ORF-Gesetz: Europas Verleger sehen "massive Wettbewerbsverzerrung"

ORF-Zentrum
European Publishers Council fordert Kommissarin Vestager zur Prüfung auf.

Die jüngsten Vorstöße des Österreichischen Zeitungsverbands (VÖZ) und der heimischen Privatsender (VÖP) bei der EU-Kommission gegen die neue ORF-Finanzierung bekommen nun massive Schützenhilfe in Brüssel. Am Tag vor der Beschlussfassung im österreichischen Parlament hat sich der European Publishers Council (EPC) eingeschaltet, der die großen europäischen Medienkonzerne vertritt.

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In einem Brief fordert der Europäische Verleger-Rat nun Margrethe Vestager zum Eingreifen auf. Die EU-Wettbewerbskommissarin und geschäftsführende Vizepräsidentin der Europäischen Kommission möge prüfen, ob die neue ORF-Finanzierung mit den EU-Beihilfenverpflichtungen im Einklang steht. Überdies zielt die Eingabe auch auf die neuen digitalen Möglichkeiten, die die ORF-Gesetzesnovelle künftig dem Öffentlich-Rechtlichen einräumt.

Der EPC ist „sehr besorgt“, dass es durch die erhöhten Beihilfen zugunsten des ORF „zu massiven Wettbewerbsverzerrungen und einer existenziellen Bedrohung für die pluralistische, unabhängig finanzierte Medienlandschaft“ kommt. Überdies würde das neue Gesetz in Österreich, wenn es nicht angefochten wird, zu einer „beispiellosen Aufstockung der Mittel“ für den ORF führen, um seine Online-Reichweite im direkten Wettbewerb mit Online-Presseverlagen zu vergrößern. MIt der Erhöhung der Mittel verstieße "das Land gegen seine Verpflichtungen im Rahmen der EU-Beihilfevorschriften". Und diese Ausweitung sei "voraussichtlich unvereinbar mit der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk".

Man sei sich der Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für einen pluralistische Gesellschaft bewusst. Es müssten diesem jedoch „strikte Grenzen“ gesetzt werden, „um einen fairen Wettbewerb mit dem Privatsektor zu gewährleisten.“

"Wer soll den Staat zur Rechenschaft ziehen?"

"Es braucht unabhängige Medienunternehmen, die Augenzeugenberichte verbreiten und unangenehme Fragen stellen", betont der EPC. "Doch wir können nicht mit einem kostenfreien, staatlich finanzierten öffentlich-rechtlichen Verleger konkurrieren. Wenn es für kommerzielle Medien keinen Anreiz gibt, zu investieren und eine Rendite zu erzielen, wer wird dann noch den Staat und seine Bediensteten zur Rechenschaft ziehen?" Der offene Brief endet mit: "Wir fordern Sie auf, zu prüfen, ob der Gesetzentwurf mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht."

Protest aus Österreich

Schon zuvor war der heimische Zeitungsverband VÖZ in Brüssel aktiv geworden, was im Wiener Medienministerium noch „sehr gelassen“ abgetan wurde. Der VÖZ hielt in seiner Beschwerde fest, dass ORF.at „mit den Angeboten der Printmedien vergleich- und substituierbar“ sei. Die „Blaue Seite“ sei „nicht nur zeitungsähnlich, sondern tatsächlich eine Zeitung.“

Der VÖZ führte in seiner Beschwerde bei der EU-Kommission weiter aus: Die umfassende ORF-Berichterstattung führt zur Marktverstopfung. Sie führt überdies zu einer Reduzierung der Bereitschaft von Nutzern, kostenpflichtige Angebote der Tageszeitungen zu nutzen.

Weiters generiert der ORF durch seine Berichterstattung online erhebliche Werbeeinnahmen. Weil der Öffentlich-Rechtliche zudem Kompensationen aus dem Bundesbudget für den Wegfall des Vorsteuerabzugs erhält, „erhöht sich dessen Vergütung wesentlich.“ Der VÖZ sieht darin eine anmeldepflichtige Änderung der Beihilfe – was zuvor die GIS und nun der EU-Beitrag sind –, womit die EU-Kommission zu befassen sei und von der deshalb eine Neubewertung vorzunehmen wäre.

Auch der Verband der Privatsender VÖP hat sich zwischenzeitlich an die EU-Kommission gewandt. In einem Brief hat man die Bedenken wegen Ausweitung der Finanzierung durch Beitrag und Kompensationen, aber auch gegenüber den neuen Online-Freiheiten des ORF formuliert.

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