kronehit-Chefs im Interview: „KI wird bei uns keine Mitarbeiter ersetzen“
Die kronehit-Geschäftsführer Philipp König und Mario Frühauf sorgten 2022 für das beste Geschäftsjahr in der doch schon langen Geschichte von Österreichs größtem Privatsender. Die Reichweiten entwickeln sich auch 2023 weiter positiv. Für Herausforderungen sorgen die KI-Entwicklung, Techno-Giganten und ein Öffentlich-Rechtlicher auf Abwegen.
Frühauf: 2022 war wirtschaftlich das erfolgreichste Jahr in der Unternehmensgeschichte und das sind mittlerweile schon mehr als 20 Jahre. Auch was die Reichweiten betrifft, läuft es extrem erfreulich, wir bewegen uns weiterhin im Korridor zwischen 900.000 und einer Millionen Hörer bei auch im Jahr 2023 – versu dem letztveröffentlichtem Radiotest – leicht steigenden Reichweiten. Außerdem sind wir in der Werbezielgruppe 14-49 werktags das reichweitenstärkste Privatradio in fünf von neun Bundesländer. Darunter sind die einwohnerstarken Bundesländer Wien, Niederösterreich, Oberösterreich. Das stimmt uns insgesamt optimistisch für das weitere Jahr. Was die Kommerzialisierung unserer Angebote betrifft, läuft es in der Eigenvermarktung ausgezeichnet und mit der RMS haben wir einen starken Vermarktungspartner. Der hat gerade viel Grund zum Jubeln, haben doch wir Privatradiosender mittlerweile deutlich mehr Reichweite und Marktanteil als Hitradio Ö3. Das muss sich natürlich irgendwann auf dem Werbemarkt entsprechend auswirken, seit einigen Monaten zeigt sich eine entsprechende Tendenz, die nach dem aktuellen Radiotest hoffentlich nochmals deutlich an Fahrt aufnimmt.
Das hat Auswirkungen auf den Umgang des ORF mit den Privaten?
Frühauf: Mit Sicherheit und das auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Ein Beispiel sind Events. Ö3 versucht uns immer wieder aus Events rauszudrängen bzw. uns draußenzuhalten. Das ist hauptsächlich getrieben von wirtschaftlichen Gründen. Die Vorort-Präsenz und das Gemeinschaftserlebnis bei einem Event wirkt sich positiv auf die Marke bzw. die Erinnerungswerte aus, die wiederum sind für den Radiotest sehr wichtig und die Werte aus dem Radiotest sind wiederum für die Vermarktung des Senders von hoher Bedeutung. Wenn es also diesen großen kommerziellen Druck für den ORF nicht gäbe, wäre es für alle viel entspannter. Die Vorgangsweise bei Events ist, aus meiner Sicht, für einen Öffentlich-Rechtlichen unverhältnismäßig und unwürdig. Es ist ein Dauerthema, das sich leider nicht zum besseren entwickelt.
Man hätte also im ORF-Gesetz eine weitergehende Werbefreiheit etwa im Radio implementieren sollen?
Frühauf: Man hat da eine historische Chance verpasst, dem ORF den kommerziellen Druck zumindest teilweise zu nehmen. Von einem generellen Werbeverbot halte ich jedoch nichts, es hätte nicht den Effekt, dass das frei werdende Budget 1 zu 1 bei den heimischen Angeboten ankommt. Aber eine signifikante Reduktion in Form eines Mehrjahresplans wäre sinnvoll gewesen und würde auch der Markt vertragen. Vieles was der ORF tut und was Kritik hervorruft, resultiert aus diesem kommerziellen Druck.
Eine andere „Bedrohung“ für Privatsender dürfte die Digitalisierung des Musikkonsums sein, auch wenn die Nutzungszahlen weiter hoch sind. Wie geht kronehit damit um und welche Rolle spielt das in der Strategie? Ihr startet vier weitere Web-Angebote zusätzlich.
