"Kann sich nicht ausgehen" - Rechenspiele mit Rendi-Wagner in der "ZiB2"

Interviewer Armin Wolf ging mit der SPÖ-Chefin die Vorschläge aus ihrem 5-Punkte-Plan gegen die Teuerung durch. Ein Schlagabtausch mit Überlänge.

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

 

Am Montag tagte das erweiterte Krisenkabinett zur Teuerung. Die Regierung nützte den Termin, um zu verkünden, dass die Gasspeicher mittlerweile zu 53 Prozent gefüllt sind und dass die versprochene "Entlastungswelle" ab August spürbar werde.

Der Opposition, die mit am Tisch saß, geht Letzteres bekanntlich zu langsam. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner war daher zu dem Thema in die „ZiB 2“ eingeladen.

"Auf einem guten Weg"

Rendi-Wagner gestand zunächst sogar zu, dass die Regierung „auf einem guten Weg ist, die Speicher so zu füllen, dass es für den Herbst und für den Winter zumindest einmal eine einigermaßen sichere Situation gibt, wir sind auf aber noch nicht am Ziel angelangt.“

Was die Teuerung betrifft, habe die Regierung „kein einziges Mal das Gespräch mit den Oppositionsparteien, mit den Parlamentsparteien gesucht, um über sinnvolle, umfassende Anti-Teuerungsmaßnahmen zu sprechen.“ Das habe sie erneut „massiv eingefordert“.

Armin Wolf sieht hier offenbar keinen erweiterten Gesprächsbedarf. Die Regierung sei ja "zum Regieren da" und es sei „ihr gutes Recht, dass sie das alleine macht, ohne die Opposition".

„In Krisen ist das Reden schon ganz gut, Herr Wolf“, kontert Rendi-Wagner.

Er wolle jetzt aber den Fünf-Punkte-Plan der SPÖ mit ihr kurz abarbeiten, meint Wolf. Wie sie diesen dreistufigen Plan sozial gestaffelt umsetzen wolle?

Rendi-Wagner wollte lieber noch einmal die Regierung kritisieren, diese habe „gar nichts Neues und Konkretes präsentiert, was die Teuerungsmaßnahmen betrifft, nicht einmal zu ihrer eigenen Ankündigung eines von uns ja seit Monaten geforderten Strompreisdeckels. Also das ist schon einmal heftig, das zeigt, dass sie ja jegliche Steuerung und Krisenmanagement abgegeben hat und die Verantwortung mehr oder weniger auf die Bevölkerung abschiebt, so wie das bei Corona im übrigen jetzt auch der Fall scheint…“

„Gut, Sie kritisieren die Regierung, das ist eh auch Ihr Job“, wirft Wolf ein.

Der Deckel ...

Rendi-Wagner wendet sich nun ihren vorgeschlagenen Maßnahmen zu. Ein Strompreisdeckel würde ja nicht ausreichen, meint sie, daher brauche es „ein sinnvolles Gesamtpaket, um die bereite Palette der Teuerungen für die Menschen auch abzudecken“. Die soziale Staffelung könne man bewerkstelligen, weil verschiedene Sozial- und Preisstufen bei den Energieerzeugern und Lieferanten bereits hinterlegt seien. „Das sind die GIS-Befreiten bis 1.200 Euro Einkommen pro Monat, dann kommt eine zweite Stufe, und dann alle, die über Höchstbeitragsgrundlage liegen“, sagt Rendi-Wagner.

Einen Deckel würde sie beim Durchschnittsjahresverbrauch einer Familie einziehen. „Alle, die mehr ausgeben, verbrauchen an Energie und Strom als einen Durchschnittsverbrauch, sollten einen regulären Marktpreis zahlen, die sollten keinen vergünstigten und gedeckelten Preis haben.“

Wolf zeigt sich überrascht, „dass der Energieversorger weiß, wer wie viel Sozialversicherung bezahlt, aber ich nehme das jetzt einmal zur Kenntnis.“

... und was er kosten soll

Nun geht es um die budgetären Kosten dieses Energiepreisdeckels.

Rendi-Wagner rechnet für Gas und Strom mit einer Summe von 3 Milliarden Euro.

Wolf nennt nun den von der SPÖ geforderten Deckel für Benzin- und Dieselpreise auf 1,50 pro Liter. Was der kosten würde?

Rendi-Wagner schlüsselt das nicht genau auf, das gesamte SPÖ-Paket koste fünf bis sechs Milliarden Euro.

