August aufgewärmt. Am Ende dessen räumte er eine Tendenz zur erneute Bewerbung ein: „Es spricht schon viel dafür, weil so wichtige Dinge mitten drinnen stehen zu lassen, ist nicht etwas, was man von vornherein so denkt.“ Es sei aber gleichzeitig so viel zu tun, „dass ich jetzt niemand mit irgendwelchen Ankündigungen belasten will, sondern einfach meine Arbeit weitermache.“ Wrabetz ist seit 2007ORF-Generaldirektor und seit 1998 in der Geschäftsführung auf dem Küniglberg.
Was die „wichtigen Dinge“ für ihn sind, erläuterte Wrabetz am Dienstagabend ausführlich. Ganz oben auf der Prioritäten-Liste steht die angekündigte ORF-Gesetzes-Novelle. Österreich sei hier zurückgefallen. „Ich glaube, sogar Albanien hat eine modernere Gesetzgebung, um dem Öffentlich-Rechtlichen eine Zukunft zu ermöglichen.“ Deshalb sein „Appell“ an die Regierung, die Gespräche, die es dazu schon gab, wieder aufzunehmen. „Es wird da auch einiges an uns Medien liegen. Ich verstehe schon bis zu einem gewissen Grad die Politik, die meint, das ist ein Minenfeld, das zwischen Privatsendern, ORF, Verlegern liegt, und dass wir da unter den Medien zunächst einmal ein gemeinsames Verständnis darüber haben sollten. Dann tut sich auch die Politik leichter.“
Prinzip Hoffnung
Wrabetz` Hoffnung ist eine Novelle im Herbst. Die soll dem ORF mehr Bewegungsspielraum bringen und die Entwicklung „vom klassischen Broadcaster hin zur Public-Service-Plattform“ möglich machen. Die Schlagworte dazu sind Online only, Online first, Archiv-Nutzung und Abschaffung der Regelung, dass der ORF seine Inhalte auf der TVthek nur bis zu sieben Tage nach Ausstrahlung zeigen darf. „Da ist die Zeit über das ORF-Gesetz 2010 hinweggegangen.“
Herzstück der Neuaufstellung im Rahmen der "Strategie 2025" ist der in Entwicklung befindliche ORF-Player, dessen erste Module noch heuer anlaufen sollen. Kommt das Gesetz, soll noch heuer das komplette Programm gestreamt werden können. Im Gegenzug zu den vielen Wünschen will der ORF-Chef privaten Sendern und Verlagen Möglichkeiten einräume, vom dann erhofften starken Traffic zu profitieren. Die Vorstellungen reichen von einer partiellen gemeinsamen Vermarktung, einem gemeinsamen Medien-Login bis hin zu Verlinkungen auf der Startseite des Players.
Noch im April lässt Wrabetz jedenfalls 20 Innovationsprojekte über das gesamte Haus verteilt starten, „in denen wir uns mit der Entwicklung von Inhalten für die neuen Möglichkeiten beschäftigen.“ Auch eine Digital-Werkstatt ist geplant, „in der nicht nur ORF-Mitarbeiter sondern auch Trendsetter außerhalb des ORF die Möglichkeit geben, eine Zeit lang mit uns zu arbeiten.“
Reformwille
Ein bereits sichtbares Zeichen der ORF-Reformwilligkeit ist der neue Newsroom-Komplex auf dem Küniglberg samt multimedialen Campus. Dies bringe die „größten Struktur- und Arbeitsänderungen, die es im ORF in der jüngeren Zeit gegeben hat.“ Im 2. Quartal 2022 soll der Komplex bezogen werden, mit 1. Jänner 2023 soll dann alles, was den ORF dann ausmacht, in den neuen Räumlichkeiten produziert werden. Die gute Nachricht dabei: Man ist im ORF im Zeitplan, im besten Fall könnte sogar die vom Stiftungsrat vorgegebene Budget-Obergrenze für den Bau von in Summe 303 Millionen unterschritten werden.
Jobs
Die neue Struktur des multimedialen Newsrooms, in dem die ORF-Info-Produktion von TV, Radio und Online zusammengefasst wird, bringt auch zahlreiche Job-Ausschreibungen mit sich - aber "gar nicht so viele". Die sollen, so Wrabetz, nach der Wahl im Sommer stattfinden. Den Vorwurf, zu spät damit begonnen zu haben, wies Wrabetz zurück. Früher damit zu beginnen, hätte keinen Sinn gemacht. „Wir können jetzt eine sehr exakte Auskunft geben, wann das tatsächlich umzusetzen ist. Daraus ergibt sich von Mitte des nächsten Jahres zurückgerechnet ein Zeitplan für Ausschreibungen.“
Der „Schlussstein“, wie es Wrabetz nannte, wird das neue multimediale Newsroom-Management. „Das wird ein multimedialer Manager sein, der in meiner Vorstellung in einem Führungsteam arbeitet.“ Er wolle nicht, dass ein „Einheitsbrei“ produziert werde, Vielfalt sei wichtig. „Einen zentralen Chefredakteur, der wirklich vom ersten Frühjournal bis zur ,ZiB24 alles entscheidet, halte ich für falsch und wird es so auch nicht geben." Was auch an der Mannschaft liege, wie Wrabetz nach eigenem Bekunden "externen Entscheidungsträgern" erläutert. "Es ist das, unter Anführungszeichen, schon eine geballte Macht von hervorragenden, sehr eigenständigen Journalistinnen und Journalisten, die dann zusammenarbeiten und auch zusammensitzen werden. Zu glauben, dass man sie zentral steuern könnte – selbst wenn man das wollte -, da glaube ich nicht, dass die Gefahr besonders groß ist."
Kommentare