Razzia bei ÖVP: Das steht in der 104-seitigen Anordnung
Mittwochvormittag führte die WKStA mehrere Hausdurchsuchungen im ÖVP-Umfeld durch: In der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse, im Bundeskanzleramt und im Finanzministerium. Es geht um den Vorwurf der Inseratenkorruption.
Dem KURIER liegt die 104-seitige Anordnung zur Hausdurchsuchung vor.
Der Tatverdacht
Es geht um die Vorwürfe der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit.
Kurz gefasst: Das Finanzministerium - also die öffentliche Hand - soll Umfragen finanziert haben, die nach Vorgaben von Sebastian Kurz und seinem ÖVP-Umfeld gestaltet und in Medien veröffentlicht wurden. Durch falsche Rechnungslegung im Finanzministerium soll das vertuscht worden sein.
Insgesamt geht es um ein Volumen von 1.116.000 Euro (plus USt von 223.200 Euro).
Die WKStA listet in ihrer Anordnung zunächst die Akteure und ihre Lebensläufe auf (siehe Kasten unten), anschließend werden die politische Ausgangslage, der mögliche Tatplan und die Beweiswürdigung detailliert beschrieben.
Sebastian Kurz war zwischen 2011 und 2013 Staatssekretär für Integration im Innenministerium, von 2013 bis 2017 Außenminister, wurde am 14. Mai 2017 zum designierten Parteiobmann der ÖVP, am 1. Juli als Nachfolger von Reinhold Mitterlehner zum Bundesparteiobmann gewählt. Aus den Nationalratswahlen ging Kurz am 15. Oktober 2017 als Gewinner hervor, am 18. Dezember wird er als Bundeskanzler angelobt.
Thomas Schmid war erst Pressesprecher, dann bis 2013 zusätzlich für strategische Kommunikation im Außenministerium zuständig. Ab 2013 war er Kabinettschef im BMF, 2015 wurde er Generalsekretär.
Schmid hat offenbar eine Schlüsselrolle: Er hatte hervorragende Kontakte zu Medien und galt als loyaler Vertrauter von Kurz. Ab 2016 wirkte er offenbar an einer Erhöhung des Budgets für das Außenministerium mit, das Kurz damals führte. Dazu wurde ein legendärer Satz aus einem Chat bekannt: "Kurz kann jetzt Geld scheißen."
Johannes Pasquali ist seit 2014 Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit im BMF, im Zuge dieser Tätigkeit war er unter anderem für die Vereinbarung von Medienkooperationen, Inseratenvereinbarungen und Beraterverträgen sowie für die Rechnungslegung verantwortlich.
Stefan Steiner arbeitete ab 2011 zuerst im Integrationsstaatssekretariat und dann im Außenministerium eng mit Sebastian Kurz zusammen und ist aktuell einer seiner wichtigsten strategischen Berater.
Gerald Fleischmann arbeitete ebenso ab 2011 im Integrationsstatssekretariat und ist seit 2017 Leiter der neu geschaffenen Stabstelle für strategische Kommunikationsplanung.
Johannes Frischmann war bis 2017 Pressesprecher im BMF und wechselte auf Ersuchen von Kurz zu ihm als sein Pressesprecher.
Sophie Karmasin war von 2013 bis 2017 (von der ÖVP nominierte) parteilose Ministerin für Familie und Jugend, zuvor war sie Geschäftsführerin der Karmasin Motivforschung und alleinige Gesellschafterin der Marktforschungsinstitut Gallup, das jahrelang Umfragen und Marktforschung für die Fellner-Gruppe durchführte. Nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung gründete sie 2018 die Karmasin Research&Identity GmbH und arbeitet mit Sabine Beinschab zusammen (zu Beinschab unten mehr). Karmasin ist zudem Analystin in der Sendung "Fellner! Live" auf oe24.tv, wo sie Wahlumfragen von Research Affairs präsentiert.
