ORF-Gehälter: Geringster KV-Abschluss statt "Kündigungsmaßnahmen"

INTERVIEW: ORF-GENERALDIREKTOR ROLAND WEISSMANN
Unter Österreich-Durchschnitt liegende Erhöhungen seien "dauerhaft nicht hinnehmbar", sagt der Betriebsrat. Alt-Verträge treiben Durchschnittseinkommen in die Höhe.

Während in der Öffentlichkeit die Top-Gehälter im ORF diskutiert werden, zeichnet der neue Gehaltsabschluss für große Teile der Belegschaft am Küniglberg ein ganz anderes Bild. Kurz vor Weihnachten haben sich ORF-Führung und Betriebsrat auf die Valorisierung der Gehälter und Honorare für 2024 um 4,6 Prozent verständigt. Das ist wie im Vorjahr die bislang geringste Abschluss im Land. Damals waren es gar nur 2,1 Prozent gewesen.

Die Basis für die Anpassung 2024 wird als Nachzieh-Effekt für 2023 um 2,4 Prozent angehoben und um eine "Teuerungsprämie" ergänzt. Trotzdem bleibt der ORF-Abschluss erneut hinter allen bisherigen in Österreich. 

Der Betriebsrat schreibt in einer Mitteilung an die Mitarbeiter von einem "schmerzlichen, gerade noch vertretbaren Kompromiss", den man "schweren Herzens" zugestimmt habe. Die Mindesterwartungen seien nach dem Vorjahr weiter höher angesetzt gewesen und bis zuletzt nicht aufgegeben worden. Zur Finanzierung dessen habe das Management dann aber "sehr konkret" in Aussicht gestellt, dass es zu "Kündigungsmaßnahmen" kommt mit Folgewirkungen auch für Nicht-Gekündigte. Dies hätte wohl, so lauten Spekulationen, Bereiche in Journalismus und Organisation betroffen, die nicht zu günstigeren Konditionen ausgelagert werden könnten.

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Mehrfache Populismus-Falle

Um diese Anpassung im ORF, der ab Jänner durch den ORF-Beitrag finanziert wird, überhaupt umsetzen zu können, müssen zudem automatische Gehaltsvorrückungen um weitere eineinhalb Jahre verschoben und Pensionsbeiträge gekürzt werden. 

"Dauerhaft sind derartig unter dem Österreich-Durchschnitt liegende Inflationsanpassungen sicher nicht hinnehmbar", betont der Zentralbetriebsrat. Dem aber auch bewusst ist, dass der ORF in einer mehrfachen Populismus-Falle steckt, die bis ins neue ORF-Gesetz hinreicht. Es verlangt als Voraussetzung für die neue ORF-Finanzierung "Maßnahmen, Indikatoren und Zielwerte zur nachhaltigen Reduktion der operativen Personalkosten“ und „die Beibehaltung der bisher erreichten Kapazitätseinsparungen sowie die Umsetzung von entsprechenden Gehaltsabschlüssen." Dazu zählt auch der verlangte Wegfall von Zulagen, die gerade in älteren ORF-Kollektivvertragssystemen für kleinere Einkommen ein wesentlicher Bestandteil sind.

Alte, teure Verträge

Das konterkariert einigermaßen das Bild vom "Gagen-Paradies" am Küniglberg: Einen Jahres-Durchschnittverdienst im ORF von 91.000 Euro wies jüngst der Rechnungshof für 2022 aus. Und das bei knapp 3.000 Angestellten. "Dazu ist relativierend festzuhalten, dass hier alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingerechnet sind, also auch Direktoren und Landesdirektoren und auch die alten, teureren Vertragssysteme aus dem vergangenen Jahrhundert durchschlagen; im seit ca. zehn Jahren gültigen KV 2014 liegt das Durchschnittseinkommen 30 Prozent darunter", heißt es nun auf KURIER-Anfrage im ORF. Letzteres verzerrt wohl der mutmaßliche Bestverdiener im ORF, der für die Großbaustelle und drei Hauptabteilungen Verantwortliche Pius Strobl, der auch im KV 2014 angestellt ist. 

Gegen Eingriffe in Alt-Verträge im ORF, wie von der Medienpolitik ersonnen, werden im übrigen rechtliche Schritte erwartet, wie auch gegen die Namensnennung bei hohen Einkommen, was in Österreich sonst nirgends vorgegeben ist.

Das sich daraus im KV 2014 ergebende Jahresdurchschnittsgehalt von etwa 63.000 Euro argumentiert man so, "dass die ORF-Belegschaft aufgrund der Tätigkeitsprofile einen deutlich überdurchschnittlichen Anteil an tertiären Bildungsabschlüssen hat (43 Prozent sind Uni-/FH-AbsolventInnen) und daher auch beim Durchschnittseinkommen – wie wohl auch z. B. der KURIER – nicht mit Unternehmen in anderen Branchen wie etwa der Industrie, Gastronomie, Handel etc. vergleichbar ist", erläutert das ORF-Schreiben. Für den Öffentlich-Rechtlichen stellt sich indes bereits eine andere Frage: Wie bekommt er noch fähige (junge) Mitarbeiter von IT bis Journalismus, wenn die Privatwirtschaft besser zahlt.

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Laufende Einsparungen bis hinauf zum Chef

Am Küniglberg verweist man darauf, dass man "seit Jahrzehnten Maßnahmen setzt, um die Personalkosten und Pro-Kopf-Kosten zu reduzieren." So wurden 2003 und 2014 für den ORF neue (= schlechtere) Kollektivverträge abgeschlossen und diverse Tochterunternehmen samt Mitarbeiter in deutliche günstigere Branchen-KVs ausgegliedert. Zudem wurden die Betriebspensionen weitestgehend in eine Pensionskasse ausgelagert. Seit 2010 wurde der Personalstand um 1.000 Vollzeit-Äquivalente (VZÄ) reduziert (auf nun unter 3000) - allein seit 2018 waren es laut ORF-Angaben 600 VZÄ. Gleichzeitig gebe es ein "deutlich ausgeweitetes Leistungsangebot", dessen nächster Schritt der Start der Streaming-Plattform ORF On samt Kinderkanal darstellt.

Selbst bei den Direktoren-Gehälter (und bei sich selbst) hat der neue ORF-Generaldirektor Roland Weißmann, der seinen Gehaltsstrip schon hingelegt hat, von Anfang gekürzt. Rechnungshof-Daten eingerechnet ist man da bei minus 15 Prozent gegenüber der Vorgänger-Geschäftsführung gestartet. Und jedes Jahr wird dieses Minus der Chefs mehr – denn dem Vernehmen nach beinhalten die Direktoren-Verträge keine Valorisierungen.

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