ORF-Sommergespräche: "Es wird keine Fragen übers Mittagessen geben"
Auf der Dachterrasse des Mediencampus im ORF-Zentrum finden ab Montag wieder die „Sommergespräche“ statt. Erstmals führen ein TV-Journalist und eine Radio-Journalistin durch das Format: „ZIB“-Anchor Tobias Pötzelsberger, der bereits 2019 die „Sommergespräche“ moderierte, und Ö1-Innenpolitik-Redakteurin Julia Schmuck. Gemeinsam bitten sie die Parteichefinnen und Parteichefs zum Interview, den Anfang (21.05 Uhr, ORF2) macht Beate Meinl-Reisinger (Neos).
KURIER: Wir sind seit zweieinhalb Jahren im Dauer-Breaking-News-Modus: Pandemie, Lockdown, Krieg, Energiekrise, Teuerung, politische Rücktritte, Klimakatastrophe ... Glauben Sie, dass die Leute sich da noch für ein Sommerinterview interessieren?
Tobias Pötzelsberger: Das ist genauso ambivalent, wie die Welt gerade ist. Die „Sommergespräche“ haben den Vorteil, dass sie ein bisschen anders sind als diese ganzen tagesaktuellen Interviews, wo es oft um Politik-Politik geht und um die Kleinkriege und so. Du hast in der jetzigen Nachrichtenlage natürlich ganz viele Themen auf dem Tisch, die halt tagesaktuell sind: Gas, Krieg und Inflation. Aber der Kunstgriff wäre, das vielleicht manchmal auf die Metaebene zu heben und einen anderen Blickwinkel zu bekommen. Aber da spielt halt auch das Gegenüber eine Rolle.
Wie erreicht man diese Meta-Ebene?
Julia Schmuck: Man muss die Relevanz der Themen so herunterbrechen, dass man sieht, was uns alle in diesem Land und auf der Welt bewegt. Und das haben die Themen ja an sich, etwa bei der Teuerung. Wenn man das so herunterbricht auf dieses Relevante, auf dieses Alltägliche, dann wird uns das hoffentlich gelingen.
Muss ein Politiker oder eine Politikerin wissen, was ein Packerl Milch kostet?
Pötzelsberger: Na sicher.
Also: Was kostet ein Packerl Milch?
Schmuck: Es kommt darauf an, ob es Bio ist oder nicht.
Pötzelsberger: ... Das stimmt. Ich habe kürzlich gestaunt: Das gab es Super-Bio in der Glasflasche, da haben sie 2,60 € verlangt. Aber in aller Regel bewegt sich der Preis irgendwo zwischen einem und zwei Euro. Es ist natürlich eine Fangfrage. Ich glaube aber auch, dass die allermeisten Politiker selber einkaufen gehen und schon wissen, was die Dinge kosten.
Wie privat müssen Politikerinnen und Politiker sich bei einem Interview wie Ihrem zeigen?
Pötzelsberger: Es gibt einen Unterschied zwischen privat und persönlich. Persönliche Sichtweisen interessieren mich sehr. Vielleicht bieten die „Sommergespräche“ Platz, um über Weltanschauungen zu sprechen. Privates ist privat, also wird es keine Fragen geben, wie es denn den Kindern geht und was man zum Mittagessen hat.
Schmuck: Es geht ja letzten Endes um die Person in der Funktion oder in dem Amt.
Die Themenlage an internationalen Entwicklungen ist hoch komplex – kann man von nationalen Politikern eigentlich wirklich eine Lösung erwarten? Weder Teuerung, Pandemie noch Krieg werden von Österreich bestimmt.
Pötzelsberger: Ich glaube nicht, dass österreichische Politiker und Politikerinnen in der Lage sind, die Inflation zu lösen. Das ist ein europäisches Problem. Aber Österreich hat eine Stimme in Europa. Und ich würde mir als Staatsbürger schon profunde Erklärungen und eine Vision erwarten. Ich bin mir nicht sicher, ob es reicht, wenn man immer sagt: „Das müssen wir uns anschauen.“
Schmuck: Erklärungen und Transparenz sind auf jeden Fall wichtige Aspekte. Auch, wenn man logischerweise nicht alles in der Hand hat. Man muss Entscheidungen nachvollziehbar machen und sagen, wo man hinwill.
Journalistinnen und Journalisten konsumieren Nachrichten als Erste und schalten berufsbedingt selten ab. Das schlägt vielen auf die Seele. Wie bleiben Sie in der Balance?
Schmuck: Natürlich bin ich dauernd auf Twitter und schaue, was es Neues gibt. Man braucht aber auch die Pausen, um irgendwie dann auch wieder den größeren Rahmen zu sehen und noch mal nachdenken zu können.
Pötzelsberger: Es sind schon ein bisschen deprimierende Zeiten. Ich bemühe mich, optimistisch zu sein, aber manchmal verlässt mich schon der Mut. Also wenn ich mir den kommenden Winter als eine Kombination aus Corona und Gas-Knappheit vorstelle, dann beutelt es mich jetzt schon.
Man hat die Verantwortung, den Leuten zu sagen was ist. Gleichzeitig muss man danach trachten, keine unnötige Panik zu schüren. Wie navigieren Sie das?
Pötzelsberger: Ich glaube, dass die journalistische Verantwortung in den letzten Jahren noch einmal gestiegen ist – im Abwägen zwischen Angst auf der einen Seite und nicht Verharmlosen auf der anderen Seite. Einfach weil die Themen so groß sind.
Schmuck: ... und sie den persönlichen Bereich wirklich von allen betreffen. So wie die Pandemie: Wenn alle zu Hause bleiben müssen, dann ist es ja schon ein großer Einschnitt. Viele Fragen sind auch einfach nicht mehr so klar, wie sie vielleicht vor 20, 30 Jahren waren.
Geht man in das „Sommergespräch“ mit dem Anspruch, eine Schlagzeile für den nächsten Tag zu definieren?
Schmuck: Natürlich ist es schön, wenn alle drüber reden. Den Anspruch, dass wir Themen setzen und vielleicht etwas Überraschendes rauskitzeln, hat man natürlich bei jedem Interview.
Pötzelsberger: Klar, das „Sommergespräch“ soll Wirkung haben, es wäre schlecht, wenn niemand drüber redet.
Schmuck: Aber bitte über die Inhalte (lacht).
Pötzelsberger: Es wird auch wieder irgendwo eine Biene oder eine Gelse herumfliegen oder ein Elefant tröten. Ich stelle mich auf alles ein.
Die Termine
Zum Auftakt der „Sommergespräche“ (morgen, 21.05) ist Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger zu Gast. Weiters: Werner Kogler (Grüne, 15. 8.), Herbert Kickl (FPÖ, 22. 8.), Pamela Rendi-Wagner (SPÖ, 29. 8.), Karl Nehammer (ÖVP, 5. 9.)
Die Analyse
Peter Filzmaier analysiert im Anschluss wie gewohnt mit einer Printjournalistin bzw. einem Printjournalisten in der „ZIB2“. In ORFIII bittet Lou Lorenz-Dittlbacher zu den „Sommer(nach)- gesprächen“ (22.30)
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