"Linke Zellen": ÖVP sorgt wieder mit Attacke gegen Justiz für Empörung

IBIZA-U-AUSSCHUSS: HANGER
ÖVP-Mandatar Hanger sieht "politisch motivierte" Ermittlungen bei der WKStA. Ex-ÖVP-Justizsprecher bezeichnet das als "schwer erträgliche Entgleisung". Und Journalistin fühlt sich von der ÖVP instrumentalisiert.

Die ÖVP hat am Dienstag neue Attacken gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geritten. Der Vorsitzende im abgeschlossenen Ibiza-Untersuchungsausschuss, Andreas Hanger, ortete dort "linke Zellen".

Die schon in der Vorwoche von Vize-Generalsekretärin Gabriela Schwarz angesprochenen Gerüchte über Hausdurchsuchungen würden sie "verdichten". Der WKStA warf Hanger in diesem Zusammenhang vor, "politisch motiviert" vorzugehen. 

Wie der KURIER erfuhr, gab es am Dienstag tatsächlich eine Hausdurchsuchung - und zwar bei der früheren Assistentin von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid (mehr dazu hier). 

Hanger wiederholte Vorwürfe

Den Vorwurf der parteiischen Ermittlungen der WKStA begründete Hanger in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz mit seit Wochen bekannten Vorwürfen. Einerseits würden umfangreiche Ermittlungen gegen ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz geführt. Gegen den früheren Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl werde hingegen nicht ermittelt, obwohl dieser vor dem U-Ausschuss des Gemeinderates zum KH-Nord 2019 offensichtlich falsch ausgesagt habe, wiederholte Hanger einen schon vor dem Sommer getätigten Vorwurf.

Außerdem verwies er neuerlich darauf, dass die Chat-Verläufe von ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian nicht dem U-Ausschuss übermittelt wurden, obwohl dieser die ÖBAG-Bestellung von Thomas Schmid unterstützt habe.

Als aus seiner Sicht weiteres Indiz führte Hanger die bekannte Anzeige der WKStA gegen eine Presse-Journalistin an, die dann zurückgelegt wurde. Und schließlich prangerte er an, dass die WKStA mögliche Absprachen untersucht habe, weil mehrere Zeugen ausgesagt haben, dass für die Schmid-Bestellung der Aufsichtsrat zuständig gewesen sei.

Hanger betonte auf Nachfrage, dass die Vorwürfe "kein Einschüchterungsversuch" gegen die WKStA seien und auch nicht pauschal gegen das Justizsystem gerichtet seien. Auf den Einwand, dass der Staatsanwalt, der gegen Kurz ermittelt, auch den früheren Salzburger SPÖ-Bürgermeister Heinz Schaden, der dann auch verurteilt wurde, angeklagt hat, ging Hanger auf mehrmalige Nachfrage nicht konkret ein. Er wiederholte aber, dass er sich vom Justizministerium erwarte, dass dieses dafür sorge, dass die WKStA nicht mit zweierlei Maß messe.

"ÖVP vergießt literweise Angstschweiß"

Die SPÖ reagierte empört. "Seit Tagen ist die ÖVP hochnervös und im Panikmodus", erklärte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, nun habe Hanger wieder mit Brutalangriffen auf die unabhängige Justiz versucht, die Arbeit der Korruptionsermittler zu sabotieren. "Jetzt sehen wir, warum die ÖVP literweise Angstschweiß vergießt und mit allen Mitteln versucht, die Justiz an die Kandare zu nehmen", so seine Schlussfolgerung.

Ähnlich sah man das bei der FPÖ. "Die Schlinge für die in ihrem Korruptionssumpf versinkende türkise Familie zieht sich immer weiter zu", kritisierte deren Mandatar Christan Hafenecker: "Das hat die ÖVP mit ihren verzweifelten Angriffen auf die WKStA nur wenige Stunden nach der Hausdurchsuchung bei der früheren Assistentin von Ex-ÖBAG-Chef Schmid heute wieder bewiesen." Die ÖVP müsse sich fragen, ob sie sich mit dieser "Verleumdungskampagne" noch innerhalb des Verfassungsbogen befinde.

