ORF-Programmdirektorin: "Müssen uns weiterentwickeln, um relevant zu bleiben"

ORF-Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz 29.07.2025
Stefanie Groiss-Horowitz will ORF On mit jungem Programm und Budget stärken. Und: Was sie über den ORF-Sport denkt und für den Song Contest plant.

Die Politik hat dem ORF massive Einsparungen verordnet. 2026 hat der aber Song Contest und Fußball-WM zu meistern. Gleichzeitig wenden sich junge Zielgruppen vom traditionellen linearen Fernsehen ab. 

Wie der ORF mit diesen Herausforderungen umgeht, erklärt Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz in einem ausführlichen Gespräch mit dem KURIER. Eine Rolle spielen dabei u. a. Sport-Dokus, True Stories und eine "Daily Soap".

Wie lautet Ihre Bilanz über die abgelaufene Fernsehsaison?

Absolut positiv. Die linearen Kanäle performen stabil auf hohem Niveau. Wir haben das beste erste Halbjahr seit vielen Jahren. Das liegt an der hohen Qualität des Programms. Inhaltlich waren die Highlights zunächst sicher im Sport die unglaublich erfolgreiche Vierschanzentournee und eine tolle Heim-Ski-WM in Saalbach. Politisch gab es einen aufregenden Start ins Jahr mit der Regierungsbildung. Die Qualität des ORF, schnell und umfangreich zu informieren und Hintergründe zu liefern, wurde auch bei Papstbegräbnis und Papstwahl ausgespielt. Song Contest und Dancings Stars waren große Publikumserfolge. Der Premierenmontag mit eigen- bzw. co-produzierten Serien und Filmen wird sehr gut angenommen. Das ist einfach eine schöne Bestätigung, dass unser Motto "ORF für alle“ auch stimmt.

Da oder dort kann man aber Schwachstellen ausmachen. Ich denke an den ORF1-Vorabend und die jungen Dokus am Mittwoch oder auch am Freitag im 2. Hauptabend, wo das Korrespondenten-Magazin gesendet wird.

Das lineare Programm hat im Grunde keine Baustellen, unsere Herausforderungen liegen woanders. Wir müssen uns hier auch von der eindimensionalen linearen Betrachtungsweise der vergangenen 25 Jahre verabschieden. Es geht um eine ganzheitliche Erfolgsbetrachtung, die alle Ausspielwege berücksichtigt. Die Dokumentationen für das jüngere Publikum am Mittwoch zum Beispiel gehören zu den erfolgreichsten Produktionen auf ORF ON – also kein Problemfall. Der Vorabend in ORF1 ist stabil über nun schon viele Jahre. Der Kosten-/Nutzenwert ist sehr hoch - wir setzen diese Eigenproduktionen auf unterschiedlichen Sendeplätzen ja mehrfach ein. Und mit "Weltweit“ am Freitag, das häufig gegen ein auch beim älteren Publikum starkes Kontrastprogramm wie "Dancing Stars“ läuft, liefert ORF2 einen zutiefst öffentlich-rechtlichen Kerninhalt zu einer sehr prominenten Zeit. 

Der ORF hat von der Politik ein heftiges Sparpaket verpasst bekommen und es könnte noch mehr werden. Geht im Herbst dann ein Sparprogramm auf Sendung?

Keine Sorge. Ja, wir haben einen Spardruck und Vorgaben, die wir zu erreichen haben. Aber wir versuchen das nicht über das Programm zu lösen, sondern über andere Maßnahmen. Dazu zählen etwa die immer wieder genannten Strukturmaßnahmen. In der Geschäftsführung sind wir der festen Überzeugung, dass wir durch stringenteres Management in den Abläufen, durch neue programmliche Verwertungsketten und die weitere Vertiefung der multimedialen Zusammenarbeit auch abseits der Kernaufgaben nachhaltig Ressourcen frei machen können. Wie der Generaldirektor (Roland Weißmann, Anm.) sagt: Die Allianz mit dem Publikum muss auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bestehen bleiben.

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Die Marktanteile des ORF im 1. Halbjahr im Vergleich der Jahre 2020 bis 2025 in der Zielgruppe ab 12 Jahren

Muss man beim Programm Einschnitte machen?

