Letzter "Tatort" vor der Sommerpause: Eidechsen fallen vom Dach
Heute Abend werden wir wahrscheinlich alle über meinen hysterischen Auftritt lachen“, sagt Judith Kovacic (Laura Tonke), wohl auch um sich selbst zu beruhigen. Den ganzen Tag schon versucht sie, ihren Sohn Emil zu finden. Dass seine Sporttasche in der Früh noch zu Hause lag, hat sie sofort stutzig gemacht. Und auch, dass der 14-Jährige nicht ans Handy geht, ist untypisch für ihn. Langsam wächst in ihr die Panik – und als wenig später zwei Kommissare mit ernster Miene vor ihrer Haustüre auftauchen, bestätigt sich ihre größte Befürchtung: Emil ist tot, er wurde erschlagen am Ufer der Isar gefunden.
Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) ermitteln heute (Sonntag, 20.15, ORF2) im neuen Münchner „ Tatort“-Fall „Lass den Mond am Himmel stehn“. Es ist der letzte Film der Krimi-Reihe vor der Sommerpause – und ein gelungener Abschluss für die „Tatort“-Saison.
Vermeintliche Vorstadtidylle
Emils Handyspur führt Batic und Leitmayr zunächst zu einem abgelegenen Parkplatz, der als Treffpunkt für anonymen Sex bekannt ist – mehrere Kilometer vom Fundort der Leiche entfernt. Die Kommissare vermuten, dass Emil dort etwas gesehen oder gefilmt haben könnte, das jemand anderen in Bedrängnis bringen könnte.
Bei ihren Ermittlungen lernen sie Emils Familie – die Kovacics – und auch die befreundeten Schellenbergs immer besser kennen. Die wohnen nicht weit voneinander entfernt in einer schicken Münchner Wohngegend mit Einfamilienhäusern und Swimmingpools. Emil hat sich öfters mit dem gleichaltrigen Basti (Tim Offerhaus) zum Computerspielen getroffen, die Eltern gerne auf ein Glas Wein.
Doch nun ist alles anders. Judith Kovacic weiß nicht, wie sie mit dem Tod ihres Sohns umgehen soll, ihr Mann David (Lenn Kudrjawizki) flüchtet sich in seine Arbeit, und Antonia Schellenberg (Victoria Mayer) bringt recht unbeholfen eine Tupperdose mit Kuchen vorbei.
Und das machen Sie beruflich?
Um die beiden Familien kreist dann auch der Großteil des Krimis. Langsam kommen immer mehr Geheimnisse und Verstrickungen ans Tageslicht, und im Laufe des Films scheint beinahe jeder kurze Zeit verdächtig. Batic und Leitmayr bewegen sich dieses Mal angenehm im Hintergrund.
Es ist ein ruhiger, bedrückender „Tatort“, der trotzdem auch einige – wohldosierte – komische Momente hat. Etwa als mitten in einer Befragung eine Eidechse durchs Wohnzimmer der Schellenbergs spaziert. „Wir haben ein Eidechsenproblem“, heißt es trocken. „Die fallen vom Dach.“ Oder als Leitmayr versucht, mit Martin Schellenberg (Hans Löw) Smalltalk zu führen: „Und Sie bauen so Lautsprechersysteme?“ – „Ja.“ – „Beruflich?!“
Fast ein Austro-„Tatort“
Hinter diesem „Tatort“ stehen übrigens gleich mehrere Österreicher: Regie führte Christopher Schier, der u. a. für Serien wie „Dead End“, „CopStories“ und „Trakehnerblut“ bekannt ist. Die Drehbücher schrieben Stefan Hafner und Thomas Weingartner, die etwa beim Österreich-„Tatort“ „Her mit der Marie!“ sowie bei der Klagenfurter Stadtkomödie „Harri Pinter, Drecksau“ zusammengearbeitet haben. Und Kameramann Thomas Kiennast hat u. a. „Das finstere Tal“ und „3 Tage in Quiberon“ gedreht.
„Wichtig ist in dieser Geschichte um zwei befreundete Familien und ein tot aufgefundenes Kind weniger das, was gesprochen wird, als das, was eben nicht gesprochen wird. Es sind die Momente dazwischen“, so Regisseur Schier über den neuen „Tatort“. Im Zentrum steht ein „Albtraum, der das Leben der betroffenen Personen nachhaltig prägen und zerstören wird.“
Und so viel sei an dieser Stelle schon verraten: Sowohl bei den Kovacics als auch bei den Schellenbergs wird am Ende nichts mehr so sein, wie es war.
Wie es in der "Tatort"-Pause weitergeht
Während der Sommerpause wiederholt ORF2 von 21. Juni bis 30. August die Lieblingsfälle der Zuseher. Ab 14. Juni kann man wöchentlich auf extra.orf.at unter 50 „Tatorten“ für den eigenen Favoriten voten, der Film mit den meisten Stimmen wird jeweils am Sonntag gezeigt.
Die neue Krimi-Saison soll Anfang September starten. Im Herbst folgt dann auch das Jubiläum anlässlich 50 Jahre „Tatort“.
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