SPÖ-Stiftungsrat warnt: „Nicht am ORF-Gesetz nach Belieben herumdoktern"

SPÖ-Vertreter Heinz Lederer: „Eine große, tiefgehende ORF-Gesetzesnovelle verlangt natürlich die Neuwahl der ORF-Führung“
Heinz Lederer fordert rasche Erfüllung von VfGH-Erkenntnis. Verlosung von Gremien-Sitzen vorstellbar. Gegen vorzeitige Neubestellung von ORF-Führung

Eine schnelle Reaktion auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zum ORF-Gesetz fordert Heinz Lederer, SPÖ-Vertreter im ORF-Stiftungsrat. „Die Glaubwürdigkeit der Politik und der Parteien misst sich nun auch daran, dass nicht nach Belieben herumgedoktert wird, sondern das Erkenntnis des Höchstgerichts rasch erfüllt wird“, sagt Lederer.

Am Dienstag hatte der Verfassungsgerichtshof einzelne Bestimmungen des ORF-Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben. Diese betrafen die Zusammensetzung des ORF-Stiftungs- bzw. des Publikumsrates und die Dominanz des Bundeskanzlers bzw. der Bundesregierung dabei. Diese Gesetzespassagen sind Jahrzehnte alt. Sie verstoßen gegen das Gebot der Unabhängigkeit und pluralistischen Zusammensetzung dieser Organe. Die Gesetzesreparatur muss bis 31. März 2025 außer Kraft.

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Zeitdruck

„2025 ist schon morgen und nicht irgendwann“, sagt Lederer. „Es ist nicht die Zeit dafür, sich zurückzulehnen, durchzuatmen und über alles Mögliche, was man ,reformieren' könnte, zu philosophieren.“ Unrund machen ihn deshalb Äußerungen wie jene von ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Der hatte laut darüber nachgedacht, „ob es eine Gesamtänderung des ORF-Gesetzes“ brauche. Teil der Überlegungen sei die Frage, ob es „eine neue Definition des öffentlichen Auftrages“ brauche.

„Der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF stand für den Verfassungsgerichtshof nicht zur Diskussion“, betont nun Lederer. „Ich warne die Parteien davor, für populistisches Kleingeld in Vorwahlzeiten hier einzugreifen – womit erneut Schritte Richtung Höchstgericht provoziert werden könnten.“ Denn es sei „klargestellt, dass der Gesetzgeber eine Funktions- und Finanzierungsverantwortung hat.“  In dieser Einschätzung sieht sich Lederer durch Äußerungen von Rundfunkrechtlern wie Hans Peter Lehofer, Richter am Verwaltungsgerichtshof, bestätigt. „Ich hoffe, dass die Vernunft in den Parteien groß genug ist, dass sie nicht den ORF im Wahlkampf zum Spielball machen.“

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Breite Mehrheit

Nicht wegzudiskutieren ist für Lederer wiederum, dass es nun beim obersten Aufsichtsgremium im ORF, dem Stiftungsrat, „eine Anscheinsproblematik nach innen und nach außen“ gebe. Das müsse „einen absoluten Handlungsbedarf bei den Regierungsparteien und beim Gesetzgeber auslösen“, findet des Lederer. „Ich fordere die Regierung deshalb auf, offen auf die Opposition zuzugehen.“ Ziel müsse am Ende eine breite Mehrheit im Parlament sein.

Lederer kann sich prinzipiell Neuerungen bei den Gremien vorstellen, „bis hin, dass man einen geringen Prozentsatz der Sitze unter qualifizierten Bewerbungen verlost. Der ORF ist immerhin ein Milliarden-Unternehmen und wir Stiftungsräte – auch wenn es nur ein Ehrenamt ist - haften persönlich.“ Die Entsendung von Vertretern des Betriebsrats, der Bundesländer und auch der Parlamentsparteien wurde vom Höchstgericht übrigens nicht beanstandet.  

Legitimation

Wichtig ist Lederer im Zusammenhang mit dem VfGH-Erkenntnis: „Dieser Stiftungsrat ist legitimiert, Beschlüsse zu fällen. Das gilt auch für die Beschlüsse der Vergangenheit - selbst wenn sie mir nicht immer gefallen haben. Das bezieht die Rechtmäßigkeit dieser Geschäftsführung mit ein.“

Der SPÖ-Stiftungsrat sieht deshalb auch keinen Grund für eine vorzeitige Beendigung der Geschäftsführungsperiode und eine Neubestellung eines Generaldirektors, wenn ein neuer Stiftungsrat aufgestellt wird. „Roland Weißmann hat noch einen umfangreichen Arbeitsauftrag und den fordere ich auch ein. Dazu zähle ich vor allem die Neuaufstellung der ORF-Information und die Zusammenarbeit im multimedialen Newsroom.“ Man werde auch weiter darauf drängen, „dass etwa von der Ethikkommission Ergebnisse wie die Social-Media-Richtlinien oder jene für Nebenjobs bis zum Jahresende auf dem Tisch liegen.“

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Privatmedien

Von Weißmann erwartet Lederer zudem auch ein erneutes Zugehen auf die privaten Medien. „Der Medienstandort Österreich steht wirtschaftlich und technologisch vor so enormen Herausforderungen, die ein Einzelner nicht mehr lösen kann.“ So kann sich Lederer bei der Künstlichen Intelligenz etwa eine Allianz von ORF und Privatmedien vorstellen. „Aber eines ist auch klar: Will man in diesem kleinen Land eine eigene journalistische Qualität und eigene Idiome erhalten, braucht es verstärkt Förderungen“, erklärt der SPÖ-Stiftungsrat.

 

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