Eine Frau in der Zeitschleife, ein Jugendlicher, der bereits gelebt haben will und eine Journalistin, die einen „Seelenfänger“ entlarven möchte: „Souls“, bei den „Canneseries“ ausgezeichnet, ist ein Mystery-Drama über die Endlichkeit des Lebens (ab Dienstag bei Sky Atlantic, komplett abrufbar bei Sky Q und Sky X).
Die achtteilige Serie verknüpft Handlungsstränge aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gekonnt inhaltlich, optisch und durch Musik. Julia Koschitz spricht im KURIER-Interview über die Geschichte von „Souls“, die Figur der Allie Kleyn, nächste Projekte und Venedig-Preisträger „Eismayer“.
„Souls“ ist eine sehr ungewöhnliche, spannende Serie mit unterschiedlichen Zeit- und Handlungssträngen, die Zuseher zwar fordern, aber auch belohnen wird. Wie ging es Ihnen damit, als sie das Drehbuch zum ersten Mal in der Hand hatten?
Julia Koschitz: Ich wollte es unbedingt spielen.
Warum?
Als ich zum Casting eingeladen wurde, hatte ich nur die erste Folge als Drehbuch, sowie eine Projektmappe, mit einer Inhaltsangabe der gesamten Serie und der Charakterisierung der Hauptfiguren. Anhand dessen war mir klar, dass ich das spielen möchte. Das ist für mich unüblich, normalerweise hätte ich gesagt, ich muss alle Bücher kennen, bevor ich mich entscheide. Aber dieses erste Buch wie die Geschichte, soweit ich die damals erfassen konnte, haben mich sehr interessiert. Ich war sofort angesprochen, von den Themen, die in „Souls“ verhandelt werden. Es geht um Liebe in unterschiedlichen Beziehungskonstellationen, um Verlust und ums Loslassen. Letztlich geht es um die großen Fragen ,Wer sind wir‘, ,Gibt es Schicksal oder ist alles nur Zufall‘, ,Endet das Leben mit dem Tod‘ oder ,Gibt es eine Seele, die wandert‘? Und dann war da noch der dritte ausschlaggebende Punkt, dass ich mich sofort in die Rolle Allie Kleyn verliebt habe.
Was mögen Sie an dieser Figur?
Allie ist eine Frau, die sich in einer Extremsituation befindet. Sie ist in einer Zeitschleife gefangen, in der sie jeden Tag aufs Neue alles riskiert, um die große Liebe ihres Lebens, LEO, zu retten, in dem sie versucht, ihn von seinem Flug abzuhalten, der ihn sein Leben kosten wird. Sie ist in großer Not, in großer Verzweiflung, weil sie als Einzige weiß, dass dieses Flugzeug, in das Leo als Pilot steigen wird, abstürzt. Aber obwohl sie tagtäglich mit dem existenziellen Verlust konfrontiert ist, ist sie dabei nie sentimental, nie passiv. Allie ist eine, die aktiv gegen das Schicksal angeht, die schonungslos handelt, sich selbst und anderen gegenüber, die nie aufgibt und dabei nicht ihren Sinn für Humor verliert. Ihre Geschichte wird mit Selbstironie erzählt, die auch Allie auszeichnet. Also unabhängig davon, ob man eine Figur, die man spielt, sympathisch findet oder nicht, für mich war es ein wirkliches Fest, diese Rolle zu spielen.
Das macht „Souls“ auch ungewöhnlich, dass in diesem Drama just Allie für eine heitere Note sorgt. In ihre Verzweiflung hinein muss man als Zuschauer auch schmunzeln.
Ich glaube, damit ist man sehr nah am Leben. Im Unglück steckt ja trotzdem oft eine absurde Komik. Und mir als Zuschauerin fällt es leichter, ich finde es auch interessanter, einer Figur, der etwas Schreckliches passiert, zu folgen, wenn sie nicht in Selbstmitleid versinkt, sondern die Tragik auch immer wieder gebrochen wird. Sonst wird es schnell sentimental, was furchtbar ist.
Wichtig für die Dramaturgie in den ersten Folgen ist ihre Stimme aus dem Off, die auch so ein wenig die Emotion beim Zuschauer steuert. Ist das so gedacht gewesen?
