ORF-Stiftungsrat: Budgetloch von 30 Millionen ist „keine Lachnummer"
„Aufklärung und Konsequenzen“ fordert SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer, weil der ORF bei der neuen Haushaltsabgabe mit der Qualität der Meldedaten zu kämpfen hat. Wie berichtet, sucht eine Art „Soko“ nach 180.000 Haushalten, die gegenüber der Prognose des Finanzministeriums als Beitragszahler fehlen. Das ist z. B. Doppelmeldungen geschuldet.
Beim heutigen ORF-Finanzausschuss will Lederer von der Geschäftsführung unter Roland Weißmann „klar benannt wissen, wer für die Geisterhaushalte verantwortlich ist: Waren der ORF und die Beitragsservice GmbH schlecht vorbereitet, liegt der Fehler beim Innenministerium oder war es das Finanzministerium?“
Daraus resultiert jedenfalls plötzlich ein Budgetloch von jährlich 30 Millionen. „Das ist keine Lachnummer, sondern hat Konsequenzen für die Liquidität des Hauses auf Jahre hinaus.“ Weshalb Lederer will, dass auch die interne Revision eingeschaltet wird.
ORF fährt auf Reserve
Der ORF-Beitrag wurde gesetzlich bis 2026 mit monatlich 15,30 Euro (zuvor 18,59 Euro) limitiert. Ausgeglichen werden kann das Budgetloch deshalb nur „vorerst durch die Vorsorge, die Alexander Wrabetz getroffen hat. Wäre schön, wenn dessen Weitsicht vom Finanzausschuss-Vorsitzenden (ÖVP-Stiftungsrat Thomas Zach, Anm.) und Weißmann auch so benannt wird“, erklärt Lederer.
Der ORF und die Finanzierung bleiben auch weiterhin ein Thema: In den kommenden Wochen verhandelt der Verfassungsgerichtshof 331 Beschwerden gegen den ORF-Beitrag und ein Erkenntnis zu den ORF-Gremien macht sowieso eine Gesetzesnovelle bis März notwendig. „Gremienreform und Finanzierungsfrage müssen schon während der Koalitionsverhandlungen - von wem auch immer - konkret gelöst werden. Da müssen die beteiligten Parteien all-in gehen“, fordert der rote Stiftungsrat.
Ein Fortbestehen der Haushaltsabgabe „kann ich mir ohnehin nur vorstellen, wenn die soziale Treffsicherheit neu und besser geregelt wird“, erklärt Lederer. Gute Vorschläge der SPÖ dazu seien aber von der Koalition ignoriert worden.
Alternativen zum ORF-Beitrag überlegen
Es gäbe aber auch „interessante alternative Ansätze“, so Lederer, wie eine vom Bund finanzierte Medienkarte. Mit der könnte man selbst bestimmen, für welches österreichisches Medienangebot man sie einsetzt. „Eine solche Finanzierungssäule kann für den ORF, neben einer notwendigen Grundfinanzierung, wie auch für alle weiteren Medienunternehmen ein Anreiz zu mehr Konsumentenorientierung sein.“
Die Budgetfinanzierung, wie von der FPÖ forciert, sieht Lederer hingegen als „Hütchenspieler-Trick“. Diese bringe „weder Wahlfreiheit noch Klarheit, wofür das Geld konkret eingesetzt wird.“ Dass mit der FPÖ-Idee gut 400.000 beitragsbefreite Haushalte „indirekt über Steuern zur Kasse gebeten werden, macht sie auch noch sozial ungerecht“, betont der SPÖ-Stiftungsrat. Und „der ORF wäre einem Kanzler oder Finanzminister direkt ausgeliefert. Die bestimmen dann, was man für sein Steuergeld bekommt – im Programm, aber auch an der Unternehmensspitze. Das kann keiner ehrlich wollen.“
Lederer fordert deshalb auch Mut ein, Neues zu denken. Für ihn vorstellbar ist etwa die Gründung einer Österreichischen Medienbeteiligungs-AG ÖMAG mit dem ORF als einen Teil dessen. „Damit wäre gewährleistet, dass nicht von einem Ministerium direkt hineinregiert wird und der ORF folgt weiter einer gewissen Markt- und auch Wirtschaftslogik.“ In einer ÖMAG könnten auch die vielen Digitalisierungsprojekte im Medienbereich Platz finden. Er erhoffe sich davon „eine breite Start-up-Mentalität, die ein Mehr an Innovation, Veränderung, Vielfalt und Programmfreude bringt.“
ORF-Gremien und die innenpolitische Tiefebene
Doch zuvor warten auf jede nächste Regierung die Mühen der Tiefebene. Dazu zählt eben auch die komplexe ORF-Gremien-Reform - eine innenpolitische Machtfrage. Entscheidend für Lederer: „Die Gremien müssen schlanker, schneller und effizienter werden und es braucht dort einen Demokratie-Schub.“ Für die Bestellung der ORF-Führung solle eine Zweidrittelmehrheit notwendig sein.