Sabine Beinschab arbeitete zunächst bei der Karmasin Motivforschung. Seit 2015 war sie als nicht protokollierte Einzelunternehmerin im Bereich Marktforschung mit der Marke Research Affairs tätig. Laut eigener Homepage war sie als empirische Partnerin von Helene Karmasin, Mutter von Sophie Karmasin, tätig.
Wolfgang Fellner ist Gründer und Herausgeber des Mediums Österreich. Sein Bruder Helmuth Fellner soll bei Mediengründungen für kaufmännische Angelegenheiten zuständig sein.
Für alle in diesem Artikel genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.
Die politische Ausgangslage
Die Erzählung der WKStA beginnt 2008, als die Große Koalition aus SPÖ und ÖVP in Umfragen zunehmend an Zustimmung verliert. 2016 zeichnete sich in Umfragen zur Bundespräsidentschaftswahl ab, dass die von der SPÖ und ÖVP nominierten Kandidaten schlecht abschneiden würden.
Zunächst soll die ÖVP im März 2016 beim Meinungsforscher Franz Sommer eine Umfrage beauftragt haben, um die Chancen von Sebastian Kurz als neuen Parteichef zu erheben. Das Ergebnis war, dass die ÖVP mit Kurz an der Spitze um 15 Prozent besser abschneiden würde als unter der Führung vom damaligen Chef Reinhold Mitterlehner.
Die Aktivitäten von Kurz und seinem Team seien parteiintern kritisch gesehen worden, schreibt die WKStA. Deshalb soll Kurz seinen Plan, Parteichef zu werden, verdeckt verfolgt weiterbetrieben haben. Bloß: Es fehlte ihm das Geld. Als Lösung habe man das "Beinschab Österreich Tool" entwickelt.
Benannt nach Sabine Beinschab, die bei Research Affairs tätig war und mit der Fellner-Gruppe und Sophie Karmasin, ehemaliger Ministerin und Motivforscherin, zusammengearbeitet hat.
Das "Beinschab Österreich Tool"
Die Idee zu diesem "Tool" soll vom damaligen BMF-Generalsekretär Thomas Schmid gekommen sein, wie aus mehreren Chats hervorgeht. Und die Idee soll folgendermaßen ausgesehen haben: Umfragen, die gleichermaßen innerparteiliche und öffentliche Meinung beeinflussen sollten, habe man verdeckt mit Hilfe von Motivforscherin Karmasin (die vom damaligen ÖVP-Chef Mitterlehner enttäuscht gewesen sein soll) erhalten wollen.
Sie habe "beste Kontakte" zu Wolfgang und Helmuth Fellner, schreibt die WKStA. Die beabsichtigten Veröffentlichungen sollten insbesondere im Wege der Fellner-Gruppe durch zeitlich parallel erfolgende Inseratenschaltungen "finanziert" und somit sichergestellt werden. Dieser Plan soll auch im berühmten "Projekt Ballhausplatz" enthalten sein.
Schmid habe als Generalsekretär ebenfalls gute Kontakte zu den Brüdern Fellner und habe zusätzlich über die finanziellen Mittel des Finanzministeriums verfügt. Gegenüber Kanzler Kurz soll er seine "uneingeschränkte Loyalität" kundgetan haben (dazu kommt etwa eine Nachricht vor, in der Schmid schrieb: "Ich bin einer deiner Prätorianer der keine Probleme macht sondern löst").
Laut WKStA sei Schmid bereits im März 2016 von Kurz mit der Umsetzung des Vorhabens befasst worden.
Schmid soll in laufender Abstimmung mit Kurz und Karmasin sowie den Brüdern Fellner Kontakt aufgenommen und an Detailplanung und Umsetzung des "Beinschab Österreich Tools" gearbeitet haben.
