Westenthaler: "Es gibt nichts mehr zum Lachen im ORF"
KURIER: Innenpolitisch hat – abgesehen vom Kurz-Urteil – diese Woche kaum etwas für so viel Wirbel gesorgt wie die Meldung, dass Sie von der FPÖ in den ORF-Stiftungsrat entsendet werden. Was sagen Sie zu dieser Aufregung?
Peter Westenthaler: Für mich ist das nicht ganz nachvollziehbar, weil das eigentlich recht unspektakulär ist. Die FPÖ hat das Recht, jemanden zu nominieren. Und sie nominiert jemanden, der mit der Sache betraut und ein Experte auf dem Gebiet ist. Das darf ich nach den vielen Jahren in der Medienpolitik zurecht sagen.
Die SPÖ will diese Entsendung in den Stiftungsrat sogar anfechten.
Ich gehe davon aus, dass am kommenden Mittwoch im Ministerrat die offizielle Nominierung stattfindet. Alles andere wäre ein demokratiepolitischer Fauxpas. Das würde nämlich bedeuten, dass bei der nächsten Sitzung des Stiftungsrates am 7. März die Freiheitliche Partei trotz gesetzlicher Legitimation niemanden entsenden kann. Ich glaube nicht, dass sich die Regierung das antut. Und der Frau Muna Duzdar von der SPÖ empfehle ich, dass sie sich das Gesetz genau durchliest. Dann wird sie darauf kommen, dass alles in Ordnung ist.
Es wird allerdings immer eingeworfen, dass Sie als regelmäßiger Diskutant in Wolfgang Fellners Sender oe24.TV auftreten und dass das nicht vereinbar sei.
Das ist zwar recht einzigartig, das soll aber auch so bleiben und ist legitim. Wir könnten auf oe24.TV überhaupt ein neues Sendungsformat entwickeln. Ein „ORF aktuell“ wäre eine Möglichkeit. Wir leben in einem freien Land mit Gesetzen, an die man sich halten muss. Es gibt keine Unvereinbarkeit, weil es gibt kein Arbeitsverhältnis und keinen Dienstvertrag mit oe24.TV. Ich trete dort rein als Diskutant auf, das bin ich auch meinen Zusehern schuldig, weil unsere Mittwoch-Sendung ist das zuseherstärkste Format auf dem Sender.
Ein weiterer Punkt, der in dem Zusammenhang diskutiert wird: Die FPÖ sei gegen den ORF und Sie sitzen für die FPÖ im Stiftungsrat. Das sei auch nicht vereinbar. Sind Sie gegen den ORF?
Das wird so leicht dahin gesagt, dass die FPÖ gegen den ORF sei. Das ist nur nicht wahr. Die FPÖ vertritt seit Jahrzehnten – auch als ich noch politisch aktiv war – sehr konkrete Modelle, wie sie sich einen objektiven öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorstellt. Das ist legitim.
Wie stellt sie sich den ORF denn vor?
Es ist nicht das jetzige Modell, es ist ein anderes. Das jetzige Modell ist eines, das den Ruf des ORF ruiniert. Wirtschaftlich, weil der ORF gemeinsam mit der segensreichen Regierung eine Zwangssteuer einführt, die in Zeiten wie diesen, der Hochinflation, in denen die Leute kein Geld mehr haben, ein Unsinn ist.
Also Sie sind gegen die eingeführte ORF-Haushaltsabgabe, die Sie als Zwangssteuer bezeichnen?
Ich werde dagegen kämpfen und es wird mir gelingen, dass die in einem Jahr weg ist. Wenn es nicht mir gelingt, dann jedenfalls der nächsten Regierung mit Herbert Kickl. Ich darf daran erinnern, dass die Vorgängerregierung Türkis-Blau unter Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache das im Regierungsprogramm stehen gehabt hat: dass die damalige GIS-Gebühr fallen muss und der ORF aus dem Budget bezahlt werden muss. Wie auch alle anderen Medien, und ich bekenne mich zu einer öffentlichen Medienförderung.
Das war jetzt, warum der Ruf des ORF Ihrer Meinung nach wirtschaftlich ruiniert wird. Wo noch?
Bleiben wir noch kurz beim Wirtschaftlichen. Da kommt noch dazu, dass eine Zwangssteuer – es sind derzeit rund 700 Millionen Euro im Jahr – eingehoben und dann noch fürstliche Gehälter von bis zu 500.000 Euro im Jahr gezahlt werden. Das ist besonders schlimm. Es wird bald offiziell, weil in Kürze der ORF die hohen Gehälter offen legen muss. Solche Gehälter könnte der ORF nur dann auszahlen, wenn er ein Privatunternehmen wäre. Aber so lange er Gebühren dafür nimmt, ist das absurd. Das werden wir genau aufzeigen. Aber es gibt auch noch den politischen Teil, den wir uns ganz genau anschauen müssen.
Was verstehen Sie unter diesem politischen Teil?
Ich will, dass der ORF wieder den Ruf eines echten, objektiven Informationssenders bekommt. Und auch als Unterhaltungssender. Gute Unterhaltung mit Eigenproduktionen, die mir im Moment echt abgehen. Es gibt ja nichts mehr zum Lachen im ORF.
Aber was stört Sie konkret, wenn es um den politischen Teil im ORF geht?
Wir erleben es seit Jahren, aber jetzt besonders, weil wir auf Wahlen zusteuern, dass sich die Information des ORF irgendwie als Propagandamaschinerie versteht gegen eine einzige Partei – der FPÖ. Das kann es nicht sein. Die Zielsetzungen im Rundfunkgesetz und im Objektivitätsgebot normieren, dass der ORF Äquidistanz zu allen Parteien haben muss und nicht nur zur FPÖ. Da muss man jetzt darüber diskutieren. Da werden die Sitzungen im Stiftungsrat jetzt halt etwas länger dauern.
