"Wenn alles durchdreht": Helene Fischer pariert sogar die Klo-Frage

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Bei "Willkommen Österreich" zeigte der deutsche Superstar eine fast schon unheimliche Bodenständigkeit und ließ keine Wünsche offen.

* Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*


Helene Fischer ist groß. Vielleicht nicht ganz so groß wie die Beatles und die Rolling Stones, wie Stermann und Grissemann in typischer Übertreibung sagten, aber sie ist groß.

Daher nehmen wir den „Gags, Gags, Gags“-Teil, der die Bundespräsidentschaftskandidaten (Tassilo Wallentin bei Veranstaltung vor einer Handvoll Zuhörern) durch den Kakao zog, Barbara Stöckl im Fatsuit zeigte, einen herrlichen Fremdschäm-Report von der Wiener Wiesn brachte, ein umwerfendes Berlusconi-Comeback im maschek-Universum zeitigte, im Schnelldurchlauf.

Dann großer Jubel. Auftritt Helene Fischer. Die die Österreicher so gern hat (Dirk Stermann: „Leider bin ich Deutscher“), dass sie eines ihrer seltenen Interviews bei „Willkommen Österreich“ gibt. So die Erzählung von Christoph Grissemann.

Freilich hat sich längst auch bis Deutschland herumgesprochen (Fischer war auch nicht zum ersten Mal da), dass man in dieser verrückten kleinen österreichischen Talkshow tüchtig Coolness- und Credibility-Punkte sammeln kann.

Natürlichkeit in Perfektion

Und Helene Fischer macht das so perfekt, dass es schon vollkommen egal ist, ob das einstudiert ist oder einfach natürlich. Ein Faszinosum allemal.

Aber Helene Fischer ist groß. Da entfällt - völlig zurecht - die berühmte Einstiegsfrage „Wein oder Wasser?“

Wie soll man so eine profane Frage auch einer Person stellen, die sagt, sie gehe „natürlich nicht auf Toilette". Großartiger Scherz von Helene Fischer übrigens, als Antwort auf Stermanns profane Einstiegsfrage: „Gehst du noch aufs Klo, wie wir normale Menschen?“

„Es gibt da andere Wege“, sagt sie. „Das transpiriert bei mir einfach über die Haut.“

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Die Fragen nach der Vereinbarkeit von Jungfamilie und Mega-Tournee nimmt sie ebenfalls mit Leichtigkeit, ähnlich ihrer Luftakrobatik, von der dann eine Kostprobe eingeblendet wird.

Da ist sie zu sehen, über Zehntausenden Menschen an einem Seil schwebend, ähnlich einem Gabalier-CD-Cover verrenkt, nur wesentlich graziöser und kopfüber. Dennoch ist alles live gesungen.

Proben müsse sie so etwas nicht lange, sagt sie.

Halt, das könnte kokett klingen. Sie fängt das gleich mit einem ironischen Augenrollen auf. Nein, aus behördlichen Gründen habe man nur vier Tage Zeit gehabt, um das in München einzustudieren.

„Geht’s da um Sicherung des Flugraums?“ fragt Grissemann.

Großes Lachen im Publikum. Gut, dass es wieder da ist. Als Stermann nachschiebt, ob sie da nicht Angst habe, dass ihr eine Lufthansa-Maschine ins Gesicht fliegt, wird sogar gekreischt.

Stermann hat aber ein bisschen zu wenig in die Vita Fischers geschaut. Sie muss dann erklären, dass sie schon vor der Beziehung zum Luftakrobaten Thomas Seitel „in der Luft gearbeitet“ hat.

„Du warst Stewardess?“, fragt Stermann. Da muss sogar Grissemann lachen.

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Ungeschminkt

Danach wird der Schlager-Superstar aus den Lüften auf den Boden zurückgeholt. Ob sie normal in den Eissalon gehen könne?

„Das Beste, was man machen kann, ist sich ganz normal unter die Menschen zu mischen“, sagt sie. „Ich seh dann ja auch nicht so aus, wie ich aussehe …“

„Nein, du hast einen Bart und ‚nen Hut …“ - Stermann ist in Form.

Sie werde auf der Straße eher von Kindern erkannt, weil diese den Unterschied zwischen Geschminkt und Ungeschminkt anders wahrnehmen würden. So erklärt sie das Phänomen.

Die Erwachsenen seien dann irritiert. „Ich seh' ungeschminkt ganz anders aus.“ Jünger, meint Fischer. „Man malt sich ganz anders an.“

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Über die Herausforderungen der neuen Show spricht sie ebenfalls ohne Scheuklappen. Bei der München-Show habe sie gemerkt, „das habe ich schon irgendwie noch gewuppt“, aber für die nächsten Aufgaben müsse sie wieder zurück in ihr Sportprogramm. Sie sei in letzter Zeit „richtig faul gewesen“. Und es dürfe schon mal ein Speckknödel sein.

Wie eine Billa-Kassiererin?

