Kritik von 30 ORF-Stiftungsräten: Westenthaler sieht "Partei-Apostel"

Peter Westenthaler vor dem ORF-Logo
Nach einem Brief, der ihn an die Regeln für Aufsichtsräte erinnert, macht sich der Ex-FPÖ/BZÖ-Politiker lustig. Ein Uni-Professor ortet hingegen "schwerwiegende Vorwürfe"

Peter Westenthaler macht beim Austeilen keine Pause. Dass ihm 30 Stiftungsräte (von 35) in einem gemeinsamen Brief Pflichtverletzungen als ORF-Aufsichtsrat vorwerfen, hat ihn „amüsiert“, gebremst hat es ihn offensichtlich nicht. Viele im Gremium wären „Partei-Aposteln“, die sich in Sitzungen nie zu Wort melden, dort nur schlafen oder essen, erklärte der frühere FPÖ/BZÖ-Politiker in oe24. 

Nicht witzig

Worüber sich Westenthaler lustig macht, ist möglicherweise gar nicht so witzig. Georg Schima, Honorarprofessor für Unternehmens- und Arbeitsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, ortet bei einigen Äußerungen Westenthalers tatsächlich Pflichtverletzungen als Stiftungsrat. „Ungeachtet des Rechts auf freie Meinungsäußerung und natürlich des Rechts allfällige Missstände zu diskutieren, darf ein Organ das Unternehmen nicht nach außen in Misskredit bringen.“ 

Als „wirklich gravierend“ wertet Schima einen Vorwurf an die Geschäftsführung.  Die Aussage, es gäbe angeblich deutlich überhöhte Konsulenten-Vereinbarungen, denen angeblich keine Leistung gegenübersteht, stelle in Wahrheit der Vorwurf der Untreue im strafrechtlichen Sinn dar. Womit Westenthaler möglicherweise den Tatbestand der Verleumdung erfülle. Schima: „Das ist juristisch besehen keine Harmlosigkeit, zumal eine Verleumdung in diesem Fall den Charakter eines Verbrechens hat.“ Beim Vorwurf, die Leute im ORF bekämen wahnsinnig viel Geld, würden aber dafür nichts tun, „ist es ähnlich, wenn auch nicht so griffig“, so der Uni-Professor.

Dass die ORF-Führung gegen einen Stiftungsrat vorgeht, wie etwa vom Wiener Stiftungsrat Norbert Kettner vorgeschlagen wurde, sei möglich, etwa zivilrechtlich wegen Kreditschädigung. „Ein Mitglied abberufen, kann nur der Stiftungsrat durch Beschluss“. Das ORF-Gesetz sei diesbezüglich etwas lückenhaft, weil es keine grobe Pflichtverletzung anführt. Hier greife jedoch der Rechtsgrundsatz der vorzeitigen Auflösbarkeit von Dauerschuld-Verhältnissen bei Unzumutbarkeit der Fortführung.

Kritik am Brief

Kritik an der „PR-Aktion“ übt SPÖ-Freundeskreisleiter Heinz Lederer, der den Brief an Westenthaler nicht unterschrieben hat.: „Der gesamte Medienstandort blutet wegen Google und Co aus und wir beschäftigen uns mit dem Briefeschreiben.“ Die von ihm vorgeschlagene Sondersitzung des Finanzausschusses wäre der bessere Platz gewesen, „um Kritik am Unternehmen und am multimedialen Newsroom, wie sie auch, aber nicht nur von Westenthaler kommt, zu diskutieren.“ Er setze weiterhin auf Dialog zum Wohl des Unternehmens statt auf versteckte Klagsdrohungen unter Mitgliedern des Stiftungsrates. „Im Übrigen meine ich, dass sowohl der ORF-Geschäftsführer wie auch der Stiftungsratsvorsitzende in den vergangenen Wochen offensiver gewissen Fehleinschätzungen und Fehldarstellungen Westenthalers hätte entgegentreten müssen. Ich habe dies mehrfach getan.“ Unter anderem in einem KURIER-Interview.

Unmut

Völlig anders sieht Lederers Pendant bei der ÖVP, Thomas Zach: „Wenn wir wollen, dass sich die ORF-Mitarbeiter an Regeln halten wie etwa den neuen Ethikkodex, dann müssen sich auch Stiftungsräte an Regeln halten.“  Die sehe vor, dass man das Unternehmen mit Äußerungen nach außen nicht schädigt, das gelte insbesondere für solche, die nicht den Tatsachen entsprechen. 

Ein zweiter Punkt für ihn: „Es geht um Respekt gegenüber den Mitarbeitern in diesem Unternehmen. Wiederholte Äußerungen, die Mitarbeiter herabwürdigen, egal ob in der Öffentlichkeit oder auch in Sitzungen, sind schlicht inaktzeptabel“, sagt Zach. Die Häufung an Pflichtverletzungen habe letztlich dazu geführt, „dass sich eine sehr große Zahl von Stiftungsräten zusammengerauft hat, ein klares Signal an Westenthaler zu senden.“

Hätte man Westenthaler das nicht in der Sitzung sagen können, die in vier Wochen stattfindet?  Bei der Frequenz seiner Äußerungen wäre ein weiteres Zuwarten unangebracht, meint Zach. „Es ist schlicht zu akzeptieren: Der Stiftungsrat ist ein Kontroll- und Aufsichtsorgan und keine Wahlkampfplattform.“

Für den Vorsitzenden des obersten ORF-Aufsichtsgremiums Lothar Lockl geht es „um das Wohl des Unternehmens“, für das man als Stiftungsrat mitverantwortlich sei. Das schließe Kritik nicht aus. „Gesetz und Geschäftsordnung legen aber besondere Verhaltenspflichten fest, die einzuhalten sind. Es gibt über das Vorgehen und die Äußerungen von Peter Westenthaler im Gremium breiten Unmut und zwar weit über Freundeskreise hinaus. Das dokumentiert dieser Brief“, erklärt Lockl.