Nachruf auf Sepp Forcher: Auf den Gipfeln fand er Weitsicht
Es ist ganz schön laut geworden in den Bergen. Ein gewaltiger Vermarktungsapparat hat dort seine Lautsprecher aufgestellt. Aus denen dröhnt ein unbekömmliches Lied von Wir-Haftigkeit, von Gegenwartsfeindlichkeit, von Selbstbeschränkung.
Und irgendwie sind im Zuge dieser Nostalgievermarktung auch die Berge selbst wieder in Stellung gebracht worden. Als Bollwerk gegen das Andere, als Grenze des eigenen Horizonts, und auch als ein Ort, der im Wesentlichen nur eines zu bieten hat: eine vermeintlich bessere Vergangenheit.
Sepp Forcher hat nicht von diesen Bergen erzählt. Sondern von den echten. Von den Menschen, die dort leben. Von ihrer Kultur, die, wie alle Kultur, etwas ganz anderes ist als ein Instrument der Ausgrenzung. Von Tradition, aber nicht um der Verklärung Willen, sondern wegen ihrer Spuren in der Gegenwart.
Sepp Forcher hat von den Menschen erzählt, von einer Art des Reichtums, die jedem Land je eigen ist, vom hiesigen Unverwechselbaren. Er hat in den dreieinhalb Jahrzehnten und 200 Ausgaben seiner Sendung „Klingendes Österreich“ den Sehern mehr Wertvolles von diesem Land gezeigt als wohl jeder andere. Er ist nun, nur wenige Wochen nach seiner Frau Helli – sie waren 65 Jahre verheiratet – und zwei Tage nach seinem 91. Geburtstag, gestorben.
Kaum je durfte man sofort derart begründet davon sprechen, dass eine TV–Legende von uns gegangen ist.
Der große, ruhige Erkunder von Österreichs Volkskultur war gebürtiger Römer (am 17. Dezember 1930 als Giuseppe Forcher).
Er stieg im Leben steil bergauf, vom Lastenträger (für umgerechnet 80 Cent pro Kilo, seine Eltern hatten ihn „nach guter Südtiroler Art spüren lassen, dass ich ein nutzloser Fresser und zu minder bin“) zur Fernsehlegende.
Angetrieben auch von einer Bergleidenschaft, die wie eine „Krankheit in mir steckte, auf deren Verschwinden man ein Leben lang hofft, auch wenn der Verstand einem sagt, dass man gar keine Heilung will“, wie er dem KURIER noch heuer sagte (wo er auch über seine Helli meinte: „Wir haben uns gefunden.“).
Die Familie übersiedelte 1940 nach Salzburg, und Forcher verdiente sein Geld als Hüttenpächter.
Und dann begann er, für für den ORF zu arbeiten, zuerst mit Radiosendungen wie „Ins Land einischaun“ oder „Mit’m Sepp ins Wochenende“. Der große Durchbruch: „Klingendes Österreich“.
Immer gleich begann er die Sendung: Forcher zog den Hut und sagte „Grüß Gott in Österreich“. Forcher zeigte mit Landschaftsaufnahmen und Volkskunst, dass ein Universum auch im Kleinsten steckt. 2000 Volksliedgruppen traten bei ihm auf, ein Schatz, der sonst für das breite Publikum ungehoben geblieben wäre. Er brachte das alles zu Menschen, die das Land in dieser Form sonst nie kennengelernt hätten, und auch zu jenen, die nicht mehr selbst auf Erkundungstouren gehen konnten.
Freude an Österreich
Forcher hat das Land geliebt; es war für ihn jedoch nie ein Rückzugsgebiet, weder geistig noch in der Gesinnung. Er war „unheimlich stolz auf Österreich“, Patriotismus war für ihn – ein konservativer Traditionalist mit liberalen Werten – definiert als „Freude an Österreich“. Er sagte Sätze wie „Migranten darf man nie verachten. Um Gottes willen. Im Gegenteil, du musst sie umarmen“, war kompromisslos darin, für die Coronaimpfung zu werben: „Es gibt viele, die glauben, dass sie gescheit sind und gegen die Impfung argumentieren. Das ist doch alles deppat“, sagte er in der Zeit.
Und er stand der Vermarktung in der „volkstümlichen“ Musik kritisch gegenüber: „Wenn sich die Industrie einer Sache bemächtigt, dann verbiestert sie, und ihr Kerngedanke wird ruiniert.“ Diesen eigentlichen Kerngedanken der Volkskultur nie verkauft zu haben – und dennoch hoch erfolgreich zu sein –, das hat Sepp Forcher gekonnt wie kein anderer. Er wird fehlen.
Am Dienstag (ORF2) und am Donnerstag (ORFIII) stehen die Hauptabende im Zeichen Sepp Forchers, Details folgen.
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