Strache-Video: Veröffentlichung in Medien "heikel", aber zulässig

Auch die Medienethik spricht für Veröffentlichung. Medien in Österreich sollen das Video gegen Bezahlung angeboten bekommen haben.

Eine aufkeimende Verteidigungsstrategie nach dem Strache-Video ist der Hinweis, dass die Aufnahmen ohne Wissen des ehemaligen Vizekanzlers und seines Parteifreundes Gudenus erstellt wurden, und das - je nach Spekulation über die Drahtzieher hinter dem Video - eventuell vom politischen Gegner, Geheimdiensten oder auch einer Künstleraktionistengruppe. Das Video sei demnach illegal - und die Berichterstattung darüber daher problematisch. Aber selbst wenn das Video illegal erstellt wurde: Dass die Medien daraus berichten, ist nach bisheriger Rechtsprechung legitim.

Die Rechtslage in Deutschland jedenfalls scheint klar: Da die Erstberichterstattung von dort kam - Spiegel und Süddeutsche berichteten - gilt für diese medialen Veröffentlichungen deutsches Recht. Und dort gibt es einen Präzendenzfall, der bis in die Höchstgerichte ausjudiziert ist - und informell "Lex Wallraff" genannt wurde. Denn Günther Wallraff deckte in den 1980er Jahren mit Undercover-Methoden und versteckter Kamera Skandale auf. "Der Bundesgerichtshof und das  Bundesverfassungsgericht haben dies für zulässig erklärt, wenn damit gravierende Missstände aufgedeckt werden", sagt Wallraff nun. Am öffentlichen Interesse dürfte auch im vorliegenden Falle kein Zweifel bestehen.

In Bezug auf medienethische Fragen - ist die Berichterstattung zwar vielleicht rechtmäßig, aber unverantwortlich? - äußerte sich der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Die Veröffentlichung war nach dessen Einschätzung gerechtfertigt. Natürlich sei es eine Abwägungsfrage, ob ein nicht genehmigter Mitschnitt veröffentlicht werden dürfe, sagte DJV-Vorsitzender Frank Überall. „Ich glaube, hier ist es so eindeutig, diese Aussagen von einer Person des öffentlichen Lebens, dass das an dieser Stelle gedeckt ist.“ „Es wäre natürlich völlig undenkbar, dass Journalistinnen oder Journalisten eine solche ,Falle' stellen“, sagte Überall. „Das entspricht nicht den ethischen Regeln einer Recherche. Aber wir haben es hier mit einem Video zu tun, das in der Welt ist. Und der entscheidende Punkt für mich ist, dass der Inhalt des Videos von den Protagonisten nicht bestritten wird.“ Andernfalls wäre die Situation eine andere.

In Österreich überwiegt das öffentliche Interesse

In Österreich ist das Veröffentlichen des Ibiza-Videos "heikel" - aber "aufgrund der überragenden Relevanz für die Öffentlichkeit gerechtfertigt und damit rechtlich zulässig", sagt Anwalt Michael Borsky, der den KURIER in Medienrechtsfragen vertritt.

"Zum einen verbietet das Strafrecht heimliches Abhören ebenso wie die Veröffentlichung solcher Aufnahmen", so Borsky. "Das bezieht sich an sich zwar nur auf Tonaufnahmen, erstreckt sich aber damit klarerweise auch auf Videos, wenn dort die Abgebildeten zu hören sind. Für das heimliche Abhören droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Aus Mediensicht heikel ist, dass auch das Verbreiten und Veröffentlichen dieser Aufnahmen unter derselben Strafdrohung steht."

Allerdings "können diese Handlungen durch die Wahrung eines überwiegenden berechtigten Interesses gerechtfertigt sein. Das wird man – auch im Lichte der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) und der Wiener Strafgerichte im Fall Strasser – auch hier annehmen können. Hier werden oberste Amtsträger quasi in flagranti erwischt, das Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis dieser Aufnahmen überwiegt meines Erachtens daher deutlich."

