SPÖ-Stiftungsrat kritisiert mögliche Absage von Sondersitzung zu ORF-Gagen
Die Gagen-Debatte im ORF ist aus Sicht von SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer „sicher nicht vorbei“. Er hatte Anfang April einen Sonder-Finanzausschuss beantragt, der nun aber nicht stattfinden soll, wie ihm vom Ausschuss-Vorsitzenden, ÖVP-Stiftungsrat Thomas Zach, signalisiert worden sei. „Diese Strategie von Türkis-Grün, auf Kritik nicht zu reagieren, halte ich für falsch. Man muss diese Wagenburg des Schweigens durchbrechen und offensiv an die Problemstellung herangehen.“ Wenn er jetzt keine Antworten bekomme, werde er sie beim nächsten regulären Gremien-Treffen im Juni einfordern. Man werde sich durch die Verzögerung keine einzige Frage ersparen.
„Man lässt damit jetzt eine Chance liegen, sich vor die Mitarbeiter zu stellen“, bedauert der SPÖ-Vertreter. Mit dem neuen, von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann initiierten Ethikkodex, der u. a. Nebenbeschäftigungen einschränkt und auch die immer wieder kritisierte Social-Media-Nutzung von ORF-Journalisten regelt, habe man Wichtiges vorzuweisen. Auch gegenüber den Beitragszahlern.
Lederer fordert von Weißmann nun als nächsten Schritt die Einsetzung des im Ethikkodex vorgesehenen Weisenrats und die Benennung seiner Mitglieder. Das soll bis zum Stiftungsrat im Juni geschehen. Dieser Weisenrat solle sich nochmals die Problematik bei ORF-Gehältern und Nebenbeschäftigungen von Mitarbeitern vornehmen. „Der Ethikkodex ist mir wichtig, ich werde ihn aber auch nicht zum Inquisitionshandbuch verkommen lassen“, sagt Lederer.
Geschlossene Gesellschaft in Türkis, Grün und Blau
Er betont: „Die Offenlegung der Spitzengehälter hat auch innerhalb des ORF Fragen aufgeworfen. Und das Publikum will ohnehin weiterhin wissen, wie es zu diesen Höhen kommt und diese Erklärungen muss man liefern.“
Beim ORF-Chef und den Direktoren weiß man es: Deren Gehälter wurden vom sogenannten Vergütungsausschuss unter der Führung von FPÖ-Vertreter Norbert Steger festgelegt. Aus Sicht Lederers war dieser Ausschuss eine geschlossene Gesellschaft in Türkis, Grün und Blau. „Ich hoffe und gehe davon aus, dass man dort internationale Benchmarks berücksichtigt hat. Es wird das Gehalt von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann und seiner Mannschaft ja nicht gewürfelt worden sein.“
Zu erfolgsabhängigen Gehaltsbestandteilen hätte Lederer allerdings noch Fragen. Und das auch in Hinblick auf „Wecker“-Moderator Robert Kratky. „Dass er nicht angestellt ist und sein Erfolg mit dem ,Wecker‘ wichtig ist für den wirtschaftlichen Erfolg von Ö3, könnte man noch viel deutlicher hervorstreichen.“ Und dass dessen Vertrag noch Alexander Wrabetz abgeschlossen hat? „Die damaligen Benchmarks gelten auch unter Weißmann.“
Abstauben mit Philipp nicht angebracht
Mit Klarheit und Transparenz scheint man aber auch in ORF-Gremien seine Not zu haben. Der frühere Talente-Manager, Pensionär und vom Kanzleramt entsandte Stiftungsrat Herbert Fechter wollte „Fit mit Philipp“ Jelinek zu ServusTV vermitteln. Lederer: „Ich möchte mich öffentlich nicht zu Mitgliedern des Stiftungsrates äußern. Wir nehmen jedenfalls Compliance im Stiftungsrat sehr ernst.“ Jelinek musste aufgrund von, in FPÖ-Chats nachlesbar, krassem Fehlverhalten den ORF verlassen. „Eine Abstauber-Mentalität von Aufsichtsräten ist in so einem Fall unpassend“, sagt Lederer. Man habe zuvor bei den Compliance-Kriterien bereits nachgeschärft, „das muss jetzt offenbar nochmals geschehen.“
Einen angriffigen Stil hat der neue FPÖ-Stiftungsrat Peter Westenthaler ins oberste ORF-Gremium gebracht. Weil er mit der Vertagungsentscheidung des Stiftungsrates unter dem Vorsitz des Grün-nahen Lothar Lockl nicht zufrieden war, hat er sie vor die Medienbehörde gebracht. Westenthaler wollte eine Empfehlung, dass die ORF-Geschäftsführung mit der Regierung über eine alternative ORF-Finanzierung verhandelt. Das lässt Lockl durch Juristen außerhalb des ORF auf Gesetzeskonformität prüfen.