Frühauf: Radio ist eine Mediengattung, die wie keine andere die technologischen Entwicklungen in sich aufgenommen hat und dadurch immer besser geworden ist. Man sieht das generell an der Verbreitung von Radio und, was kronehit betrifft, an den Zugriffen auf unsere digitalen Audioangebote. Radio ist ja längst nicht mehr nur das Aussenden des UKW-Signals. Wenn das nur noch dieser eine Bereich wäre, dann hätten alle Radios, speziell jene, die jüngere Zielgruppen abdecken, ein massives Problem und eine deutlich geringere Nutzung, als das jetzt der Fall ist. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass sich durch die Verbreitung über Smart Speaker, Smartphones usw. für uns neue Touchpoints zu den Zielgruppen ergeben haben. Das zeigen uns auch unsere Messungen: Im Juni waren es 2,3 Millionen Digital-Sessions und die durchschnittliche Sessions-Länge lag bei 70 Minuten. Grundsätzlich versuchen wir mit unseren Produkten auf allen Plattformen und Endgeräten verfügbar zu sein, die neuen kronehit-Plus-Kanäle sind eine wichtige Ergänzung unseres -Portfolios.
Es heißt also immer öfter: „Alexa, spiel mir kronehit“?
Frühauf: Einen großen Anteil daran haben tatsächlich Smart Speaker. Das bedeutet, dass die Smart Speaker in vielen Haushalten das klassische Radiogerät ersetzen. Würden wir kronehit nur über UKW verbreiten, würden wir sehr viele Menschen nicht mehr erreichen. Ich glaube aber auch, dass es nicht die Intention von Amazon war, Alexa zu entwickeln, damit viel Radio darüber konsumiert wird. Aber Musik, Radio, Wetter etc., das sind sehr häufig genutzte Sprachbefehle. In diesem Zusammenhang kommt man auch schnell zu regulatorischen Fragen - ich mache mir schon Sorgen, dass die Giganten in diesem Bereich irgendwann auf die Idee kommen, die Medien zur Kassa zu bitten. Es ist ganz wichtig, dass die EU zum Schutz der Medienangebote hier Sicherheitslinien einzieht.
Ist diese Problemstellung in Brüssel bereits angekommen?
König: Es gibt einige Initiativen wie jetzt der viel diskutierte Media Freedom Act, dazu den Digital Service Act (DSA) und den Digital Markets Act (DMA), die u.a. auf die Regulierung dieser Plattformen abstellen. Teil der Frage bei der Regulierung der Smart-Speaker – die zu notwendigen Ausspiel-Kanäle geworden sind – sollte jedoch auch der Zugang zu diesen Plattformen selbst sein. Aufgrund der Globalisierung tritt man dort auch in einen Markt mit Deutschland ein. Wenn dann deutsche Radios die meisten Münzen ins Sparschwein von Amazon und Co werfen, wird ihnen möglicherweise der Vorzug auf der Plattform gegeben oder die österreichischen Privatradios erhalten vielleicht gar keinen Platz mehr. Dann könnte es plötzlich beim Befehl „spiel kronehit“ heißen, dass der Sender nicht auffindbar ist. Das macht ein potenzieller Hörer einmal oder zweimal mit, und das war es dann mit der Reichweite.
Also müsste die österreichische Medienpolitik reagieren - um was zu tun?
