Matthias Schrom: „Ich bin nicht der Herr Oberg’scheit vom ORF“
Seit Anfang November ist Matthias Schrom Gesamtredaktionsleiter bei ServusTV. Genau zwei Jahre, nachdem der gebürtige Innsbrucker beim ORF über eine Chat-Affäre mit dem damaligen FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache gestolpert war und die Funktion des TV-Chefredakteurs zurückgelegt hatte, ist er zurück auf der medialen Bühne.
Seine neue Funktion beschreibt Schrom als „Bindeglied zwischen allen Fachredaktionen“ – von Information über Volkskultur bis Sport oder Bergwelten. „Der Sender ist wahnsinnig schnell gewachsen und das ist zum Teil auch einfach passiert.“ Nun versuche man, sich besser abzustimmen, den vorhandenen Content noch besser in den Markt zu bringen und digitaler, weiblicher, jünger zu werden. „Das finde ich eine extrem spannende Herausforderung“, sagte Schrom beim Mediengipfel Lech. Aber „ich bin nicht der Herr Oberg’scheit vom ORF“.
Miteinander im Gespräch bleiben
Als er damals beim ORF Chefredakteur geworden sei, „war das eine Art von feindlicher Übernahme vom Gefühl her.“ Hier (bei ServusTV, Anm.) habe er das Gefühl, sehr willkommen zu sein. Es sei „wirklich eine andere, sehr internationale Welt.“ Im ORF „war man schon phasenweise so halb depressiv.“
Dass ServusTV im deutschsprachigen Raum mittlerweile die Punze als rechter Sender und Forum für Corona-Leugner trägt, stört Schrom nicht. Wenn man genauer hinsehe, ergebe das eine gewisse Diversität. Journalistisch muss er sich nicht verbiegen. „Das will auch niemand von mir.“ Zu Corona-Zeiten sei er „ZiB"-Chef gewesen. „Man hat ja gesehen, was ich damals verantwortet habe“, sagt Schrom.
Die Masse macht's
Auch sein Zugang zu Fake News ist klar. „Dass es Corona gegeben hat, ist ein Faktum. Ob man die Maßnahmen, richtig, gut oder schlecht gefunden hat, darüber, finde ich, kann man diskutieren.“ Eine der Hauptdiskussionsleisten bei ServusTV heiße „Links. Rechts. Mitte.“ „Das finde ich vom Anspruch her genau richtig, zu versuchen, ein Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten und vor allem miteinander im Gespräch zu bleiben. Und das ist ja etwas, wo Servus TV schon Publikum hat, das vielleicht von anderen Medien ein bisschen weg ist“, sagt Schrom. „Die Ausrichtung eines Senders entsteht durch die Masse der Sendungen.“
Den ORF in der Information als Konkurrenten von ServusTV zu bezeichnen, „das wäre größenwahnsinnig“, erklärte er. Denn man werde nicht 50 Korrespondenten in die Welt schicken können. „Was ich mir wünschen würde ist, dass wir so gute Ideen haben, dass der ORF auch ein bisschen ins Nachdenken kommt.“ Der Anspruch bei ServusTV sei zum Teil sehr öffentlich-rechtlich. „Wir könnten sicher leichter die Quote mit trashigeren Formaten hochtreiben“, was man aber nicht wolle, meinte der 51-Jährige unter Verweis auf Sendungen wie „Bergwelten“, „Fahndung Österreich“ oder auch „Heimatleuchten“.
Der Wille zum guten Fernsehen
Ziel sei, den Sender weiterzuentwickeln und zu verankern als fixen Bestandteil in der Medienszene. „Man wird möglicherweise nicht so viel Geld verdienen können" mit Servus TV, wie Red Bull dafür ausgibt, so Schrom, „Aber ich hoffe, dass es Red Bull das wert bleibt im Sinne der Legacy des Gründers“, dem 2022 verstorbenen Dietrich Mateschitz. Der Wille des Konzerns und vom Red Bull Media House, gutes Fernsehen zu machen, sei zu 100 Prozent vorhanden.
Zu seinem Abgang als ORF-Chefredakteur zitierte Schrom seine Frau, eine Juristin und Psychotherapeutin: „So, wie du's geworden bist, hast du's auch verloren." Wobei er deutlich formuliert festhielt: „Man kann mir vielleicht Opportunismus vorwerfen, aber sicher nicht, einer Partei – Entschuldigung - in den Arsch gekrochen zu sein, damals.“ Er habe in keiner Phase jemals eine Gegenleistung erbracht.
Einmal zu oft mit Blau an der Bar
2018, unter Türkis-Blau, war Schrom, der zuvor in der ORF-Innenpolitik vielfach von Wahlkämpfen der FPÖler berichtet hatte und mit ihnen „viel zu oft im gleichen Hotel an der Bar “ gestanden war, von Alexander Wrabetz zum ORF2-Chefredakteur hochgezogen worden – eine taktische Maßnahme zur ORF-Absicherung.
„Ich hab vielleicht den Fehler gemacht, dass ich ganz am Anfang gesagt hab, ruft mich an und lasst meine Leute in Ruhe“, sagte Schrom. „Ich habe das Gefühl gehabt, ich hab' das Spiel schon irgendwie im Griff mit denen.“ Das Spiel, das waren bis zu 50 Anrufe pro Woche von Politikern und Spindoktoren Info, Beschwerden, Intervention und dem, was von Sebastian Kurz’ Medienbeauftragten Gerald Fleischmann als „SNU“ bezeichnet wurde – „Strategisch Notwendiger Unsinn“. Das war „sehr mühsam“, erzählte Schrom und er erzählte, dass sich seine Tochter dann zum Geburtstag gewünscht, dass er einmal nicht telefoniert.
Es braucht im ORF die Anbiederung nicht
Angerufen haben laut dem 51-Jährigen alle, aber „nie haben die Neos interveniert.“ Am schönsten sei dann die Phase der Expertenregierung gewesen, „weil ich dachte, jetzt habe ich so viel Zeit, private Telefonate zu führen.“
Auf die Frage, ob man in eine solche ORF-Position kommen kann, ohne dass man sich an Parteien anbiedert, antwortete Schrom: „Ja, das glaube ich schon. Ehrlicherweise, mein Nachfolger und meine Zwischendurch-Nachfolgerin, das weiß ich, sind das ohne Anbiederung geworden.“ Die Zwischendurch-Nachfolgerin ist die stellvertretende Chefredakteurin Eva Karabeg und sein Nachfolger Johannes Bruckenberger, in der neuen Info-Struktur sind sie verantwortlich für Sendungen und Sendungsteams.
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