„Das ist ja das Geile an ihr“, sagt Grissemann und wechselt in die dritte Person, dass man ihr durch ihr „leidenschaftliches Understatement“ den Weltrang gar nicht ansehe. „Die Konzerte sind in zehn Minuten ausverkauft, aber du wirkst so, als könntest du auch eine Billa-Kassiererin sein.“

„Ja“, sagt Fischer spontan und lacht. Es lebe sich so viel angenehmer und schöner, meint sie. „Es gibt nichts, das mich abheben lässt. Ich liebe nach wie vor meinen Job, den mach ich dann. Und wenn ich die Bühne verlasse, bin ich wirklich so wie ihr alle auch.“

Die Frage nach dem Zuschauerschnitt kann sie gar nicht so richtig beantworten. Aber Stermann stellt dann ein Rechenspiel an. Ob es nicht viel effektiver wäre, in jeder größeren Stadt eine Arena für eine Million Leute zu bauen, dann müsste sie nicht so oft auftreten.

„Das nervt mich schon seit Jahren“, scherzt sie.

„Aber man kann nicht das ganze Leben auf diesem Erdenrund auf Helene Fischer ausrichten“, sagt Grissemann. „Sie muss sich auch hin und wieder fügen.“

Fischer schweigt, lächelt aber.

Viel Holz

Schön langsam scheint die Luft aus dem Gespräch ein bisschen raus. Da fragt Grissemann:

„Was machst du eigentlich mit deinem Geld, liebe Helene?“

Helene kann sich kaum halten vor Lachen ob des abrupten Themenwechsels. Es geht um Geldanlage in schwierigen Zeiten, wie sie mit der Energiekrise umgehe.

„Man muss einfach clever bauen“, sagt Fischer, „schön viel Holz.“

Damit meint Fischer nicht, dass sie mit ihrem eigenen Haus den Ofen einheizt. Es gehe um eine optimierte Wärmeregulierung im Wohnraum.

Sie bekomme natürlich die Teuerung mit und die Menschen tun ihr auch leid, sagt sie und findet sofort wieder den richtigen Ton. „Ich weiß es umso mehr zu schätzen, wenn sie zu Konzerten kommen.“

Stermann findet das auch „sehr klug von den Leuten“ - so ein Helene-Fischer-Konzert bringe Erwärmung, „man reibt sich an den andern.“

Dann noch einmal die Frage nach der Größe. Es kommt der Bowie, Beatles- und Rolling-Stones-Vergleich.

Helene Fischer reagiert darauf mit einer Slapstickeinlage. Sie versinkt langsam in ihrem Sessel, richtet sich elegant wieder auf, und antwortet wahrheitsgemäß: „Man sollte da besser nicht drüber nachdenken.“

Privat, beim Wickeln, singe sie „natürlich“ auch - wahrscheinlich keine Arbeiterlieder wie Dirk Stermann - und entdecke dabei gerade, dass sie sich noch wenig mit dem Thema Kinderlieder beschäftigt habe. Das könnte ein „next Step“ in der Karriere sein. Zuvor sagte sie schon, sie verfolge keinen Masterplan. Jetzt sagt sie, eine Show in Las Vegas würde sie zwar reizen - als „Wahn- und Traumgedanke“, aber: „Meine Prioritäten haben sich tatsächlich ein bisschen verschoben.“

Stermann bringt es auf den Punkt: „Ich hab das Gefühl, du bist gerade eine sehr glückliche Frau, dir geht’s extrem gut, kann das sein?“

„Ja, total.“

Grissemann, verschmitzt: „Ich wünschte, ich könnte das auch von mir sagen.“

„Dass du eine glückliche Frau bist?", meint Stermann.

Geld und Männer

Nach diesem mehr als geglückten Gespräch kam eine weitere Frau ins Studio. ORF-Literaturjournalistin Katja Gasser gab Auskunft zu einem Buch mit Dialogen mit ihrer Tochter.

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Als ein Zusammenschnitt aus ihren schwierigen Interviews mit Literaturnobelpreisträger Peter Handke gezeigt wird, bildet das einen spannenden Kontrast zum herzlichen und herzhaften Fischer-Interview.

„Geld und Frauen“ sei der größte Antriebsmotor für sein Schreiben, wird da Handke zitiert.

Da steigt auch Fischer noch einmal ein. Das Zitat habe ihr gefallen, bei ihr seien es „Geld und Männer natürlich“.

Wieder trifft einer ihrer Scherze genau ins Schwarze. Fischer passiert nicht der Anflug eines peinlichen Moments. Und zum Abschluss gönnt sie sich noch mehr als sieben Minuten Live-Musik im Zusammenspiel mit der Studioband Russkaja.

Explosiv

„Wenn alles durchdreht“, als Duett mit Georgij Makazaria gesungen, und dann noch ein zweites Lied, „Wann wachen wir auf?“ - ebenfalls in einer explosiven Ska-Punk-Version.

Bei der dann gebotenen Intensität fragt man sich: Geht es in dem Schlager nur um ein Liebespaar, das wieder zusammenfinden soll, oder vielmehr um eine gespaltene Gesellschaft?

Mit der abschließenden Frage: „Wie ist es nur so weit gekommen?“

Großes Kino, nicht nur für zwei.

TIPP: Die Sendung zum Nachschauen

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