König: Bei dieser Plattform-Regulierung wird immer sehr schnell der österreichische Gesetzgeber in die Pflicht genommen. Der ist nur in dem Fall eher zweitrangig. Man muss bei den Herstellern der Endgeräte und damit der Software, die dort implementiert ist, ansetzen. Das kann man nur auf europäischer Ebene regulieren. Da wird die gleiche Diskussion losgehen wie beim Thema Netzneutralität. Der Unterschied ist, bei dem Thema ging es um Telekommunikationsunternehmen und jetzt geht es um Plattformbetreiber. Man hat bei der Netzneutralität mit den Telkos eine gute Lösung gefunden. Jetzt ist es wichtig, dass man die gleichen Prinzipien und Maxime, die man dort gefunden hat, auch auf Plattformbetreiber umlegt. Sinnvollerweise sollte man in diesem Zusammenhang in naher Zukunft auch die Abwägung zwischen Abschottung nationaler Märkte und der Aufrechterhaltung der nationalen kulturellen Identität noch einmal anstellen. Das wird die nächste Schaubühne für genau dieses Spannungsverhältnis sein. Unsere Ressourcen, die wir im Inland haben, für so etwas zu lobbyieren, sind jedoch leider beschränkt und überschaubar. Und ehrlicherweise, standen in den letzten sechs Monaten andere Themen im Fokus, sprich ORF-Gesetz und Privatradiogesetz.
Sie haben Alexa und Co angesprochen. Damit ist man beim Thema KI. Von Seiten der Nutzer spielt das offenbar schon eine große Rolle. Wie schaut die Entwicklung von Programm-Veranstalter-Seite her aus. Und konkret, welche Nutzung von KI zeichnet sich ab hinsichtlich z. B. Moderation, News-Generierung, Involvierung von Publikum etc.?
Frühauf: Uns ist zunächst einmal ganz wichtig, den Mitarbeitern die Sorgen bezogen auf dieses Thema zu nehmen. Ständig hört man davon, was und wen KI nicht alles ersetzen wird. Ich persönlich glaube nicht daran, dass KI bei kronehit Mitarbeiter ersetzen wird. Sie wird dazu dienen, dass wir mit der bestehenden Mitarbeiterzahl oder vielleicht mit einigen Mitarbeitern mehr deutlich mehr Inhalte und Produkte generieren und produzieren können. Das wiederum wird unterm Strich uns allen helfen, die bestehenden Arbeitsplätze zukunftssicher zu machen und unser Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich in die Zukunft zu führen. Das ist uns ganz wichtig festzuhalten.
König: Es gibt eine rasante Entwicklung, und die muss man versuchen zu nutzen. Um die Geschwindigkeit dessen zu illustrieren: Im Juli 2022 wurde erstmalig der DTF (Digitaler Transformations Fonds) der österreichischen Bundesregierung geöffnet. Wir haben hier Projekte eingereicht vor allem in Bezug auf Text To Speech, Visualisierung etc. All das fokussierte sich noch ganz klar auf einen höheren Automatisierungsgrad in der Produktion. Im November 2022 kam die Vorstellung von ChatGPT, wobei unsere erste Reaktion darauf war: nettes Spielzeug – und dachten, die von uns eingereichten Projekte seien immer noch State of the Art. Im März 2023 – also nicht einmal vier Monate nach ChatGPT – haben wir jedoch bei den Radio-Days bereits erlebt, wie drei künstliche Intelligenzen miteinander moderiert haben.
Und die Reaktion darauf?
König: Programmdirektorin, Strategy- und Digital Chef, unser Morning-Show-Chef und ich sind da in einer Reihe gesessen und wir waren geplättet. Wir mussten uns dann eingestehen, dass wir unsere Projekte, so wie sie zuvor angelegt waren, überdenken müssen. Wir haben sofort begonnen, die laufenden Projekte zu adaptieren. Da ist jetzt keine Rede mehr von Automatisierung, sondern alles, was wir tun, geht in den Bereich künstliche Intelligenz und Sprach-Synthese. Das hat eine 180-Grad-Drehung binnen sechs Monaten ausgelöst und die Entwicklungsgeschwindigkeit im digitalen Bereich wird so hoch bleiben. Ich traue mich zu behaupten: In zwei Jahren wird man Radiosender ganz anders produzieren, als wir vor einem Jahr gedacht haben. Die Geschwindigkeit ist einfach beeindruckend.
Das spielt eine österreichische Gesetzgebung tatsächlich keine Rolle mehr.