Zwei Vereinbarungen
Das "Beinschab Österreich Tool" soll aus zwei miteinander zusammenhängenden Vereinbarungen bestanden haben:
Erstens sei zwischen Schmid und den Fellners unter Einbindung von Karmasin und teilweise auch Beinschab sowie Johannes Pasquali und Johannes Frischmann (als Pressesprecher) vereinbart worden, dass es wiederkehrende Zusagen und Vergaben von Inseratenaufträgen durch das BMF gibt. Auch bei redaktionellen Inhalten soll das ÖVP-Umfeld mitgeredet haben. Die inhaltlichen Vorgaben sollen von Kurz, Steiner, Fleischmann und Frischmann an Mittelsmann Schmid gegangen sein.
Zweitens sollen Schmid, Karmasin und Beinschab unter Einbindung von Pasquali und Frischmann vereinbart haben, dass bestimmte Umfragen, die für das ÖVP-Umfeld relevant waren, wiederum nach inhaltlichen Vorgaben von Kurz, Steiner, Fleischmann und Frischmann beauftragt werden.
Die dafür entstehenden Kosten sollten zuerst verdeckt über die Mediengruppe Österreich, danach mittels Scheinrechnungen für Studien, die man zeitlich parallel beim Einzelunternehmen von Beinschab in Auftrag gegeben hat, abgerechnet werden.
Die Phasen des Projekts
Die WKStA beschreibt vier Phasen des Projekts mit Aufträgen zu konkreten Umfragen, die ausschließlich parteipolitische Interessen von Kurz und der ÖVP betroffen haben sollen.
- Phase 1:
Zunächst sollen bis zur Wahl 2017 Umfragen beauftragt worden sein, aus denen ersichtlich werden sollte, wie schlecht die ÖVP mit dem damaligen Bundesparteiobmann Mitterlehner abschneide, während vergleichend aufgezeigt wurde, um wie viel besser die Ergebnisse unter Kurz ausfallen würden. Der angebliche Zweck: Die öffentliche Meinung sowie die Akzeptanz der Parteifunktionäre sollten beeinflusst werden.
- Phase 2:
Im beginnenden Wahlkampf sollen Umfragen beauftragt worden sein, die die beste Themensetzung ermöglichen sollte. Etwa Fragen zur Kalten Progression oder zu möglichen Mitbewerbern. So soll Anfang Juli, nach der Bekanntgabe der Nominierung von Irmgard Griss durch die Neos eine Umfrage beauftragt worden sein, die zu angeblich so gewünschten Österreich-Berichten führten: Es gab Schlagzeilen wie etwa: "Griss bringt Neos nur 1 Prozent".
- Phase 3:
Umfragen sollen erstellt worden sein, um die Anzahl der Unentschlossenen und deren Wünsche zu erheben, wobei Veröffentlichungen der gezielten Mobilisierung der eigenen Funktionäre dienen sollten, schreibt die WKStA. Teilweise wurden auch die Erfolge bei TV-Konfrontationen abgefragt und mit dem eindeutigen Sieger Kurz veröffentlicht, wobei (laut WKStA zumindest in einem Fall) sogar das gewünschte Ergebnis vorab besprochen worden sein soll.
- Phase 4:
Nach der Nationalratswahl 2017 sollen im Auftrag von Kurz Fragen zu Koalitionsvarianten und der möglichen Bildung eines Expertenkabinetts sowie etwas später im März 2018 zur Akzeptanz der Budgetrede und der vorgesehenen Einsparungen gestellt worden sein.
Umfrageergebnisse "frisiert"?
Laut WKStA-Verdacht sollen die Beschuldigten auch auf Art und Weise der Veröffentlichungen der Umfrageergebnisse Einfluss genommen haben.
So seien die Ergebnisse in der Regel zunächst von Beinschab an Schmid geschickt worden sein. Dieser soll - teils nach Rücksprache mit Steiner - entschieden haben, dass das als ungünstig für die ÖVP beurteilte Umfrageergebnis nicht veröffentlicht werden soll und andere Ergebnisse, die die eigenen Funktionäre zum Wahlkampf motivieren sollten, jedenfalls veröffentlicht werden sollten.