Interessant, so hätte ich es nie formuliert. Die Zeitschleife, in der sich Allie jeden Tag aufs Neue befindet und ihre Stimme aus dem Off, die sich mit ihren unausgesprochenen Gedanken an uns richtet, ist eine filmische Behauptung. Sie als wissende Instanz dieses Tages kennt ihn in- und auswendig und erlebt ihn ja doch immer wieder neu. Die Off-Stimme verdeutlicht für mich die Ambivalenz von Innen- und Außensicht.
Zur Person
Julia Koschitz, 1974 in Brüssel geborene Österreicherin, startete die Karriere auf deutschen Bühnen. Das breite Publikum kennt die mehrfach Ausgezeichnete von Serien-Hits wie „Doctor’s Diary“, Kino-Produktionen wie „Hin und Weg“, dem Emmy-prämierten „Wunder von Kärnten“ oder dem ORF-Quotenbringer „Macht der Kränkung“. Mit Koschitz darf aber auch gelacht werden wie beispielsweise in der Stadtkomödie „Geschenkt", der Partnerkomödie „Wie gut ist deine Beziehung“ oder „Wer einmal stirbt, dem glaubt man nicht“.
Zur Serie
„Souls“-Hauptfigur ist zunächst Allie (Koschitz), die Tag für Tag alles tut, ihre Liebe, Pilot Leo (Laurence Rupp), von einem Flug fernzuhalten, der abstürzen wird. 15 Jahre später meint ein Jugendlicher (Aaron Kisslov), Leo zu sein. 10 Jahre danach will eine Journalistin (Lili Epply) einen Sektenführer (Aleksandar Jovanovic) entlarven, der die unsterbliche Seele predigt und Leo kannte.
Regie: Alex Eslam, Hanna Maria Heidrich; Buch: Alex Eslam, Lisa van Brakel, Erol Yesilkaya, Senad Halilbasic; Kamera: Carlo Jelavic, Franz Lustig; Musik: Dascha Dauenhauer
Allies Zeitschleife zu Beginn bringt es mit sich, dass sich Szenen leicht variiert, wiederholen – etwa das gemeinsame Erwachen im Bett oder das letzte Gespräch vor dem Verlassen des Hauses. Wie oft haben sie und Laurence Rupp das gedreht?
Wir haben in dieser Wohnung, in der, wie im Café, die meisten „Wiederholungszenen“ stattfinden, an sich mehrere Tage gedreht. Aber insbesondere das Gespräch, also diese vier verschiedenen Variationen des geprobten Interviews, dessen Verlauf Allie ja bereits kennt, haben wir an einem Tag gedreht. Das war schon ambitioniert. Aber Alex Eslam, der die Idee zu „Souls“ entwickelt und die Bücher zusammen mit anderen geschrieben und, abwechselnd mit Hanna Maria Heidrich, Regie geführt hat, wusste sehr genau, was er will. Er ist ein großartiger Regisseur, unglaublich genau. Die Zusammenarbeit hat mich wirklich beeindruckt. Auch Hanna, mit der ich weniger gedreht habe, war wunderbar. Jedenfalls hat Alex uns, Laurence und mich, mit einer klaren Vision durch diesen Tag navigiert, an dem wir diese Szene gar nicht so oft drehen konnten, sonst wäre das Pensum nicht zu schaffen gewesen.
So etwas bedarf dann aber einer intensiven Vorbereitung des Drehs.
Die Vorbereitung war tatsächlich so, wie ich es mir immer wünschen würde. Alex und Hanna haben sich mit uns im Vorfeld mehrmals getroffen, schon weit vor den Dreharbeiten. Wir haben detailliert über unsere Figuren gesprochen und über deren wichtigsten Beziehungen. Sie haben uns ihre Vorstellung vermittelt und damit viel Futter gegeben. Wir haben Szenen diskutiert und geprobt und dabei gemeinsame Entscheidungen getroffen, was wir wie erzählen wollen. Darauf hat dann auch das Masken- und Kostüm-Konzept aufgebaut. Das hört sich jetzt so an, wie wenn alles ins kleinste Detail festgelegt gewesen wäre und wir das am Set nach dem Prinzip von Malen nach Zahlen umgesetzt hätten. Das war nicht der Fall – wir wussten nur im Vorfeld, was Alex und Hanna mit der jeweiligen Szene erzählen wollen und sie waren trotzdem offen für unsere Vorschläge. Es gab nur keine grundlegenden Fragen mehr und dadurch hatten wir die Freiheit, uns voll auf die Situation und unsere Kolleginnen und Kollegen einzulassen. Davon bin ich vollends überzeugt: Jeder Zweifel an dem, was man erzählen will, hemmt, macht EINEN IM Spiel unfrei. Das war hier ganz und gar nicht der Fall. Deswegen war „Souls“ für mich auch so eine beglückende Arbeit.
