Hausdurchsuchungen: WKStA bestätigt Korruptionsermittlungen gegen Kurz
Mittwochfrüh ist es zu mehreren Hausdurchsuchungen im Umfeld der ÖVP und von Kanzler Sebastian Kurz gekommen. Dem Vernehmen nach geht es um Inseraten-Korruption mit der Mediengruppe "Österreich". Der Vorwurf: Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit.
Laut KURIER-Informationen sollen Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse in Wien, im Bundeskanzleramt, und im Finanzministerium vorstellig geworden sein. Die Hausdurchsuchung in der Parteizentrale war gegen 11.30 Uhr bereits beendet.
Erklärung: WKStA begründet Hausdurchsuchung
Die WKStA gab am späten Nachmittag ein Statement ab. Im Zuge der Ermittlungen gegen Kurz und neun weitere Beschuldigte hätten "Hausdurchsuchungen an mehreren Standorten, darunter auch in einzelnen Büros zweier Bundesministerien" stattgefunden, unterstützt von Wirtschafts- und IT-Experten der Justiz.
Die WKStA gehe insbesondere aus "Ermittlungsergebnissen im Verfahren zur Vorstandsbestellung bei der Casinos Austria AG ergebenden weiteren Verdachtslagen nach". Der Verdacht: Zwischen 2016 und 2018 habe das Finanzministerium budgetäre Mittel "zur Finanzierung von ausschließlich parteipolitisch motivierten, mitunter manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsunternehmens im Interesse einer politischen Partei und deren Spitzenfunktionär(en) verwendet", heißt es. Diese Umfrageergebnisse seien im redaktionellen Teil "einer österreichischen Tageszeitung" veröffentlicht und nicht als Anzeigen deklariert worden.
Weiterer Verdacht: "Im Gegenzug wurden - nach der Verdachtslage - seitens der befassten Amtsträger im Rahmen von Medien- und Inseratenkooperationen Zahlungen an das Medienunternehmen geleistet." Diese Zahlungen seien im wesentlichen Gegenleistungen für den Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung gewesen.
Kurz: "Konstruierte Vorwürfe"
Kanzler Kurz war am Mittwoch tagsüber nicht in Wien, sondern beim Westbalkangipfel in Slowenien. Gegenüber der Kleinen Zeitung und der Zeit im Bild bezeichnete er die Vorwürfe der WKStA als "konstruiert": "Jetzt gibt es nach kurzer Zeit schon wieder neue Vorwürfe, wieder sind es konstruierte Vorwürfe, und wieder nach derselben Systematik: Es werden SMS-Fetzen auseinandergerissen, in einen falschen Kontext gestellt, und drumherum strafrechtliche Vorwürfe konstruiert." Kurz erinnerte an die bisherigen Vorwürfe der falschen Zeugenaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss gegen ihn selbst und die Vorwürfe gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), die sich auch als falsch herausgestellt hätten.
Blümel selbst zeigte sich höchst gelassen. "Die Behörden sollen allen Vorwürfen nachgehen, dann wird sich herausstellen, dass hier nichts dran ist", sagte er gegenüber Puls24. Man werde weitermachen wie bisher: "Alles andere wäre auch seltsam." Am Abend ist der Kanzler zusätzlich in der ZiB2 zu Gast.
Unter den Betroffenen der Hausdurchsuchungen sind laut KURIER-Informationen der Pressesprecher des Kanzlers, Johannes Frischmann, der strategische Berater Stefan Steiner und der Kommunikationschef im Bundeskanzleramt Gerald Fleischmann.
Worum geht es im Kern?
Ausgangspunkt dürfte eine Aussage der früheren FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl im Ibiza-Untersuchungsausschuss gewesen sein. Sie hat gesagt, sie habe das Inseratenvolumen im Ministerium massiv reduziert. Nun will die Justiz offenbar prüfen, ob die Kanzlerpartei eine Art Abtausch gemacht hat. Für öffentliche Inserate soll es wohlwollende Berichterstattung und Platzierungen des Kanzlers in den jeweiligen Medien gegeben haben. So zumindest lautet der Vorwurf.
Laut Presse ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die von der Hausdurchsuchung Betroffenen sowie gegen die ehemalige Familienministerin und Meinungsforscherin Sophie Karmasin, die Meinungsforscherin Sabine Beinschab, die Mediengruppe Österreich, sowie Helmuth und Wolfgang Fellner wegen Bestechung und Bestechlichkeit.
Das Finanzministerium soll Umfragen, die "ausschließlich parteipolitisch motiviert und für das (partei-)politische Fortkommen von Sebastian Kurz und der Gruppe seiner engsten Vertrauten um ihn sowie der ÖVP-Bundespartei relevant" seien, bezahlt haben, berichtet der Standard.
