Beschwerdeflut wegen ORF-Beitrag

ORF Zentrum am Küniglberg - Kultur und Spardruck: ORF in der Kritik – Künstler schlagen Alarm
Zusammenfassung
- Täglich erreichen etwa 50 Beschwerden das BVwG gegen die Einhebung des ORF-Beitrags, was die Gerichte belastet.
- Der ORF-Beitrag bleibt bis 2029 eingefroren, vier Millionen Haushalte sind beitragspflichtig, wobei etwa zehn Prozent befreit sind.
- Ab Januar 2026 müssen Erlagscheinzahler den Jahresbeitrag von 183,60 Euro auf einmal zahlen, was Unmut hervorrufen könnte.
In der letzten Sitzung des Nationalrats vor den Ferien wurde am Freitag das von etwas über 100.000 Menschen unterzeichnete Volksbegehren „ORF-Haushaltabgabe nein“ in erster Lesung behandelt. In der Sache war es allerdings schon zuvor erledigt. Denn nach dem jüngsten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) ist klargestellt, dass der ORF-Beitrag verfassungskonform ist.
Allein die Möglichkeit, das ORF-Angebot zu nutzen, rechtfertigt die 15,30 Euro pro Monat. Denn es liege im gesellschaftlichen Interesse, „dass der Rundfunk seine besondere demokratische und kulturelle Aufgabe wahrnimmt“, erklärte der VfGH Anfang Juli. Der ORF-Beitrag wurde von der neuen Dreier-Koalition übrigens bis 2029 eingefroren, weshalb auf den Öffentlich-Rechtlichen ein zusätzlicher Sparbedarf zukommt.
Ein Nebeneffekt des VfGH-Erkenntnisses sorgt nun jedoch für Turbulenzen: Alle wegen dieser Grundsatzentscheidung gestoppten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) können wieder aufgenommen werden. Das wirkte für viele wie ein Startschuss.
Viele Eingaben
Auf KURIER-Anfrage wird bestätigt, dass man „aktuell mit einem sehr hohen Neueingang von Beschwerden gegen Bescheide über die Einhebung des ORF-Beitrages konfrontiert ist. Täglich laufen ca. 50 diesbezügliche Beschwerden beim BVwG ein.“ Nach dem finalen Spruch des Höchstgerichts setzen einige auf Systemüberlastung.
Denn das Beschwerdeaufkommen bindet juristische Arbeitskraft – im BVwG, aber auch im ORF. Dessen Generaldirektor Roland Weißmann hat dem Vernehmen nach die wegen des laufenden Sparkurses geplanten Personalmaßnahmen beim Beitragsservice (OBS) persönlich gestoppt, damit Anfragen und Bescheide schneller abgearbeitet werden können.
In Österreich sind gut vier Millionen Haushalte beitragspflichtig, etwa zehn Prozent sind zudem befreit. 3,8 bis 3,9 Millionen Haushalte zahlen den Beitrag bisher problemlos. Etwa 150.000 gelten ORF-intern hingegen als kompliziert, weil sie das juristische Prozedere bis zum Ende durchspielen. Für Schlagzeilen sorgen dann Fälle, bei denen etwa Zahlungsaufforderungen vor dem Bescheid bei den Haushalten landen.
Ein darüber hinausgehender Erfolg war diesen Aktionen bisher nicht vergönnt. Laut ORF wurden „in allen bisherigen über 300 Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Einhebung des ORF-Beitrages die Rechtsansicht der OBS bestätigt und die entsprechenden Beschwerden abgewiesen.“
In einer Einzelfallentscheidung, so räumt man ein, habe das BVwG aber einen „Formfehler“ festgestellt, dass die konkrete eigenhändige Unterschrift des Geschäftsführers der OBS auf diesem Bescheid nicht als Unterschrift im Sinne der Verfahrensvorschriften zu werten sei. Allgemein Gültiges lässt sich daraus nicht ableiten.
„Zu den Folgewirkungen dieser Entscheidung ist anzumerken, dass es den jeweiligen Richterinnen bzw. Richtern im Einzelfall obliegt, zu beurteilen, ob ein Bescheid vorliegt oder nicht“, heißt es seitens des BVwG. Und der ORF hält fest: „Die Zahlungspflicht besteht weiterhin.“ Im schlimmsten Fall müssten eben Bescheide neu ausgefertigt werden.
Das Problem mit der Unterschrift ist ohnehin Vergangenheit: Bescheide des ORF-Beitrags Service werden schon seit längerer Zeit digital amtssigniert.
Regierung gefordert
Eine Besonderheit des Beitragsgesetzes, für die der ORF nichts kann, könnte bald noch gröbere Probleme bringen: Ab 1. Jänner 2026 müssen Haushalte, die den Beitrag mit Erlagschein zahlen, den gesamten Jahresbeitrag auf einmal einzahlen. Das macht auf einen Schlag 183,60 Euro aus. In jenen Bundesländern, die noch Zusatzgebühren draufschlagen, wäre das entsprechend nochmals mehr. Da könnte auch das Neujahrskonzert nicht mehr viel retten. Mit der SEPA-Lastschrift erfolgt die Abbuchung hingegen alle zwei oder sechs Monate.
Dieses problematische Erbe der Vorgänger-Regierung hat sich in die Dreier-Koalition durchgesprochen. „Es gibt ein großes Bewusstsein für weiterhin existierende Problemlagen“ heißt es aus dem Umfeld des nun SPÖ-geführten Finanz- und des Medienministeriums.
Deshalb ist die Sommerpause gestrichen. Nach KURIER-Information treffen sich dieser Tage Regierungsvertreter, um über Reformen beim ORF-Beitrag zu reden. Auch die Berechnung der Firmenbeiträge je Gemeinde, die bei Wirtschaftsvertretern für Zornesfalten sorgt, könnte da ebenfalls thematisiert werden.
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