Auch das Recht am eigenen Bild der abgebildeten Personen und der Datenschutz unterliegen dieser Interessensabwägung - und diese "schlägt hier angesichts der politisch extrem exponierten Position der abgebildeten Personen und des ihrer öffentlichen Vertrauensposition diametral entgegenstehenden Verhaltens meines Erachtens klar im Sinne des öffentlichen Interesses und damit der Meinungsäußerungsfreiheit aus".

In medienrechtlichen Fragen wird immer wieder auf einen etwaigen Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich Bezug genommen - dies gelte jedoch beim bisher Veröffentlichten "allerdings schon dem Grunde nach nicht (der höchstpersönliche Lebensbereich deckt grob gesprochen die Privat-, Sexual- und Gesundheitssphäre ab). Selbst ein Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich wäre aber gerechtfertigt, wenn die Veröffentlichung wahr ist und in unmittelbarem Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben steht. Dieser ,unmittelbare Zusammenhang' steht meines Erachtens angesichts der handelnden Personen außer Frage und lassen sich auch allenfalls höchstpersönliche Aspekte wohl aus dem Gesamtbild nicht herausschälen."

Wikileaks nimmt Material "selbst vom Teufel"

International hat die Berichterstattung aus rechtlich an sich problematischen Quellen eine lange und wichtige Tradition - von Watergate bis zu den Wikileaks-Dokumenten, die u.a. Hillary Clinton die US-Wahlen gekostet haben dürften. Die Regeln, denen Journalisten international unterliegen, sind natürlich im Detail unterschiedlich. Im Allgemeinen gilt in westlichen, liberalen Demokratien aber: Journalisten dürfen zur Beschaffung vertraulicher Information weder anstiften (über Beauftragung, Drängen etc.) noch die Quellen darin unterstützen. Bekommen sie aber Material angeboten, das einer Überprüfung standhält, dürfen sie daraus veröffentlichen.

Das macht auch den Unterschied zu Plattformen wie Wikileaks aus: Diese veröffentlichen große Datenmengen, ohne diese redaktionell zu bearbeiten. "Wenn der Teufel mir Dokumente über Korruption im Himmel gäbe – ich würde sie veröffentlichen", sagte der Chefredakteur der Plattform erst kürzlich. Mit dieser Vorgangsweise entspricht aber WikiLeaks nicht den journalistischen Maßstäben. So soll es im Strache-Video auch Informationen geben, die den höchstpersönlichen Lebensbereich von Politikern betreffen. Die Journalisten der Süddeutschen und des Spiegels haben darauf hingewiesen, dass sie diese Passagen wegen fehlenden öffentlichen Interesses nicht veröffentlichen - und weil eine Veröffentlichung hier sogar strafbar wäre, sagte Falter-Chefredakteur Florian Klenk.

 

Österreichischen Medien angeboten?

Heimische Medien dürften das Video auch angeboten bekommen haben, aber unter anderen Umständen als die deutschen  - jedoch haben sie von einer Veröffentlichung abgesehen.

Geht es etwa auch um die Freiheit der Kunst?

Ein weiterer Aspekt in der rechtlichen Beurteilung: Eventuell geht es bei dem Video auch um Fragen der Kunstfreiheit. Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann sah das Video vorab (das ist gut dokumentiert und bestätigt). Ebenso, wie derzeit ohne faktische Basis über eine Involvierung von Tal Silberstein spekuliert wird, wurde daher gleich gemutmaßt, dass Böhmermann selbst hinter dem Video stecken könne. Der Satiriker trieb auch am Montag die Medien vor sich her: Er initiierte einen Countdown, der am Mittwoch um 20.15 enden sollte, und Bezug zur Ibiza-Affäre haben soll.

Zuletzt ist dann ein weitere möglicher Urheber durchgereicht worden: Das Zentrum für politische Schönheit. Dieses besteht aus rund 70 Aktionskünstlern, die bereits in der Vergangenheit mit spektakulären Aktionen für Aufsehen sorgten. Sie haben u.a. ein Holocaust-Mahnmal am Nachbargrundstück des AfD-Chefs gebaut.

Sollte eine dieser Thesen zutreffen, muss das Video wohl nochmal anders bewertet werden: Dann wird auch die Freiheit der Kunst - im Verfassungsrang - mitbedacht.

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