„Kann sich nicht ausgehen“, erwidert Wolf. „Drei Milliarden geben Sie für Strom und Gas aus, Benzin und Diesel werden in Österreich zehn Milliarden Liter im Jahr vertankt. Wenn Sie den Preis um einen halben Euro senken, sind Sie alleine da schon bei fünf Milliarden.“

Rendi-Wagner bezieht sich hier auf das Preisgesetz und fordert den Wirtschaftsminister auf, „dafür zu sorgen, dass Großhandelspreise nicht extrem überstiegen werden bei den Endkundenpreisen." Sie sei in Italien gewesen, „da sind die Preise für Benzin wesentlich billiger und günstiger als das derzeit in Österreich der Fall ist, weil in Österreich offenbar für die Kunden etwas aufgeschlagen wird. Das muss doch eine Preiskontrolle eindeutig verboten oder sagen wir untersagt werden.“ Sie auch für eine Aussetzung der Mehrwertsteuer.

Wolf zieht wieder den virtuellen Taschenrechner aus der Tasche: „Gut, diese Kontrolle würde 20 Cent bringen, haben Sie gesagt, das wären bei zehn Milliarden Liter erst zwei Milliarden..."

Mit dem Aussetzen der Mehrwertsteuer würden die 1,50 Euro ungefähr erreicht, meint die SPÖ-Chefin.

Das wären wiederum Kosten von drei Milliarden, rechnet der ORF-Interviewer vor.

Die Sache mit der Mehrwertsteuer

Rendi-Wagner wagt sich nun in die höheren Sphären der Bilanzrechnung: „Aber Mehreinnahmen von Mehrwertsteuern haben wir ja auch, das sind ja keine Zusatzkosten, Herr Wolf.“ Das seien „ja nicht Ausgaben, die der Staat zusätzlich leisten muss, sondern das sind Ausgaben, die der Staat einfach für einen gewissen Zeitraum aussetzt, das heißt, hier kostet es nichts zusätzlich, sondern der Finanzminister kriegt etwas weniger.“

Hmmm. Weniger Einnahmen sind etwas, das den Finanzminister nichts kostet?

Wolf zeigt sich bewusst verwirrt, will das aber nicht weiter erörtern. Laut Fachleuten, die das als „Gießkanne“ kritisieren, wie Fiskalratschef Christoph Badelt, würden Menschen mit großen Autos, die besonders viel fahren, besonders profitieren. Mitten in der Klimakrise sei das auch noch das völlig falsche Signal, „sagen auch alle Fachleute“.

Die höheren Spritpreise hätten schon „dazu geführt, dass viele Menschen, die es sich einfach nur mehr schwer leisten können, Auto zu fahren, aber darauf angewiesen sind … weniger Auto fahren.“

Klimatechnisch wäre das ja zu begrüßen. Sagt Rendi-Wagner aber nicht. Weil, das sei „für Pendlerinnen und Pendler, Alleinerzieherinnen, die aufs Auto angewiesen sind, wo keine Öffis vorhanden sind im ländlichen Bereich, eine schwierige Situation.“

"Herr Wolf"

Im Verhältnis sieht sie die Preisreduktion als gerecht. „Weil wenn jemand, der 1.500 Euro im Monat verdient, aufs Auto angewiesen ist, dann ist er von dieser Spritpreissteuerung ja wesentlich mehr betroffen als jemand, der 4.000, 6.000 Euro im Monat verdient.“ Da sei "eine Frage der Verhältnismäßigkeit, Herr Wolf.“

Der gibt sich damit nicht zufrieden: „Aber trotzdem helfen Sie jemandem, der ein riesiges Auto mit Riesenverbrauch hat, oder mehrere Autos in der Familie hat, natürlich viel mehr, obwohl er es viel weniger braucht.“

Hier kommt kein Gegenargument. Der Zweck soll die Mittel heiligen. Die SPÖ-Chefin sagt: „Ich will, dass den Menschen geholfen wird, ich will, dass jemand, der auf das Auto angewiesen ist, sich das Auto weiter leisten kann, das muss sichergestellt sein.“

Tempolimit: Ja, nein, vielleicht?

Wolf zitiert den Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser, der ein temporäres Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen vorgeschlagen habe („Hat übrigens Kreisky 1973 während der Öl-Krise auch eingeführt“). Ob Tempo 100 Parteilinie sei?

Rendi-Wagner will auch hier (zunächst) lieber die Autofahrer streicheln. Kaiser habe diese Möglichkeit nur als Ultima Ratio eingebracht, „wenn alles andere bei der Energielenkung ausgeschöpft“ sei. Und hier lenkt sie den Blick wieder auf „genau diese Bundesregierung mit grüner Beteiligung“, diese habe „seit eineinhalb Jahren das Energiespargesetz, ist gleich Energieeffizienzgesetz nicht umgesetzt, Herr Wolf, in Zeiten wie diesen.“

Warum sie nicht für Tempo 100 sei, wenn Energiesparen doch sinnvoll sei, fragt Wolf.