Für unseren öffentlich-rechtlichen Kernauftrag kann ich Entwarnung geben. Die Flaggschiffprodukte des ORF in den Bereichen Information, Sport, Unterhaltung, Kultur und Fiktion sind unsere Säulen. Auf diese Kronjuwelen passen wir sehr gut auf. Unser Blick geht in die Randzonen. 

Geld aus zeitlichen Randzonen anders einsetzen 

Gibt es da ein Beispiel? 

Man kann zum Beispiel hinterfragen, ob man über Themen, die bereits gut besprochen und in einer schon vorhandenen Form repertoirefähig sind, immer wieder neue Dokumentationen produzieren muss. Es geht hier gar nicht ums Sparen, sondern einfach darum, dass wir Ressourcen freimachen müssen, um Neues anzugehen. Das bedeutet aber auch, dass man in Zeiten knapper Budgets auch auf Liebgewonnenes genau hinschaut.

Das heißt, es müssen Budgetumschichtungen vorgenommen werden.

Genau. Mir ist völlig klar, dass man damit keinen Beliebtheitswettbewerb gewinnt. Aber es sind einfach Maßnahmen zu setzen, damit wir uns weiterentwickeln können. 

Ein Punkt ist da auch die klare Positionierung der Sender. Die vermissen manche und meinen, ohne Sport wäre ORF1 auch nicht jünger positioniert als ORF2. Und bei mancher Serie oder Serienwiederholung, etwa „SOKOs“, ist das auch so. 

Das stimmt so aber nicht und ignoriert die Entwicklung im Fernsehgeschäft. Die ORF-Flotte besteht nicht mehr nur aus linearen Fernsehkanälen, sondern umfasst auch non-linearen Ausspielwege. Dass ein jüngeres Publikum heute verstärkt non-linear schaut, das ist ja kein Geheimnis. Deswegen ist es uns so wichtig gewesen, dass wir unsere Streamingplattform ORF On gesetzlich so betreiben dürfen, wie wir es nun tun. Das lineare TV wird tendenziell älter. Und genauso wie sich das Nutzungsverhalten unseres Publikums ändert, ändert sich natürlich auch die Programmierung dort. Man muss sich verabschieden von dem Gedanken, dass es eine glasklare lineare Senderaufstellung geben könnte. Das würde bedeuten, dass man um einen Hauptsender Special-Interest-Kanäle baut - das ist weder unser Auftrag noch unser Ziel. Es wäre auch wirtschaftlich überhaupt nicht sinnvoll.   

Das ist der Anspruch, aber wie ist die Realität insbesondere beim jungen Publikum?

Wenn man sich anschaut, wie stark ORF On wächst und wie wir mit unseren Angeboten auf Social Media wachsen, dann habe ich keine Sorge, dass das gelingt. Dafür ist es aber notwendig, dass wir unsere finanziellen Mittel anders einsetzen als bisher. Dieser Aspekt beschäftigt uns viel mehr als die Frage, wo man junges Publikum erreichen könnte. Denn das wissen wir sehr genau. Und weil so etwas wie "Soko Kitzbühel“ angesprochen wurde: Wenn man sich die Zahlen im Detail anschaut, dann gibt es ein Revival bei den Unter-50-Jährigen. Hier findet eine neue Generation dieses ORF-Produkt und hat Freude daran. Der "Bergdoktor“, "Himmel, Herrgott, Sakrament“, alles eskapistischen ORF2-Inhalte, die in großer Zahl junge Seher anziehen.

ORF On wird immer wichtiger. Welche Schritte müssen gesetzt werden? 

Auf ORF On funktionieren Fiktion, Comedy aber auch Information hervorragend. Das liegt auch daran, dass wir in diesen Genres so große Volumina bereitstellen können. Also Themenwelten aufbauen können. Im nächsten Schritt wollen wir streamingfähige Dokumentationen und Factuals (z. B. Doku-Dramen, Anm.) massiv ausbauen. 

ORF ON vom linearen Programm emanzipieren

Was ist hier das Ziel?

Das Ziel ist es, die Programmierung von ORF ON ein stückweit von der linearen Programmierung zu emanzipieren. Ich denke da an Kurzreihen, etwa Sportdokumentationen, die zum Beispiel in mehreren Folgen erzählt werden. Das passt in die lineare Programmierung gar nicht gut hinein. Fürs Streaming ist es aber das, was angesagt ist und am besten funktioniert. Dieses Austarieren zwischen der Stabilität, die beim linearen Fernsehen gefordert ist und dem Überraschungsmoment beim Streaming, dass nicht immer alles gleich konfektioniert daherkommt, das wird eine Herausforderung.