Erst dann soll Beinschab die Ergebnisse an Helmuth und Wolfgang Fellner geschickt haben.
Die WKStA hält fest, dass Beinschab zumindest in einem Fall die Umfrageergebnisse im Auftrag der Beschuldigten innerhalb der Schwankungsbreite zugunsten der ÖVP beeinflusst - bzw. "frisiert" - haben soll.
Vereinbarung wurde ausgebaut
Anfangs dürfte es Schwierigkeiten mit Fellner gegeben haben - in Chatprotokollen der Beteiligten, die der Durchsuchungsanordnung beigefügt sind, ist von einem "Vertrauensbruch" die Rede. Dennoch hielt man offenbar an der Vereinbarung fest - und baute sie sogar noch aus.
Laut WKStA-Verdacht haben Schmid, Pasquali, Karmasin, Beinschab, Helmuth und Wolfgang Fellner im Sommer/Herbst 2016 vereinbart, dass die Zeitung Österreich ab Anfang 2017 regelmäßig politische Umfragen beim Unternehmen von Beinschab (Research Affairs) beauftragen soll.
Diese sollen mit Schmid und mehreren mit Medienunternehmen befassten Personen der ÖVP (genannt werden Kurz, Steiner, Frischmann und Fleischmann) insofern abgestimmt worden sein, dass diese auch Fragestellungen "anhängen" können, die für ihre Strategien (etwa bezüglich der Wahl zum Parteiobmann bzw. später zum Wahlkampf) relevant seien.
Die Ergebnisse sollen unter Berücksichtigung der Wünsche der Beschuldigten veröffentlicht worden sein - Beinschab sollte dabei als scheinbar unabhängige Expertin im Sinne der ÖVP präsentiert werden.
Die Bezahlung sollte zunächst Österreich und später, als auf das Unternehmen von Beinschab umgestellt wurde, das Finanzministerium (BMF) übernehmen.
Die Kosten sollen bei Beinschab in Studien eingerechnet worden sein, die das BMF beauftragt hatte. Die WKStA geht also davon aus, dass die Kosten mit Scheinrechnungen verschleiert wurden. Pikant: Schmid soll Beinschab im Gegenzug eine Tätigkeit beim ORF versprochen haben. In einem Chat heißt es: "Wenn kurz gewinnt werden wir dich dort positionieren".
Die Brüder Fellner sollen ab Ende 2016 das Einzelunternehmen von Beinschab mit der gesamten Politikforschung für Österreich beauftragt haben. Diese beinhaltete regelmäßige Meinungsumfragen zur Sonntagsfrage und andere aktuelle politische Themen.
Schmid informiert Kurz darüber:
Ab Anfang 2017 sollen dann regelmäßig Umfragen durch Schmid beauftragt worden sein.
Verdacht der Scheinrechnungen
Nach Kenntnisstand der WKStA soll die Verrechnung der bei Beinschab beauftragten Umfragen in zwei Abschnitten erfolgt sein:
In der ersten Phase der Umsetzung des Tatplans zwischen Mitte 2016 bis Dezember 2016 sollen die Umfragen mit Kosten in Höhe von insgesamt 83.640 Euro (inkl. USt), wie bereits erwähnt, über Österreich abgerechnet worden sein.
Beinschab soll Scheinrechnungen an Unternehmen der Fellner-Gruppe gelegt haben, heißt es in der vorliegenden Durchsuchungsanordnung. In der Folge sollen diese vorläufig übernommenen Kosten über Inseratenschaltungen ausgeglichen worden sein.
Heißt: Fellner soll die Umfragen quasi vorfinanziert haben und dafür dann von der ÖVP Inserate bezahlt bekommen haben.