Auch für die Neos reicht es, wie Justizsprecher Johannes Magreiter erklärte: "Die Nervosität der türkisen Familie ist verständlich. Schließlich steht sie im Fokus der Korruptionsermittlungen. Aber das gibt ihr nicht das Recht, unseren Rechtsstaat zu beschädigen."

Kritik kam aber auch von den Grünen, dem Koalitionspartner der ÖVP. "Es ist immer dasselbe unwürdige Spiel - sobald neue Ermittlungsschritte oder Vorwürfe gegen ÖVP-Politikerinnen und ÖVP-Politiker bekannt werden, rückt jemand aus der Fraktion aus, um die Justiz im Allgemeinen, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Besonderen und zuletzt auch einzelne Staatsanwälte mit skurrilen Anschuldigungen zu diskreditieren", ärgerte sich die Justizsprecherin der Grünen, Agnes Prammer

Betroffene fühlt sich von der ÖVP instrumentalisiert

Unterdessen meldet sich auch die von Hanger erwähnte Presse-Journalistin via Twitter zu Wort. Sie fühle sich "instrumentalisiert". Sie habe mit der WKStA alles geklärt und auch bei der ÖVP schon "mehrfach deponiert", dass sie die Sache ruhen lassen solle. 

"Grenzen des Anstands" überschritten

Scharfe Kritik an der heutigen Pressekonferenz der ÖVP-Bundespartei übte auch der ehemalige Justizsprecher der ÖVP, Michael Ikrath: Dieser findet die neuerlichen Attacken "einer Regierungspartei unwürdig und demokratiepolitisch bedenklich".

Ikrath erklärt: "Diese Sprache, die "dahinterliegende Geisteshaltung und der ungenierte Versuch, die Justiz zu delegitimieren, sind eine schwer erträgliche Entgleisung, die in einer gefestigten Demokratie und einem entwickelten Rechtsstaat nichts verloren haben." 

Die ÖVP überschreite damit nicht nur die „Grenzen des Anstands“, sondern untergrabe das Vertrauen in den Rechtsstaat. „Angesichts der Tatsache, dass derzeit gegen hochrangige Vertreter der ÖVP wegen mutmaßlicher Rechtsbrüche ermittelt wird, ist das Motiv hinter diesen Attacken leicht zu durchschauen, was es aber nur noch schlimmer macht", sagt Ikrath.

Er fordert die obersten Organe der Republik – insbesondere den Bundespräsidenten, den Präsidenten des Nationalrats und die Justizministerin – dazu auf, sich schützend vor den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung zu stellen, eine Mäßigung der Worte einzumahnen und klarzustellen, dass solche Angriffe auf die Justizbehörden inakzeptabel seien.

Als einer der Proponenten des "Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehrens" forderte Ikrath den ÖVP-Abgeordneten Hanger zu einer Entschuldigung auf. Dass Hanger in Interviews erklärt habe, das Volksbegehren unterschreiben zu wollen, müsse angesichts seiner heutigen Aussagen "als übler Scherz“ beurteilt werden. 

Staatsanwälte sprechen von "untauglichem Versuch"

Scharfe Worte kamen auch von der Staatsanwälte-Vereinigung. Die Strategie, ermittelnden Staatsanwälten politische Motivation zu unterstellen und dadurch zu versuchen, ihnen die Glaubwürdigkeit zu nehmen, könne in einem funktionierenden Rechtsstaat nicht zum Ziel führen, hieß es in einer via Twitter verbreiteten Stellungnahme.

"Österreichs Staatsanwälte stehen unumbrüchlich für eine objektive Aufklärung eines Verdachts einer Straftat. Wir sind nicht 'links' oder 'rechts', sondern sind ausschließlich dem Recht verpflichtet." Hausdurchsuchungen würden vorab von einem unabhängigen Richter bewilligt, wurde betont: "Es ist daher - strafrechtlich gesprochen - ein 'untauglicher Versuch' (ausschließlich) der StA politische Motivation - und damit nichts anderes als Amtsmissbrauch - zu unterstellen."

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