Da gibt es die ungewöhnlichsten Ideen. Netflix startet jetzt wieder mit der Produktion von 1-Minuten-Schnipsel. 

Man muss sich gut überlegen, für welches Gerät und welche User man in der digitalen Welt produziert. Die Reel-Mentalität ist auf allen Verticals, den Handys und iPads, in der Straßenbahn oder im Zug gefragt. Am großen Screen, der immer noch wichtig ist – nicht umsonst werden die Fernseher immer größer - ist das anders. Da geht es um längere Formate und fiktionale Geschichten, Sportevents usw. 

Was sind die Überlegungen bei den Sportdokus?

Wenn wir das Versprechen abgeben, dass es bei ORF On gute Sportdokumentationen gibt, dann dürfen wir nicht mit zwei Sportdokumentationen um die Ecke biegen und das war es dann. Das heißt, es braucht ein Volumen und das bereiten wir für ORF On gerade vor. Wir bauen das auch in anderen Genres auf – parallel werden wir das übers Jahr linear auch spielen. Aus meiner Sicht sind insbesondere junge Dokumentationen noch ein großes Wachstumsfeld. 

Blick auf deutschsprachigen Podcast-Markt  

Was als Podcast boomt, ist True Crime. Gibt es auch in diese Richtung Überlegungen.

Ja, wir arbeiten an einem Feld, das wir True Stories nennen, weil es nicht immer nur um Crime geht. Es handelt von echten, wahren Geschichten, die aber vom Storytelling sehr fiktional erzählt werden. So wie man es kennt von den heutigen Streaminggeschichten und auch von Podcasts. Da schließt sich der Kreis zum Gedanken der Multi-Use-Produktionen: Wir versuchen, solche Produktionen nicht monomedial zu konzipieren. Und wenn Podcasts also zu Dokumentationen werden können, dann folgen daraus auch neue Formen der Kooperation. Wir scouten gerade den deutschsprachigen Podcast-Markt nach spannenden Geschichten und Protagonisten. Da läuft im Hintergrund gerade extrem viel an Entwicklungsarbeit für neues Programm. 

Wer sich sehr aktiv und wirtschaftlich besser ausgestattet um junge Menschen bemüht, sind die deutschen Öffentlich-Rechtlichen. Der ORF ist ja in einem intensiven Austausch mit Funk, dem jungen Online-Content-Netzwerk der ARD und des ZDF. Auch mit dem BR gibt es Austausch. Was läuft da?

ARD und ZDF haben in den vergangenen Jahren begonnen, die Lücke beim jüngeren Publikum in Deutschland zu schließen und das verbunden mit großen Budgetshifts, mit vielen Initiativen, was neue Serien und Reihen betrifft. Dadurch haben wir die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland als Partner auch für junge ORF1-Koproduktionen gefunden. Denn uns unterscheidet ja eins massiv von den deutschen Öffentlich-Rechtlichen: Der ORF hatte immer Angebote für junge Seher und Hörer mit ORF1, Ö3 und FM4. Wir reden inzwischen viel miteinander und machen auch viele Projekte. Koproduktionen wie „School of Champions“ zum Beispiel mit dem Bayerischen Rundfunk hätt's vor ein paar Jahren nicht gegeben. 

Kommt da noch etwas nach?

Ja. Wir arbeiten extrem eng zusammen in der Entwicklung, was Serien betrifft. Wir ventilieren gemeinsam auch immer wieder Ideen für eine hochfrequente Serie

Eine Daily Soap …?

… die ich niemals als lineare Daily Soap sehen würde, sondern als etwas, was regelmäßig Publikum auf die Streamingplattform holt. Das hat also einen ganz anderen Fokus.

ORF-Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz 29.07.2025

ORF-Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz will mit Einsparungen in den Randzonen des tradtionellen linearen Programms eine digitale Offensive fürs junge Publikum finanzieren.

Ist das schon weiter als eine bloße Idee?

Ja. Ich würde sagen, es gibt vier Projekte für hochfrequente Serien, die schon weiter sind. Das geht schon Richtung Abtestung, was am besten zu uns passt und umsetzbar wäre. Wir sind da natürlich die Junior-Partner. Getrieben werden diese Projekte von den deutschen Sendern, sowohl von den öffentlich rechtlichen als auch den Privaten.