Frühauf: Doch, sogar eine wichtige. Die jüngste Änderung des Paragrafen 9 im Privatradiogesetzes bietet jetzt auch uns die Möglichkeit, auf DAB+, also dem Digitalradio-Standard, bis zu sechs weitere Kanäle zu betreiben. Und an dem Punkt spielen jetzt mehrere Komponenten zusammen: Radio wird künftig durch die technologischen Entwicklungen anders produziert werden und, wie eingangs erwähnt, ist es für kronehit wichtig, mehr Content bzw. Programme zu produzieren, um wirtschaftlich erfolgreich sein zu können. Es gibt nun neue gesetzliche Möglichkeiten, das auch entsprechend umzusetzen.
Ist das tatsächlich schon alles realistisch umsetzbar?
König: Nicht alles, und nicht alles ist auch erwünscht. Aber beim Radio werden die stärksten Veränderungen am schnellsten zu sehen sein. KI ist immer so gut wie die Datenbanken, auf die sie aufsetzen kann. Je besser die Datenbanken, je besser deren Servicierung ist und je einfacher strukturiert sie sind, desto weniger Fehler macht heute künstliche Intelligenz. Bei kronehit arbeiten wir de facto mit vier Datenbanken: Wir haben über die Nachrichtenagenturen, also etwa die Austria Presse Agentur, gut gewartete Datenbanken und faktentreue Information, wir haben Wetter-Datenbanken, die mittlerweile auch in digitalen Standards einfach abzugreifen sind. Wir haben beim Verkehr u.a. die Asfinag-Datenbanken, für die das gleiche gilt. Wir haben unsere Musik-Playlist, die eine sehr einfach abzugreifende Datenbank ist. Etwas komplexer ist eine Neue in Bezug auf Trending Topics. Da gibt es unterschiedliche Anbieter, die dafür auf Facebook oder weitere Social Media-Netzwerke zugreifen. Mit diesen standardisierten und, was die geringe Fehlerquote zeigt, gut gewartete Datenbanken gibt es eine ideale Voraussetzung, um eine wirklich breite KI-Implementierung anzugehen. Im Bewegtbild-Segment wird das wohl noch über einige Zeit wesentlich schwieriger sein.
Frühauf: Wir haben schon jetzt sehr gute Musikdaten durch das Skippingverhalten in der App, durch die Beobachtung der Stream-Reichweiten und natürlich auch durch unseren umfangreichen Musikresearch. AI spielt hier im Broadcast und linearem, nichtpersonalisiertem Streaming noch eine untergeordnete Rolle in der Planung, da die Komplexität geringer ist als beim Zusammenstellen individueller Playlists anhand des Verhaltens des einzelnen Nutzers.
Beim Musikprogramm stelle ich mir das nicht so problematisch vor, das gilt auch für die News, wenn man dafür Presse-Agenturen abgreift, die ja auf einer gesicherten Basis arbeiten. Schwieriger stelle ich mir das bei Trending Topics vor. Denn Social Media ist ein großes und ziemlich grobes Feld, oftmals ohnehin von Bots getrieben. Wie geht man damit um? Man will ja auch sein Publikum einbeziehen und direkt ansprechen, auch dort, wo es drückt.
Frühauf: Radio ist ein Live-Medium und wird von Menschen für Menschen gemacht. Sensible Themen wie Nachrichten usw. werden immer in der Hand einer Redaktion liegen, hier verlassen wir uns nach wie vor auf die redaktionelle Beurteilung.
König: Für so ein Vorgehen gibt auch aus regulatorischer Sicht gute Gründe. Denn am Ende, wenn die Gesetzgebung so bleibt und davon gehe ich aus, sind wir die Letzt-Verantwortlichen für das Produkt, das on Air geht. Und die Ausrede, da habe die KI den Schalter umgelegt, die wird nicht gelten. Weder zum jetzigen Zeitpunkt, noch kurz- bis mittelfristig sehe ich daher eine wirklich völlig autark fahrende KI bei kronehit.
Dabei starten nun, jedenfalls in Deutschland und nach US-amerikanischen Vorbild, KI-Sender?
