Einblicke in die ÖVP-Chats: Call me Mr Umfrage :-))
Die Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und neun weitere Beschuldigte haben ein politisches Erdbeben ausgelöst. In der Anordnung zu den Hausdurchsuchungen, die am Mittwoch im Bundeskanzleramt, in der ÖVP-Zentrale und im Finanzministerium stattgefunden haben, finden sich zahlreiche Chats aus dem Handy des damaligen Generalsekretärs und Kabinettschefs im Finanzministerium Thomas Schmid.
Daraus geht laut den Ermittlungen hervor, dass zwischen 2016 und 2018 "budgetäre Mittel des Finanzministeriums zur Finanzierung von ausschließlich parteipolitisch motivierten, mitunter manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsunternehmens im Interesse einer politischen Partei und deren Spitzenfunktionär(en) verwendet wurden". Einfacher gesagt: Eine Gruppe um Kurz hat den Ermittlern zufolge Gefälligkeitsberichterstattung in der "Österreich"-Gruppe im Austausch für Inserate des Finanzressorts sowie aus Steuergeld finanzierte Umfragen gekauft.
VIDEO: Die Entwicklungen der letzten Tage
Die Meinungsforscherin Sabine Beinschab hat für die damalige Familienministerin und Miteigentümerin des Meinungsforschungsinstituts Karmasin Motivforschung GmbH, Sophie Karmasin gearbeitet und die Umfragen gemacht. Beinschab soll - so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft - ihre Honorare für die Propaganda mittels falscher Rechnungen als PR-Arbeit getarnt an das Finanzministerium gestellt haben. Die beschuldigte Gruppe rund um Kurz nannte die Umfrage-Platzierungen "Beinschab-Österreich-Tool". Für alle genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Die APA bringt im Folgenden die wichtigsten Passagen, die im März 2016 beginnen. Damals war Kurz Außenminister in einer SPÖ-ÖVP-Regierung unter Kanzler Werner Faymann.
Im März 2016 schreibt Thomas Schmid an Sebastian Kurz: Gute News bei der Umfrage Front. Sophie weiß ich nicht, ob ich überreden konnte.
Kurz: Kann ich mit ihr reden.
Kurz: Super danke.
Schmid: Ja bitte! Sie ist so angefressen wegen Mitterlehner (damaliger Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, Anm.), weil er ihr in den Rücken gefallen ist. Habe jetzt 3 Stunden mit ihr gesprochen. Und spindi (Mitterlehners Vorgänger als ÖVP-Chef Michael Spindelegger, Anm.) auf sie angesetzt.
Schmid: Wenn du ihr sagst, dass jetzt die Welt nicht untergeht. Und das Mmitterlehner eben ein Arsch war usw. Hilft das sicher.
Kurz: Passt mache ich.
Im Juni 2016 schreibt Johannes Frischmann, damals Sprecher im Finanzministerium, danach Sprecher von Kurz:
Frischmann: Fellner hat sich an keine Abmachung gehalten. Für Sa/So war ausgemacht Daten aus Umfragen zu bringen. Nix gebracht. Stattdessen ist heute eine Insider Geschichte drinnen über HBM (Herr Bundesminister Schelling, Anm.) Grundkauf am Mondsee und gescheiterte Bauplatzwidmung. Müssen nachher bitte reden.
Schmid: Das ist ehrlich gesagt Vertrauensbruch - da sollt man das dann besser lassen.
Karmasin: Ich urgiere Erklärung melde mich dann Lgs
Schmid: Danke
Einige Stunden später:
Karmasin: Mittwoch kommt Doppelseite die Fellner persönlich macht, alles gut auch mit Wechsel Sonntagsfrage jederzeit Lgs
Schmid: Liebe Fellners, ausgemacht war: DO: Brexit. Sa: Maschinensteuer. So: wirtschsftkompetenz (sic!) und Standort, schuldenabbau und Einsatz von Steuergeld. Erschienen ist jedoch - private Story von Schelling. Das ist echt eine Frechheit und nicht vertrauensbildend. Wir sind echt sauer!!!! Mega sauer
Im September 2016 schreibt Schmid: Habe echt coole News! Die gesamte Politikforschung im Österreich wird nun zur Beinschab wandern. Damit haben wir Umfragen und Co. im besprochenen Sinne.
Im Dezember 2016 findet folgende Unterhaltung statt:
Schmid: VP 18, SP 26 und FP 35 laut Beinschab.
Kurz: Danke Dir! Gute Umfrage, gute Umfrage.
Schmid: Umfrage erscheint morgen.
Kurz: Super danke.
Schmid an Helmuth Fellner: Lieber Helmuth, wie besprochen kommen heute die Umfrage Daten. Wir schicken sie dir und deinem Bruder. LG Thomas
Helmuth Fellner: Danke für den Einsatz! Super! Sogar Titelseite! LG Helmuth
Schmid: Super cool! Freue mich auf unser Treffen!