"Soap" muss österreichische Lebenswelten treffen

Geht die Beteiligung des ORF am "Soap-Projekt“ über das hinaus, dass man ein oder zwei Schauspieler platziert?

Das ist je nach Projekt unterschiedlich. Und ehrlicherweise sehen die jüngeren Zielgruppen Besetzungen nicht so protektionistisch wie vielleicht ältere. Uns als ORF geht es hier vor allem darum, ob Lebenswelten, die erzählt werden, Relevanz für eine österreichische Zielgruppe haben. 

Der Fokus aufs Digitale ist das eine. Das große Werbegeld wird immer noch mit den linearen Sendern verdient und Reichweite, die hier schwindet, kostet bares Geld? 

Das ist ein wichtiges Thema. Entsprechend müssen wir diese Einnahmen mit unseren öffentlich-rechtlichen Inhalten absichern. Wir brauchen also weiterhin Reichweite und eine Breite in den werberelevanten Zeitzonen im Linearen. Ich bemühe mich um einen Blick aufs Wesentliche. 

Faktum ist: Es gibt kein zusätzliches Geld, der ORF-Beitrag ist bis 2029 eingefroren. Auch, was von den Einnahmen (nur) für Öffentlich-Rechtliches ausgegeben werden darf, ist gesetzlich limitiert. 

Faktum ist, dass unser Programm linear hervorragend funktioniert. Und trotzdem werden wir Veränderungen vornehmen müssen, um die Kernzonen abzusichern und Mittel für neue Weiterentwicklung frei zu machen. Rational ist das auch allen klar. Emotional vielleicht noch nicht ganz so.  Deswegen erleben wir auch einen gewissen Verteidigungsmodus und ich verstehe den auch. Die Kunst wird sein, diese Notwendigkeiten und neuen Möglichkeiten nach innen entsprechend zu managen und auch nach außen der Öffentlichkeit so verständlich zu machen, dass die Freude aufs Neue die Verlustängste übertrifft.

Grob gesprochen, geht es nun auch beim ORF darum, sich selbst zu kannibalisieren, bevor es andere tun. 

Wir müssen uns weiterentwickeln, damit wir das bleiben können, was wir sind, nämlich relevant. Denn was man nicht vergessen darf in den Diskussionen: Unser Auftrag als öffentlich-rechtlicher Rundfunk endet ja nicht bei der Zielgruppe 50+. Es ist unser Auftrag, einen unabhängigen und relevanten ORF auch für die nächsten Generationen abzusichern. Dafür müssen wir neue, nichtlineare Wege gehen. 

Welche Rolle spielt da Social Media? Ist es für Sie eher Marketingtool oder ist es ein Ausspielweg? 

Es ist beides und das muss man auch sehr klar trennen. Für Social Media als Marketingtool gibt es ein großes Verständnis. Eine größere Diskussion haben wir, wenn es um die Frage ORF-Inhalte auf Drittplattformen geht. Hier kommen wir an der Nutzung diese Kanäle nicht vorbei, auch wenn uns eine Plattformsouveränität lieber wäre. Wenn wir uns klarmachen, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag auch im Digitalen gilt und gelten muss, dann heißt das natürlich, dass der ORF als Marke mit seinen Inhalten auch in der digitalen Welt präsent zu sein hat. 

Ausblick aufs Programm 

Zurück in die gute alte Welt des Fernsehens und die nächste TV-Saison: Geht sich für den ORF die Ausstrahlung der neuen "Kommissar Rex“-Serie im Frühjahr und parallel zu Sat.1 wirtschaftlich aus?

Ja, ich freue mich sehr darauf. Ich kenne die Bücher, die Darsteller, wir erwarten die Ausstrahlung mit großer Vorfreude. Die Dreharbeiten laufen bestens, die Drehmuster überzeugen. Das wird wieder ein großer Publikumserfolg.

Beim "Tatort“ soll die Entscheidung bereits gefällt worden sein, es soll wieder ein Duo geben, also es deutet nichts auf Experimente hin?

Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Da muss man sich überraschen lassen. Jetzt haben wir ja noch eineinhalb Jahre mit unserem aktuellen und überaus beliebten Duo Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser vor uns. 