An welchen Beispielen machen Sie das fest?
Momentan ist es im ORF der Volkssport – konkret der Infoabteilung, speziell der ZiB 2 und der ZiB 3 – sogenannte Experten einzuladen. Wir haben eine lange Liste der Experten, die da zuletzt gesprochen haben. Es sind fast ausschließlich so genannte Rechtsextremismusexperten. Was das jetzt genau sein soll, weiß zwar niemand so genau, aber die treten dort unter dem Deckmantel der unabhängigen Wissenschaft auf. Was sie dort aber tun, ist nichts anderes, als die FPÖ ständig anzukübeln, zu diffamieren und ins rechte Eck zu stellen. Wenn man sich dann anschaut, wer das genau ist, dann kommt man schnell darauf, dass das Politagitatoren sind. Zum Glück gibt es heutzutage Google, da finden wir heraus, aus welcher Ecke die kommen, zuletzt eine als Expertin getarnte KPÖ- und Grün-Politikerin.
Sollen die nicht eingeladen werden?
Der ORF kann einladen, wen er will. Ich bin nicht für ein Auftrittsverbot, wir leben ja in einem freien Land. Aber es muss eine politische Klarnamenpflicht geben. Wenn also so jemanden Auftritt, muss nicht nur Rechtsextremismusexperte darunter stehen, sondern auch seine politische Funktion, sofern er eine hat. Dann kann sich auch niemand aufregen. So wie es jetzt praktiziert wird, ist es fiese Politagitation.
Wie sehen Sie eigentlich die Rolle von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann?
Dem muss man eine Chance geben, der ist ja noch nicht so lange. Jeder Generaldirektor hatte die Chance, etwas besser zu machen. Die einen haben es genutzt, die anderen nicht. Erfolgreich waren die Generaldirektoren, die auch geführt haben, weil das Unternehmen braucht Führung. Wenn sich ein Generaldirektor vor Redaktionen und Journalisten fürchtet und bei Fehlentwicklungen nicht eingreift, wird er nicht lange Generaldirektor sein, weil er ist der Chef des Unternehmens und somit für dessen Ruf verantwortlich. Es gibt gesetzliche Spielregeln.
Was meinen Sie damit?
Der ORF ist kein Privatsender, sondern ein öffentlich-rechtlicher Sender. Dafür gibt es ein Gesetz. Die Einhaltung dieser Spielregeln verlangt auch die FPÖ. Deswegen verstehe ich die ganze Aufregung nicht. Die FPÖ verlangt nichts anderes, als dass das ORF-Gesetz eingehalten und objektiv berichtet wird. Es muss doch möglich sein, ein öffentlich-rechtliches Unternehmen so zu gestalten, dass es zu allen Parteien Äquidistanz gibt, dass alle gleich behandelt werden.
Offen ist ja noch, dass aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs, der Stiftungsrat neu – nicht zu sehr von der Regierung dominiert – zusammengesetzt werden muss. Dazu muss es Änderungen im ORF-Gesetz geben. Was erwarten Sie da?
Wäre ich Regierung und die setzen mir den Westenthaler hinein, dann wäre das für mich ein Anlass, doch noch rasch das ORF-Gesetz neu zu machen. Weil dann ist der Stiftungsrat und damit auch der Peter Westenthaler passé. Dann gibt es diesen Stiftungsrat so nicht mehr, dann wird aber auch eine neue ORF-Führung gewählt. Spass beiseite: Warum setzen die also den Spruch des VfGH nicht um?
Vielleicht, weil sie es der kommenden Regierung überlassen wollen.
Das ist auch okay, dann macht es eben Herbert Kickl und schafft gleich die Zwangssteuer ab.
Überrascht hat, dass Sie von der FPÖ für den Stiftungsrat nominiert werden. Sie sind ja nicht mehr FPÖ-Mitglied und Sie wurden 2006 als BZÖ-Mann von Herbert Kickl sehr scharf kritisiert. Wie geht das?
Diese Kritik, die jetzt immer wieder zitiert wird, ist Schnee von gestern. Wir waren damals politische Konkurrenten. Ich war damals BZÖ-Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl in Konkurrenz zur FPÖ und Herbert Kickl waren deren Generalsekretär. Aber das ist in einem Wahlkampf völlig normal.
Aber wie hat man sich jetzt wieder gefunden?
Wir hatten uns nie verloren. Mit Herbert Kickl verbinden mich 30 Jahre, ich bin unter Jörg Haider mit ihm im selben Büro gesessen. Wir hatten immer die selben Ziele: Österreich politisch zu erneuern.
Ist das jetzt der Beginn für eine Rückkehr auf die politische Bühne?
Nein.
Aber falls die FPÖ nach der Wahl in die Regierung kommt, braucht sie Leute, die Erfahrung haben.
Natürlich, aber ich plane kein Comeback in der Politik. Man sieht aber an meiner Nominierung, dass die FPÖ überlegt hat, sich Expertise zu holen. So muss man das sehen. Ich habe nicht vor, jetzt auch auf anderen politischen Feldern tätig zu werden. Wenn man so will, ist jetzt der ORF mein Schrebergarten, den ich zu beackern habe, Pflänzlein zu setzen und den Wildwuchs zu roden. Dann schauen wir, dass wir aus dem ORF einen schönen Garten machen, der einen guten Ruf genießt.