Im Dezember 2016 schreibt Beinschab an Schmid: Lieber Herr Schmid! Was ich noch fragen wollte: kann ich den Betrag für die Erhebung bei der qualitativen Studie dazu rechnen?
Thomas Schmid: Ja.
Beinschab: Danke.
Und in einem anderen Chat heißt es:
Schmid: Die Kosten für die offenen (Studien, Anm.) packst Du dann in die Studie zur Betrugsbekämpfung rein.
Beinschab: Du meinst Betrugsbekämpfung + die 3 Wellen eine Rechnung?
Schmid: Ich erkläre Dir das nach meiner Rückkehr persönlich.
Beinschab: Ist gut.
Beinschab: Ich bräuchte von Dir noch finales ok wg. Verteilung der Summen.
Johannes Frischmann am 6.1.2017 an Schmid: Umfrageergebnisse siehe Mail
Schmid: Und sind sie eh so wie wir wollen? ÖVP bei 18 (Prozent, Anm.). Sie (Beinschab, Anm.) soll sie direkt Fellner schicken. Dann soll sie ihn anrufen und Dir berichten
Tags darauf erscheint in Österreich eine für Reinhold Mitterlehner desaströse Umfrage.
Thomas Schmid: So mag ich meinen Frischi! Gute Arbeit!
Frischmann: Der Beinschab habe ich gestern noch angesagt, was sie im Interview sagen sollen
Schmid: So weit wie wir bin ich echt noch nicht gegangen. Geniales Investment. Und Fellner ist ein Kapitalist. Wer zahlt, schafft an. Ich liebe das.
Kurz: Danke für Österreich heute
Schmid: Immer zu Deinen Diensten :-))
Bei dieser Umfrage sei es den Beschuldigten insbesondere darum gegangen, eine interne Führungsdiskussion zu entfachen, schreibt die Staatsanwaltschaft und zitiert Frischmann: Super dann müssten sie ja beim Parteivorstand ein Thema haben - Wir zündeln.
Bereits Ende Jänner beauftragt Berater Steiner bei Schmid eine weitere Umfrage, um deren Abwicklung sich Frischmann kümmert. Frischmann hilft bei den Umfragen ebenfalls nach: Wir schneiden schlechter ab als SPÖ - Das habe ich umgedreht.
Am 16. August 2017 schreibt Schmid: Juhu! Neue Werte! Call me Mr Umfrage :-))
Kurz: Danke dir! Gar nicht so super, oder?
Schmid. Also das finde ich nicht! Wirtschaft bist du jetzt vorne bei allen Sicherheitsthemen sowieso ebenso bei Innovation und Technik. Bei sozialen Themen kommen wir an SPÖ ran. Muss beim Rechnen aufpassen, sonst wird es unglaubwürdig. Vor allem Wirtschaftswert war wichtig!
Die ÖVP gewinnt die Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 und bildet mit der FPÖ eine Regierung. Die "Beinschab-Österreich-Tool" ging aber weiter.
Sprecher L., Pressesprecher des damaligen ÖVP-Finanzministers Hartwig Löger regt sich bei Schmid auf, dass die Tageszeitung "Österreich", in der das Team um Kurz die mutmaßlich gefälschten Umfragen platziert haben soll, nicht über seinen Chef berichtet:
L.: Zur Info. Österreich hat Löger in Brüssel nicht einmal gebracht... heute nur einmal klein. Trotz umfassender vorab Ankündigung und ausführlicher Info.
Thomas Schmid: Das liegt daran, dass wir denen keine Geld Zusagen gemacht haben. Die stehen noch auf null. Und du hast ja den Helmuth Fellner (der für Inseratendeals zuständige Bruder von Österreich-Chef Wolfgang Fellner, Anm.) auch noch nicht getroffen.
L.: Das kann doch nicht wahr sein!
Schmid: Doch. Empfehlung: Fahr zu Wolfgang Fellner und treffe ihn. Unverbindlich. Zu Sachthemen.
L.: Gerne. Aber da muss es ja trotzdem sowas wie eine Redaktion geben....
Schmid: Naja, da bin ich mir nicht so sicher. (...) Die sind einfach. Du musst zu Fellner fahren. Dich vorstellen als Ansprechpartner. Mit ihm Stories ausmachen. Ich mag dass alles nicht mehr machen. Wir können einmal essen gehen und stelle dich als meinen Nachfolger vor.
L.: Ok, klingt nach einem Plan. Nur mehr die Frage: wie bringe ich ihn (Löger, Anm.) verdammt nochmal morgen in die Zeitung?
Schmid: Helmuth Fellner - für die Kohle. Wolfgang Fellner - für den Content.
L. scheint von dem Tool nicht überzeugt zu sein:
Am 24. Februar 2018 schreibt er: Die Umfrage nimmt doch keiner. Schaltet doch gleich ein Inserat.
Schmid: Eben daher haben wir das Beinschab ÖSTERREICH Tool entwickelt. Erfolgreich!
L.: Verstehe!
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