Apropos Serien: In der österreichischen Produktionslandschaft herrscht Verunsicherung, weil das Fördermodell nach nur zwei Jahren und trotz großen Erfolgs offenkundig implodiert ist. Eine angedachte Streaming-Abgabe ist wohl europarechtlich nicht einfach umsetzbar. Und nun schwimmt der ORF auch nicht im Geld. Also wohin geht hier die Reise aus ihrer Sicht?

Die österreichische Film- und Serienproduktion, aber auch die der Dokus sind eine Säule des ORF. Aber das weiß man ohnehin. Wir sind verlässliche Partner der heimischen Produzentenlandschaft und werden das ungeachtet des Fördersystems auch weiter bleiben. Aber natürlich bringt eine ambitionierte Förderung neue Impulse und ich freue mich, wenn es hier gut weitergeht. Am Ende bedeutet es ein Mehr an österreichischen Produktionen für das Publikum.

Einen schweren Stand scheint aktuell die "normale“ Unterhaltung zu haben, während TV-Events wie "Dancing Stars“ mit dem Highlight-Faktor glänzen dürfen? Und wie geht es damit überhaupt weiter?

Unterhaltung ist mehr als Show und Event. Wir haben zuletzt sehr viel investiert in die Ausspielung österreichischer Fiction, das ist auch beste Unterhaltung, wie die Quoten zeigen. Und wir hatten "Dancing Stars“, wir haben die großen Shows am Samstagabend, das ist ja alles da. Wir haben unsere Comedy-Shows und unsere Kabarett-Reihen. 

Wenn mit "normaler“ Unterhaltung zum Beispiel kleinere Spieleshows gemeint sind, dann ja. Hier sehe ich aktuell wenig Bedarf seitens des Publikums. Ich glaube viel stärker an Events, weil sie nachhaltiger wirken. Das ist auch die Stärke des Live-Fernsehens.

Ein gewaltiges TV-Event im kommenden Jahr ist jedenfalls der Eurovision Song Contest.

Ich freue mich wahnsinnig darauf. 

Das macht aber auch Einsparungen notwendig. Was muss noch alles gestrichen werden? 

Da haben wir ja schon zwei sehr große Maßnahmen gesetzt. "Dancing Stars“ geht sich im Frühjahr nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch zeitlich parallel zum Song Contest nicht aus. Und wir haben das Herbst-Event "Die große Chance der Blasmusik“ aufgeschoben, um genug finanziellen Spielraum zu bekommen. Das halte ich für verkraftbar. Denn wir werden auch rund um dieses Weltevent dem Publikum sehr viel Unterhaltung bieten.

Auswahlshow für den ESC in Österreich

Das heißt, Song Contest ist nicht nur eine Woche im Mai im ORF?

Es wird im ORF eine große Showreihe auflaufend auf den ESC geben. Die 70 Jahre seines Bestehens liefern da schon mal eine gute Vorlage.  Das wird top prominent besetzt aus dem In- und Ausland.

Wie kommt Österreich, der ORF, zum nächstjährigen Vertreter beim ESC?

Es wird nach langer Pause wieder eine nationale Auswahlshow geben. Ein großer TV-Abend mit viel Publikumsbeteiligung. Zudem planen wir eine Reihe an Dokumentationen, die sich mit den unterschiedlichen Facetten des ESC und seiner Entwicklung auseinandersetzt – vom früheren Grand Prix Eurovision de la Chanson européenne hin zu einer Mega-Musikindustrie-Maschinerie. Wir erzählen die Geschichte dieser unpolitischen Show, die immer wieder zum Anlass politischer Erregung wurde. Und klarerweise werden wir auch die ambivalente Vergangenheit Österreichs bei dieser Veranstaltung nicht ganz verschweigen.

Die Entscheidung über die ESC-Moderation … 

… fällt Ende des Jahres. 

Ein anderes Großereignis 2026 ist die Fußball WM in Kanada, Mexiko und den USA. Doch zuvor: Die Sportmannschaft im ORF ist ja so etwas wie die Hauptabteilung Drama geworden.  Die Verwerfungen zwischen Mannschaft und Chef haben sich auch in den KURIER durchgesprochen: Stichwort "Schwafler“-Story. Was passiert hier, welche Konsequenzen gibt es?