Zudem gehe es um Inserate und Medienkooperationsvereinbarungen mit einem Volumen von rund 1,3 Millionen Euro. Damit sollen "Einflussnahmemöglichkeiten hinsichtlich der Inhalte und Zeitpunkte von Veröffentlichungen im redaktionellen Teil" in Anspruch genommen worden sein. Konkret sollen sich Thomas Schmid, Ex-ÖBAG-Chef und damals Generalsekretär im Finanzministerium, Vorteile für Kurz, der Gruppe seiner engsten Vertrauten und die ÖVP versprechen haben lassen.
Razzia bei ÖVP: Heftige Kritik der Opposition
Auch Kurz steht auf der Liste
Die WKStA glaubt offenbar, dass auch Kanzler Kurz involviert war. Er soll Schmid dazu angestiftet und damit zur Untreue der Genannten beigetragen haben, schreibt der Standard.
Schmids Anwalt Thomas Kralik konnte Mittwochmittag keine Auskunft geben - er kenne die Vorwürfe nicht, sagt er auf KURIER-Anfrage.
Stellungnahme aus dem Finanzministerium
Die Hausdurchsuchungen haben in den frühen Morgenstunden an den privaten Wohnadressen stattgefunden; später wurde die WKStA auch in der Parteizentrale der ÖVP in der Wiener Lichtenfelsgasse sowie im Kanzleramt vorstellig.
Auch im Finanzministerium gab es eine Hausdurchsuchung, allerdings nur in einer Abteilung und nicht, wie kolportiert, bei Finanzminister Gernot Blümel oder dessen Kabinett, wie der KURIER erfuhr. Außerdem soll der Vorwurf, dem die Hausdursuchung zugrunde liegt, nicht in die Amtszeit des amtierenden Finanzministers fallen.
Erst gestern gab es eine Hausdurchsuchung bei der Assistentin von Schmid. Gefolgt von einer Pressekonferenz von ÖVP-Mandatar Andreas Hanger, der erneut die Justiz attackierte (mehr dazu hier).
ÖVP bestätigte Justiz-Aktion
Mit Kritik an der Justiz war auch eine heutige Presseaussendung der ÖVP gespickt, in der um 10 Uhr die laufenden Durchsuchungen bestätigt wurden. "Nach den falschen Anschuldigungen, die schon gegen Sebastian Kurz, Josef Pröll, Gernot Blümel, Hartwig Löger und Bernhard Bonelli und andere erhoben wurden, die sich mittlerweile alle als haltlos herausgestellt haben, werden nun weitere Vorwürfe konstruiert", sagte die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gaby Schwarz. Schwarz wiederholte den Vorwurf, die Justiz agiere parteipolitisch motiviert: "Das passiert immer mit demselben Ziel und System: Die Volkspartei und Sebastian Kurz massiv zu beschädigen."
Empört zeigte sich am Rande des Ministerrats ÖVP-Klubchef August Wöginger. Er sprach von einer "Unzahl an falschen Behauptungen". Es gebe immer die gleichen konstruierten Vorwürfe, die einzig als Ziel hätten, der Volkspartei und Kanzler Kurz zu schaden. Die ÖVP werde dem politisch wie juristisch entgegentreten.
Opposition sieht sich bestätigt
Die Opposition hat die am Mittwoch bei der ÖVP und im Kanzleramt durchgeführten Hausdurchsuchungen als Bestätigung für den Korruptionsverdacht im Umfeld von Kanzler Sebastian Kurz gesehen. "Für Kurz und die türkise Familie wird es immer enger", kommentierte die SPÖ. Die "Verdachtsfälle rund um illegale Parteienfinanzierung und Stimmenkauf durch Inserate" hätten sich spätestens seit dem "Projekt Ballhausplatz" gehäuft, meinten die Neos.
Nur knapp kommentierte Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer die Vorgänge: "Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz. Die macht ihre Arbeit ohne Ansehen der Personen. Wir werden sehen, wie es weitergeht", sagte sie vor dem Ministerrat.
Die Mediengruppe Österreich nimmt zu den Vorwürfen online Stellung. Auf oe24.at heißt es, "die Mediengruppe ÖSTERREICH möchte die Vorwürfe der WKStA bezüglich Politik-Umfragen und sogenannten "Sonntagsfragen" zur Parteipräferenz in der Folge richtigstellen. Den Ermittlungen der WKSTA liegen nämlich offensichtlich schwere Missverständnisse zugrunde:"
Unter Punkt 4 heißt es: "Zu keinem Zeitpunkt gab es zwischen der Mediengruppe ÖSTERREICH und dem Finanzministerium eine Vereinbarung über eine Bezahlung von Umfragen durch Inserate. Tatsächlich sind alle Inseratenzahlungen des Finanzministerium durch das Transparenzgesetz offengelegt.
Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
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