In der zweiten Phase sollen die Kosten über direkt aus Amtsgeldern des Finanzministeriums bezahlt worden sein - allerdings verdeckt. So sollen parallel zu den Aufträgen der Umfragen auch Studien an das Einzelunternehmen von Beinschab vergeben worden sein, die das BMF förderte. Der Aufwand soll dann, wie oben beschrieben, durch Legung von Scheinrechnungen verschleiert worden sein. In den Chats der Beteiligten heißt es, sie seien bei den Studien "dazugerechnet", "reingerechnet" oder "hineingepackt" worden.
Angewiesen hat diese Rechnungen offenbar der eingangs erwähnte Leiter der Kommunikationsabteilung, Pasquali.
Die WKStA hält weiters fest, dass das BMF auch nach März 2018 Studien bei Beinschab beauftragt haben soll, für die insgesamt über eine halbe Million Euro gezahlt worden sein soll. Darunter auch drei Studien aus 2020, in denen es um Corona geht ("Bewertung des Corona-Hilfspakets" etc.).
Die Chats im Detail
Folgende Chats, die von der WKStA in die Durchsuchungsanordnung genommen wurden, zeigen Absprachen zur Vorgangsweise zwischen BMF-General Schmid und Kurz-Sprecher Frischmann.
Frischmann schreibt etwa, dass er Beinschab angesagt habe, was sie im Interview sagen solle. Und Schmid bemerkt: "So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen." Schmid hält das für ein "geniales Investment" - und: "Wer zahlt schafft an." Er liebe das.
Auch eine Korrespondenz zwischen Schmid und Kurz lässt tief blicken: Schmid gratuliert Kurz im August 2017 zu einer Umfrage, Kurz findet diese aber "gar nicht so super". Schmid will ihn daraufhin überzeugen - und beschreibt, dass Kurz bei Wirtschaft, allen Sicherheitsthemen, Innovationen und Technik vorne liege.
Bei sozialen Themen käme er an die SPÖ ran. Er, Schmid, meint aber, er müsse "beim Rechnen (gemeint ist wohl die manipulierte Umfrage, Anm.) aufpassen, sonst wird es unglaubwürdig".
Zum Thema Abrechnung der Umfragen gibt es einen Chat zwischen BMF-General und Beinschab: Sie fragt, wie sie die "letzten beiden Wellen" abrechnen könne. Schmid antwortet ihr laut vorliegenden Protokollen, sie solle sie "in die Studie zur Betrugsbekämpfung" reinpacken.
Die Beweiswürdigung
Der Tatplan erschließe sich aus Sicht der WKStA aus einer Zusammenschau der Chatnachrichten im Jahr 2016 zwischen BMF-General Schmid, dem angehenden ÖVP-Chef Kurz, Motivforscherin und Ex-Ministerin Karmasin sowie den Österreich-Männern Helmuth und Wolfgang Fellner.
Laut WKStA liege der Verdacht nahe, dass Beinschab die Studienaufträge nur deshalb bekam, weil das BMF dadurch Zahlungen für Parteiumfragen verstecken konnte. Zudem sei Kurz in die Planung von Anfang an eingebunden gewesen und habe dieses "für seine politischen Ambitionen so wichtige Projekt" auch aktiv gefördert. Er sei - das gehe aus den Chats hervor - regelmäßig informiert worden und habe sich eingebracht, auch, indem er auf Karmasin eingewirkt habe, die anfangs noch gezögert habe.
Zudem habe Kurz, so schreibt die WKStA, gewusst, dass diese Konstruktion erforderlich gewesen sei, um die Umfragen vorerst auch innerparteilich verheimlichen zu können. Wie gesagt: Parteichef war damals ja noch Reinhold Mitterlehner. Die Konstruktion sei auch deshalb erforderlich gewesen, weil Kurz nicht über die dafür notwendigen Mittel aus der Partei verfügt habe.
Umfragen "eh so wie wir wollten"?
