Sabine Beinschab: Five minutes of Wikipedia-fame

Symbolbild: Wikipedia unter der Lupe der EU
Der jungen Meinungsforscherin wird Untreue und Bestechung vorgeworfen. Es gab auch einen Wikipedia-Eintrag über sie - allerdings nur kurz.

Wer ist Sabine Beinschab? Tauchen neue Namen oder Begrifflichkeiten auf, ist eine Suchmaschine vieler Menschen Freund, spuckt diese auch noch einen Wikipedia-Artikel aus, scheint Erkenntnisgewinn gewiss. Immerhin trat Wikipedia vor zwanzig Jahren mit dem Vorsatz an, allen das Wissen der Welt frei zugänglich zu machen. Wissen sollte demokratisiert werden: jeder für jeden. Doch darin liegt auch ein Problem der Plattform.

Sabine Beinschab also: Ihr Name tauchte in Zusammenhang mit der mutmaßlichen Inseraten- und Korruptionsaffäre der ÖVP auf. Der jungen Meinungsforscherin, ehemals Assistentin der ehemaligen Familienministerin Sophie Karmasin, wird vorgeworfen, für die ÖVP Umfragen frisiert zu haben, die dann in der Tageszeitung Österreich Platz gefunden haben sollen. Zudem soll sie dem Finanzministerium Scheinrechnungen ausgestellt haben, die dort wiederum einer "Betrugsbekämpfungsstudie" zugeordnet und beglichen worden sein sollen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Was aber gilt es noch über Fr. Beinschab zu wissen? Tippt man ihren Namen in eine Suchmaschine, spuckt diese tatsächlich einen Wikipedia-Eintrag aus. Draufgeklickt, folgt statt Erkenntnisgewinn Ernüchterung. Der Eintrag zu Sabine Beinschab wurde gelöscht.

Interessant wird dann ein Blick in die Logbücher. Der Eintrag zu Sabine Beinschab wurde erst am 6. Oktober um 15:49 von einer Nutzerin erstellt. Und sechs Minuten später, um 15:55, auch schon wieder gelöscht. Administrator He3nry bewertete den Eintrag als reinen Werbeeintrag und ließ ihn entfernen.

Der gelöschte Eintrag: Sabine Beinschab, geb. 1984, hat Produktmarketing und Projektmanagement sowie Innovationsmanagement an der FH Wiener Neustadt studiert. Seit dem Jahr 2007 ist sie als Markt- und Motivforscherin tätig. Sie war 8 Jahre lang als Projektleiterin bei Karmasin Motivforschung tätig. 2015 gründete sie das Unternehmen research affairs mit Standort in Velden/Wörthersee und 1190 Wien. Darüber hinaus ist sie als empirische Partnerin bei Karmasin Behavioural Insights und Vienna Insights tätig. Sie ist Vortragende an Universitäten und Fachhochschulen und Dissertantin an der Privatuniversität Seeburg.

Die Erstellerin des Beitrags wandte sich dann an He3nry, um darauf hinzuweisen, dass sie ihren Eintrag nicht als Werbeeintrag verstanden wissen wolle, sondern dass Fr. Beinschab durch die Ermittlungen der WKStA als aktuell relevante Person zu werten sei und sie ein paar Infos bereitstellen wollte. Sie bekam als Antwort: "Der Eintrag enthielt in fünf Sätzen, die sich ausschließlich mit ihren beruflichen Aktivitäten und nicht aktueller österreichischer Politik/Strafverfolgung befassten, vier Weblinks auf Unternehmensseiten. Das war Werbegespamme. Bitte informiere Dich, was in einem Artikel so stehen sollte."

He3nry, über 146.000 Bearbeitungen hat der Admin bereits vorgenommen, hat am 6. Oktober noch einen weiteren Wikipedia-Eintrag editiert, wie aus der Diskussion wiederum mit einem anderen Wikipedia-Autor, Asurnipal, herauszulesen ist. Dieser hat einen Eintrag über die Tageszeitung Österreich um einen Absatz über die jüngsten Geschehnisse um die aktuellen Ermittlungen der WKStA bereichert. He3nry ließ den Abschnitt entfernen bzw. in das Unterkapitel Kritik verschieben: "Vielleicht findet sich eine weniger formelhafte-klatsche-ich-in-alle-Artikel-denselben-Abschnitt-Version der Einarbeitung", so die Kritik des Admin.

Aus der Diskussion: "Hallo He3nry, Du hast eine schwerwiegende Rücksetzung gemacht und die Ermittlungen die seit heute gegen die Zeitung Österreich (Zeitung) und deren Herausgeber laufen entfernt. Ich sehe das als Vandalismus und es kann von Außen (sic!) als der Versuch gesehen werden, politisch unangenehme Ereignisse zu unterdrücken. Du hast die Möglichkeit, dies selbst rückgängig zu machen. Falls Du dies verweigerst, gib mir hier bitte Bescheid." Asurnipal weiter: "Was Du hier gemacht hast, ist meines Erachtens sehr schädigend für Wikipedia." 

He3nrys argumentierte, dass Edits "nicht in Stein gemeißelt" seien. Seiner Ansicht nach seien die Ermittlungen noch keinen eigenen Abschnitt wert: "Wenn es mehr wird, kann sich das ja locker in einen Abschnitt entwickeln." Lesen Sie hier die ganze Diskussion.

Kampf um Deutungshoheit

Auch wenn im oben angeführten Fall keine parteipolitische Motivation verortet werden kann - von solchen Diskussionen lebt Wikipedia, denn wie eine Studie der Harvard Business School zeigt, wird ein Artikel objektiver, je öfter er editiert wird - ist die Enzyklopädie zum politischen Raum geworden. 

Und so sehr man den Beitrag Wikipedias zur Demokratisierung des Wissens als positiv bewerten kann, birgt die Formel zum Schwarmwissen "Jeder kann schreiben, editieren, diskutieren" auch Gefahren.

Denn so wie die sozialen Medien als Verbreiter von Falsch- und Desinformationen ge- und missbraucht werden, trifft das auch auf die Online-Enzyklopädie zu. Autoren können bewusst Falschinformationen verbreiten, Fakten in einen gewünschten, ihnen opportunen Kontext einbetten. Längst sind es nicht mehr nur wissenshungrige Idealisten, die Fakten wiedergeben wollen, regelmäßig polieren PR-Berater und Parteistrategen Artikel auf, schönen Geschehnisse, wollen ihre eigene Deutungshoheit verbreiten. Laut britischer Times könne "so ziemlich jeder mächtigen Organisation angelastet werden", das getan zu haben.

2019 etwa berichtete der KURIER, dass ein ehemaliger FPÖ-Mitarbeiter einer der einflussreichsten politischen Autoren auf Wikipedia ist. Weiters wurde im KURIER berichtet, dass der Wikipedia-Artikel über die Ibiza-Affäre wohl aus dem SPÖ-Umfeld, der über die Silberstein-Affäre aus dem ÖVP-Umfeld gekommen sein dürfte. Thomas Planinger, Wikipedia-Urgestein und Vorstandsmitglied im österreichischen Wikimedia-Verein, sagte damals gegenüber dem KURIER: "Alle Parteien bearbeiten Wikipedia-Artikel."

So predigen Lehrer ihren Schülern nicht umsonst immer wieder, dass Wikipedia keine verlässliche Quelle ist, keine Neutralität mitbringen muss.

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