Ich bitte um Verständnis, ich kommentiere interne Vorgänge nicht in der Zeitung. Wichtig ist mir festzuhalten, dass wir eine professionelle und ambitionierte Sportabteilung haben, die tolle Arbeit leistet.

Rumoren bei ORF-Sport-Experten 

Nun, fix ist jedenfalls die Fußball-WM. Erstrechte-Inhaber ist der ORF, ob und an wen sublizensiert wird, ist noch offen, aber ServusTV scheint naheliegend. Die Planungen laufen. Welche Überlegungen gibt es, was tut sich bei Moderation und Experten? In diesem Bereich gibt es ja auch Unruhe.

Die Fußballweltmeisterschaft ist ein Ereignis, bei dem wir in der Berichterstattung wieder unsere Stärken voll ausspielen wollen und werden – hoffentlich mit Österreich als WM-Teilnehmer. Da werden wir sowohl auf Bewährtes setzen als auch auf das eine oder andere neue Konzept. Hier gibt es keine Unruhe, sondern erste, sanfte Vorbereitungen auf einen Generationenwechsel. Das ist ja auch unsere Verantwortung, das im Blick zu haben. Respektvoll und mit Augenmaß, sowohl den Protagonisten gegenüber, als auch dem Publikum gegenüber. Das hat zuletzt bei der Frauen-Euro bestens funktioniert.

Herbert Prohaska hat das Thema Pensionierung ja selbst in einem profil-Interview angesprochen und hat sich dann offenbar ein wenig erschrocken, dass er schon 70 ist. 

Dass Herbert Prohaska sich mit 70 Gedanken macht, verstehe ich völlig und das wird man intern und respektvoll besprechen. Wenn ein solches Aushängeschild nicht mehr in dem Ausmaß wie bisher zur Verfügung stehen könnte, dann gibt es natürlich Überlegungen und man hat Gespräche zu führen. Was weitere in Medien genannte Experten und Expertinnen betrifft: Dieses Geschäft ist kein Wunschkonzert und es gibt noch andere Marktteilnehmer. Und um auch den Abschied von Alexandra Meissnitzer anzusprechen - hier führen wir Gespräche und machen Castings. Ich bin mir sicher, wir werden eine gute Lösung finden. 

Die Fußball-WM bringt wieder eine Kooperation mit einem Privatsender am Medienstandort Österreich, wie es sie schon öfter gibt. Eine bestehende ist jene mit dem ProSieben-Konzern bei Joyn. Was bringt Joyn dem ORF?

Was Joyn oder Kooperationen auch mit anderen Plattformen betrifft, da verfolgen wir die jeweiligen Entwicklungen sehr genau. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich sagen, dass wir die Zusammenarbeit zwischen heimischen Medien lieber fördern als sie zu unterbinden. Und Joyn hat ein jüngeres Publikum, das hier auch ORF-Inhalte findet.

ORF-Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz 29.07.2025

Zur Person
Stefanie Groiss-Horowitz (Jg. 1977) ist seit 2022 Programmdirektorin im ORF, den sie gut kennt. Vor einem Wechsel zu Puls4 war  die Oberösterreicherin dort u. a. Büroleiterin in der Programmdirektion,  Journalistin bei TV-Magazinen und auch Sendungsverantwortliche.

Privatsender-Ausflug
2017 wechselte sie als Senderchefin zu Puls4. Später übernahm sie zusätzlich den damals neuen Info-Sender   Puls24. Sie ist verheiratet mit der ORF-Journalistin Nina Horowitz ("Liebesg’schichten und Heiratssachen").  

Noch jünger ist die Zielgruppe von ORF Kids. Wie ist da die Weiterentwicklung gedacht und wie schaut es mit dem linearen Kinderprogramm aus? 

ORF Kids ist uns wichtig. Neben dem Programmanspruch, den wir haben, geht es da auch darum, dass die emotionale Bindung zu einer Marke in jungen Jahren passiert. Wir verschränken nun sukzessive die lineare und nonlineare Ausspielung stärker, um vielen Highlight-Produkten, die es auf dem Digitalchannel gibt, auch auf ORF1 einen Platz zu geben. Da geht es auch darum, Eltern verstärkt auf diese wunderbare Inhalte aufmerksam zu machen. Das Kinderprogramm in ORF1 wird es also weiterhin geben als eine attraktive Mischung, die wir nun um tolle ORF Kids-Produktionen erweitern.

Danke für das Gespräch.

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