In der bisher bekannten internen Kommunikation finde sich laut WKStA "kein Hinweis, dass die Motivation zum Abschluss der Inseratenaufträge tatsächlich in einem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit liegt, sondern gegenteilig deren Abschluss im unmittelbaren Zusammenhang mit den Vorteilszusagen steht".
Die WKStA sieht eine "ausschließlich parteipolitische Motivation der Umfragen sowie ihrer Veröffentlichung". Das zeige sich daran, dass diese einerseits zur internen Information und Anpassung der Strategie benutzt worden seien (wie die Umfrage zum Thema: "Was erwarten sich die Wähler?"), und andererseits zur "bewussten Steuerung der öffentlichen Meinung wie etwa zur Mobilisierung der Wähler bzw. zur parteiinternen Beeinflussung".
Ein Beispiel: Anfang 2017 erkundigt sich Schmid bei Frischmann, ob die Umfrageergebnisse eh so seien "wie wir wollten".
Studien "nicht an offizielle Adressen"
Eine subjektive Tatseite - und damit ein Unrechtsbewusstsein bei den Beteiligten - sieht die WKStA darin, dass Beinschab für die Rechnungen für ihre Leistungen mit Schmid "persönlich" reden musste. So ist in den Chats auch von einem "finalen OK" von Schmid bezüglich "Verteilung Summen" die Rede.
Studieninhalte sollten zudem nicht an die "offizielle Adresse" des BMF geschickt werden, sondern an die ÖVP-Mailadresse von Schmid - oder gar nicht per Mail.
Zudem wollte Schmid offenbar, dass der Name von Beinschab nicht auf Rechnungen "auftaucht", damit dieser nicht bei Antworten auf parlamentarische Anfragen von Abgeordneten im Nationalrat angeführt wird.
Zur Rolle von Sebastian Kurz
Für die WKStA ist Kurz "die zentrale Person". Sämtliche Tathandlungen seien primär in seinem Interesse begangen worden. Das "Projekt Ballhausplatz" sei auf seine Person maßgeschneidert.
Alle an der Planung und Umsetzung beteiligten Personen hätten sich einem Ziel unterzuordnen: Kurz zur Position des Parteiobmanns und in weiterer Folge zu jener des Bundeskanzlers zu führen und danach abzusichern.
Aus den Chatnachrichten sei ersichtlich, dass er in "allen wichtigen Belangen die Grundsatzentscheidungen trifft und diese Entscheidungen von seinem engsten Beraterkreis umgesetzt werden", heißt es in dem Dokument der WKStA.
Die Conclusio: "Dass bei der deutlich ersichtlichen streng hierarchischen Struktur der Gruppe ein derart komplexer Tatplan von den Mitbeschuldigten ohne Wissen und Wollen des Begünstigten Kurz ausgearbeitet und umgesetzt wurde, kann hingegen ausgeschlossen werden."
WKStA sieht Missachtung des "Herzstücks der Demokratie"
Am Ende der Durchsuchungsanordnung (Seite 101 von 104) beschreibt die WKStA, wie gravierend der Tatverdacht der Bestechung bzw. Bestechlichkeit sowie der Untreue der Verwaltung von öffentlichem Vermögen zum Nachteil der Republik Österreich sei und warum es die Maßnahme der Hausdurchsuchung brauche.
Die Tathandlung zeige eine Missachtung für das "Herzstück der Demokratie - nämlich freie und unbeeinflusste Wahlentscheidungen". Es seien einerseits strafrechtswidrig öffentliche Gelder zweckentfremdet worden, andererseits sei die öffentliche Meinung teilweise durch "frisierte" und verfälschte Inhalte manipuliert worden.
Durch diese "korruptive Verstrickung der politischen Akteure mit einem Medienherausgeber" werde die Pressefreiheit "ad absurdum" geführt, "weil die wesentliche Funktion der Presse als public watchdog und ihre Fähigkeit, genaue und verlässliche Informationen zu liefern, völlig untergraben wird".
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