Ich bin nicht der Elmayer
„Jedes Stiftungsratsmitglied ist für sein Verhalten und seine Äußerungen selbst verantwortlich. Ich bin nicht der Elmayer“, sagt Lederer. „Es ziemt sich jedenfalls nicht, dass man sich gegenseitig vor den Kadi zerrt. Das sind keine Umgangsformen für das oberste ORF-Gremium.“ Ein Mundtot-Machen eines Gremienmitglieds könne es aber auch nicht geben. „In der Sache meine er, dass Westenthaler falsch liegt und das auch weiß.“
Spätestens nach der Nationalratswahl muss der Gesetzgeber die Beschickung des ORF-Stiftungsrates neu regeln. So will es der Verfassungsgerichtshof. Nach einer Beschwerde des Presseclubs Concordia den Publikumsrat betreffend, könnte es auch hier ein höchstgerichtliches Erkenntnis mit Auswirkungen geben.
Verkleinerung aller ORF-Gremien
„Ich plädiere weiterhin für eine Verkleinerung des Stiftungsrates und des Publikumsrates, das erhöht die Arbeitsfähigkeit und ist auch eine Geste in Zeiten der Diskussionen um die Haushaltsabgabe – auch wenn es ein Ehrenamt ist“, meint der SPÖ-Stiftungsrat.
Im Zuge der notwendigen, neuerlichen ORF-Gesetzes-Reform brauche es zudem eine stärkere demokratische Legitimierung von ORF-Generaldirektor und Direktorium durch offene Stimmenabgabe und Einzel-Bestellung mit Zwei-Drittel-Mehrheit. „Dem vorausgehen sollten öffentliche Hearings, die diesen Namen verdienen – und nicht erst drei Tag vor der Abstimmung auf ORFIII.“
Dass es damit zu Hängepartien an der ORF-Spitze wie in den 1990er-Jahren kommen könnte, glaubt Lederer nicht. „Heute ist der öffentliche Druck ein ganz anderer und es gibt den Zwang, Mehrheiten zu finden ohnehin ständig.“
Nach der Neuaufstellung der Gremien sollte die ORF-Geschäftsführung von sich aus ihre Funktionen zur Verfügung stellen, meint Lederer: „Das fällt unter Courtoisie. Das heißt ja noch lange nicht, dass das angenommen wird. Ich bin durchaus der Meinung, dass einige in der Geschäftsführung ihre Qualitäten haben.“
ORF-Chef soll Führungsstruktur überdenken
Für einen Fehler in ihrer Konstruktion der ORF-Spitze hält Lederer heute, dass es keinen Chief-Digital-Officer gibt. Auch dass die Informationsagenden beim Generaldirektor liegen, könnte man nach einer Gesetzesänderung überdenken. „Man wird sehen, was Roland Weißmann tut. Er hat angekündigt, zur Halbzeit möglicherweise sein Direktorium umzubilden. Die Frage muss so oder so vor allem sein, ob die Führungsstruktur noch die eines modernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk/Plattform-Unternehmens abbildet“, erklärt der SPÖ-Stiftungsrat. Denn das sei Spiel entscheidend.
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