Frühauf: Da bin ich schon sehr neugierig, wie erfolgreich diese Projekte am Markt performen werden. Wir entwickeln gerade ein österreichisches Sprachmodell, um damit, als Ergänzung zu unserem Liveprogramm, einen Mehrwert für unsere Hörerinnen und Hörer zu schaffen.
König: Bei solch disruptiven Entwicklungen schlagen die Pendel manchmal zunächst extrem in eine Richtung aus. Aber man muss sich einfach überlegen, was kann die KI, wo ist sie sinnvoll einsetzbar - Stichwort Effizienzsteigerung, Content-Output. Aber es geht auch darum, was kann sie nicht? Die KI kann nicht auf ein Festival fahren, dort die Stimmung einfangen, Situationen antizipieren, mit einem Mikrofon in der Hand mit dem Publikum oder den Künstlern reden, also einfach, die Geschichte, so wie das guter Journalismus macht, aus so einem Event herausholen. Das wird stets nur der Mensch machen können und das noch sehr, sehr lange.
Nochmals zum Sprachmodell: Was entsteht da mit wem?
Frühauf: Wir arbeiten hier mit zwei deutschen Unternehmen zusammen und versuchen den Entwicklungsprozess über die RIG zu zentralisieren, damit eine kosteneffiziente Entwicklung, von der viele Sender profitieren, möglich ist.
König: Möglich ist das, weil es beim Modellieren von Stimmen kostenmäßig auch eine enorme Entwicklung gegeben hat. Vor einigen Jahren wäre die Implementierung völlig unvorstellbar gewesen. Durch diese Beschleunigung am Markt und durch den starken Anstieg der Anbieter, haben sich die Kosten für diese Sprachmodelle dramatisch reduziert. Wir reden nun von Lizenzkosten, die im überschaubaren vierstelligen Bereich liegen. Das ist eine spannende Entwicklung. Dadurch wird es für viele möglich sein, diese Technologie zu implementieren. Das wird die rasante Entwicklung weiter beschleunigen.
Ein Aspekt ist da wieder rechtlicher bzw. regulatorischer Natur: Wie geht man sozusagen arbeitsrechtlich mit einer „Stimme“ um?
König: Das Schöne am Recht ist, es gibt bereits viele Gefäße und in der Regel findet jedes Problem in irgendeinem seinen Platz. Es gibt auch schon hier Werkzeuge, um dieser neuen Fragestellung habhaft zu werden. Also, man wird Lösungen finden. Aber spannend werden in den nächsten Jahren schon Fragen wie: Was ist eine angemessene Abgeltung für eine Stimme? Für wie lange? Für welchen Einsatzzweck? Da gibt es natürlich jetzt bereits die Grenzen wie bspw. die guten Sitten. Aber es wird noch einige Jahre dauern, bis sich herausbildet, was rechtlich zulässig ist. Bis dahin muss es faire Modelle geben. Von uns wäre es beispielsweise niemals beabsichtigt, einen Moderator, der kronehit die Stimme gegeben hat, physisch als Person nicht mehr on air gehen zu lassen.
Frühauf: Was die Programmentwicklung betrifft, evaluieren wir gerade die neuen Möglichkeiten durch die Novelle des Paragrafen 9 Privatradiogesetz. Die Frage ist, ob wir Programm auf DAB+ machen oder nicht. Da sind wir gerade mitten im Prozess und sehen DAB+ eindeutig als Zwischen-Technologie. Wir sind alle der Meinung, dass 5G Broadcast die Zukunftstechnologie für Radio ist.