Eine der Schlüsselszenen dieser Serie ist jene, in der Allie, die Pathologin ist, ein Mädchen identifizieren soll. Das ist ein Gänsehaut-Moment.
Das ist eine Szene, bei der Alex mir von Anfang an klargemacht hat, dass sie ihm ganz wichtig ist, er aber keine Ahnung hat, wie man das spielen soll. Natürlich war das halb ernst gemeint, weil er auch da eine klare Vorstellung hatte, aber es lag auf jeden Fall viel Druck darauf. Es war für mich eine Szene, in der man nichts vortäuschen kann. Das würde man am Ende sehen. Ich musste mich emotional komplett darauf einlassen, auch wenn es eine sehr abstrakte Situation war. Eigentlich hat es sich aber dann von allein gespielt. Es war anstrengend, zugegeben, aber in einer ganz positiven Form. Also, nach so einem Tag kommt man leer nach Hause, im besten Sinne.
Sie spielen große Rollen wie in „Souls“, aber auch ganz kleine. Aktuell sind sie in den österreichischen Kinos in „Eismayer“ als dessen Ehefrau zu sehen.
Die Rolle ist winzig, aber nicht unwichtig. Vizeleutnant Eismayer, der ein gefürchteter Ausbildner beim Bundesheer ist, lebt ein Doppelleben – als Ehemann und Vater und als nicht geouteter Homosexueller mit heimlichen Affären. Er hat in seinem beruflichen Umfeld sehr viel zu verlieren, wenn er sich zu seinem wahren Ich bekennt. Gegenüber seiner Familie und seiner Frau wäre sein Outing vor allem eine unendliche Verletzung. Das hat mich an dieser Figur, seiner Frau, interessiert, wie ein Mensch mit der Lebenslüge seines Partners zwangsläufig mit in eine Lebenslüge gezogen wird. Es stellt sich automatisch die Frage, ob die gemeinsamen Jahre überhaupt etwas bedeutet haben. Der ausschlagegebende Grund, warum ich ein Projekt zu- oder absage, ist zunächst immer das Buch und nicht die Größe einer Rolle. Hier war es die Kombination aus dem bemerkenswerten Buch David Wagners und Gerhard Liebmann, den ich als Schauspieler schon lange sehr schätze. Ich kannte Autor und Regisseur David Wagner bis dahin nicht. Ich freue mich wirklich sehr für ihn, dass dieses Projekt, für das er so lange gekämpft hat, nun so erfolgreich ist, wie sein Preis in Venedig zeigt.
Was sind ihre nächsten Projekte?
Aktuell stehe ich in Landshut, wo ich früher viel gespielt habe, auf der Bühne. Für eine Wiederaufnahme von Wolfgang Herrndorfs „Bilder deiner großen Liebe“. Es ist ein wunderschöner Text. Ich liebe dieses Stück sehr, auch wenn es ein Einpersonenstück ist und ich lieber mit Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne stehe. Aber das hat mir damals in der Planung mit Proben und Vorstellungen die maximale Flexibilität geboten.
Denn sie stehen auch noch für den vierteiligen Politthriller „Herrhausen – Der Herr des Geldes“ an der Seite von Oliver Masucci vor der Kamera.
Ja, es erzählt das Attentat auf Alfred Herrhausen, der Mitte der 80er Jahre Vorstand der Deutschen Bank und für Deutschland eine zeitgeschichtlich wichtige Personwar.Ich spiele seine Frau Traudl. Ab Mitte November geht’s für mich weiter. Diesmal in Brüssel.
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