Die Gremienverkleinerung wird zudem ein Thema Bund und Bundesländer. Eine (ungeliebte) Lösung wäre die einmal von Ex-SPÖ-Medienstaatssekretär Josef Ostermayer ins Spiel gebrachte Rotation der Länder im ORF-Stiftungsrat? „Da bräuchte es wahrscheinlich ein vorgelagertes Gremium der Landesstiftungsräte, damit die Informationsqualität erhalten bleibt“, meint Lederer.
Weniger kompliziert dürfte eine Forderung des SPÖ-Vertreters zu erfüllen sein. Er will den neuen Ethikkodex, der die Nebeneinkünfte und Social Media-Aktivitäten von ORF-Mitarbeitern regelt, gesetzlich verankert sehen. „Der Kodex soll zu einem zentralen Merkmal der öffentlich-rechtlichen Identität des ORF werden. Das bedeutet auch: keine Ausnahmen und keine Ausflüchte mehr“, so Lederer. Gesetzlich festgeschrieben werden müssten auch die Qualifikationen für den Ethikrat. „Es kann nicht dabei bleiben, dass der ORF-Generaldirektor ihn nach Lust und Laune zusammenstellt. Der Weisenrat muss scharfgestellt werden.“
Das führt zur Frage: Sollte es auch einen weiterreichenden „Ethikkodex für Stiftungsräte“ geben? Anlass darüber nachzudenken lieferte Stiftungsrat Herbert Fechter, der „Fit mit Philipp“ Jelinek beim ORF-Abgang managte. „Sicherlich gehören die Compliance- und Unvereinbarkeitsrichtlinien für Stiftungsräte nochmals nachgeschärft“, findet Lederer.
Wahlkampfmodus versus Benimmkodex
Nicht unterzeichnet hat dieser übrigens den Brief von 30 (der 35) Stiftungsräte an Peter Westenthaler, wegen dessen Ausritten gegen Unternehmen und Mitarbeiter. „In Inhalt und Wortwahl richten sich die von selbst. Die Antwort darauf kann bei einem Wahlkampfmodus aber nicht das Winken mit dem Benimmkodex sein“, sagt Lederer.
Auf falsche Anwürfe müssten der Generaldirektor, der Stiftungsratsvorsitzende, auch ein Ausschuss-Vorsitzender oder im Fall des Falles die Redaktion mit Fakten antworten, so wie beim Abbruch des Vilimsky-Interviews, meint der SPÖ-Stiftungsrat. „Mit der sofortigen Veröffentlichung der gesamten Sequenz waren die blauen Tricksereien entlarvt.“ Wenn Westenthaler einen sinnvollen Vorschlag macht, werde er weiter mit ihm diskutieren, ohne auf die Uhr zu schauen. „Das gehört zur Demokratie, damit entschuldige ich nichts. Im Gegenteil, auch fünf Jahre nach Ibiza muss man immer wieder Aufdecken, was der Gedanke, der Spirit der FPÖ hinter all den Anwürfen ist, nämlich Zerstückeln, Zertrümmern, Zerstören. Jetzt beim ORF, wer weiß, was folgt. Das sollte uns wirklich Sorgen bereiten“, meint Lederer.
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