König: Wir sehen DAB+ auch deshalb als Zwischentechnologie, weil wir gemeinsam mit der ORS schon intensiv an 5G Broadcast arbeiten und die ersten Erfolge sehen. Wir haben bspw. sehr erfolgreich beim Donauinselfest die Übertragungstechnologie mit Geräten und einer Technologie, die es schon am Markt gibt, testen können. Wer schon einmal am Donauinselfest oder im Stadion bei einem Fußball-Match war: Man versuche dort eine Whatsapp-Nachricht zu versenden – sie wird nicht durchgehen. Die kleinzellige Infrastruktur für daten-basierte Kommunikation ist bei Menschenansammlungen über 50.000 Leuten meist maßlos überlastet. Wenn man dort dann auch noch z. B. ein Parallel-Spiel streamen wollte, das geht mit Datenleitung nicht. 5G Broadcast bietet aus einer technologischen Sicht einfach viel mehr Möglichkeiten - auch beim Radio. DAB+ bringt keine Weiterentwicklung mehr, das ist einfach nur eine Digitalisierung der analogen UKW-Technologie ohne Rückkanal. 5G Broadcast, so der Schulterschluss mit den Telkos funktioniert, könnte technologisch eine redundante Datenleitung im Hintergrund haben, die eine spannende Spielwiese als Rückkanal zum Hörer ist. Da ist viel möglich. 5G Broadcast hat damit einfach als Technologie viel mehr Perspektiven.
Wie kann man sich diese Spielwiese vorstellen?
Frühauf: Es würde schlicht und einfach das personalisierte Radio ermöglichen - mit enormen Mehrwert im Bereich Vermarktung und natürlich auch der User Experience. Ein echter Gamechanger! Es geht um die optimale Nutzung der Stärken von Breitband und Rundfunk – also der Broadcast-Broadband-Convergence. Welche Teile einer Nutzererfahrung lassen sich besser als Broadcast herstellen – also mit hoher Zuverlässigkeit und Stabilität. Und welche Teile kommen besser über das Internet. An einem Beispiel: Ein Radioprogramm zu hören macht aus Gesichtspunkten der Bandbreiteneffizienz und des Energieverbrauchs mehr Sinn über Broadcast. Hyperlokale Informationen, die eingespielt werden – wie zum Beispiel eine Geisterfahrerwarnung, die viel massiver als bisher, dafür auch viel lokaler als bisher läuft – werden über eine IP Verbindung besser angestoßen.
Soeben bekannt geworden ist, dass sich der ORF bei 5G Broadcast auch mit weiteren europäischen öffentlich-rechtlichen Anstalten zusammengetan hat, um diese technologische Entwicklung voranzubringen.
König: Das ist gut so. Es ist nämlich ehrlicherweise noch ein weiter Weg. Die Technologie funktioniert, aber aus regulatorischer Sicht stehen wir da noch ganz am Anfang.
Was sind die Herausforderungen?
König: Frequenzen werden grenzübergreifend reguliert, da muss also viel zusammenspielen. Wenn etwa ein Nachbarland etwas anderes als 5 G Broadcast will oder bei der Radio-Weltkonferenz beschlossen wird, dass die notwendigen Frequenzbereiche dafür anders gewidmet werden, sind die bisherigen Anstrengungen obsolet. Der zweite wichtige Schritt ist, dass die Endgeräte-Hersteller jene Chips so verbauen, dass sie den Empfang zulassen - denn empfangen können sie alle, nur muss der Hersteller das auch wollen. Und dann kommt die dritte Stufe, nämlich die Software-Betreiber. Auch Android oder iOS dürften dann den Empfang nicht unterbinden. Als vierte Stufe kommen dann die Telkos, die ihrerseits nicht blockieren sollten, was am Chip empfangen und durchs Betriebssystem durchgelassen worden ist. Das alles muss man regulatorisch erst einmal gewährleisten. Aber ich bin trotzdem optimistisch. Es gibt viele positive Signale auf den unterschiedlichen Ebenen - Hersteller, Software etc. Wir als kronehit sowie ORF bzw. ORS werden jetzt auch die Gespräche mit den Telkos in Österreich intensivieren. Das Privatradiogesetz wiederum ist sinnvollerweise technologie-neutral formuliert, insofern ist es auch kein Problem, wenn 5G Broadcast kommt – bis zu sechs zusätzliche Sender dürften wir alle also jedenfalls machen. Die Zukunft kann also beginnen.
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