Jetzt wird es etwas widersprüchlich. Denn Rendi-Wagner denkt jetzt doch über Tempolimits nach und formuliert das so: „Wenn man schon über Tempolimits nachdenkt, dann sollte man über Tempolimits auf Landesstraßen, Bundesstraßen reden, weil man dann gleichzeitig den Effekt hat, dass man die Verkehrsunfälle reduziert und die Verkehrssicherheit erhöht.“

Wolf möchte eine klare Positionierung: „Wollen Sie das, Tempo 80 auf allen Bundesstraßen?“

„Nein, es wäre eine überlegenswerte Geschichte.“

Überlegenswert, aber nein? Warum jetzt nicht? Oder doch? Im Zweifel hilft die Rückbesinnung auf den Oppositionsjob, die Regierungskritik.

„Aber ich denke, die Bundesregierung ist schon gefordert, wissen Sie, politisch gesehen…“

„Die Bundesregierung ist immer gefordert, aber wir wollen über Ihre Vorschläge jetzt sprechen“, entgegnet Wolf.

Roter Landesfürst Nummer 2

Wenn es nur das wäre, aber jetzt bringt er auch noch das D-Wort ins Spiel: „Landeshauptmann Doskozil, SPÖ, ist dafür, dass die CO2-Bepreisung, die schon auf Oktober verschoben wurde, weiter verschoben wird. Ist das Parteilinie?“

Weil es so aussehe, als würden die Preise weiter steigen, „weil ja nichts unternommen wird“, sei sie „mindestens für ein Aussetzen bis Ende des Jahres.“

Zurück zum Fünf-Punkte-Plan. Das Aussetzen der Umsatzsteuer auf Lebensmittel würde 2,5 Milliarden kosten, Wolf fragt Rendi-Wagner noch einmal, wie sie auf eine Summe von nur fünf Milliarden Euro komme.

Das betreffe nur Grundnahrungsmittel, erwidert Rendi-Wagner, „also die Lebensmittel des täglichen Bedarfs, damit jetzt kein Kaviar zum Beispiel hier subventioniert wird“. Das würde nur eine halbe Milliarde Euro kosten.

Also doch Kosten für den Finanzminister.

Wolf bezweifelt sinngemäß, dass man das so genau voneinander abgrenzen kann. Erneut kommt die Kritik am Gießkannen-Prinzip: „Das würde auch denen helfen, die es gar nicht brauchen.“

„Grundnahrungsmittel brauchen echt alle“, sagt Rendi-Wagner.

Dieser Satz ist jetzt wirklich nicht bestreitbar.

Wolf: „Ja, aber Menschen, die viel verdienen, für die ist es völlig egal.“

Jetzt wird Rendi-Wagner persönlich: „Nein, Sie können nicht mehr Brot essen, Herr Wolf, als jemand, der halb so viel verdient wie Sie.“

„Völlig richtig“, meint Wolf, „aber Sie müssen das Brot für mich nicht billiger machen.“

Das will Rendi-Wagner tatsächlich nicht, aber: „Sie sind proportional weniger belastet durch teures Mehl, durch teures Brot, durch teure Milch als die Alleinerzieherin mit 1.200 Euro monatlich.“

Roter Landesfürst Nummer 3

Dafür belastet Wolf die SPÖ-Chefin mit weiteren hartnäckigen Fragen zu den Kosten ihrer Ideen. Und ein roter Landesfürst fehlt noch, um Widersprüche in der Partei aufzudecken: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig.

Es geht um die Forderung nach Rücknahme der Erhöhung der Mietrichtwerte. „Aber warum macht die SPÖ das eigentlich nicht dort, wo sie kann?“ Wien habe die Richtwert- und Kategoriemieten um fast sechs Prozent erhöht. „Wie glaubwürdig sind Sie denn da mit Ihren eigenen Forderungen?“, fragt Wolf.

Ich denke, Sie können schon fast erraten, was nun kommt.

Rendi-Wagner für Tempolimit auf Bundesstraßen

Rendi-Wagner: „Also wissen Sie, ich meine, wir haben gesehen, dass bei Corona ein Fleckerlteppich alles andere als sinnvoll ist und ich denke, die Bundesregierung ist hier schon gefordert, das zu tun, was eine Bundesregierung in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 geschafft hat, was 2015 gemacht wurde, was in den zwei Corona-Jahren gemacht wurde, nämlich die Mietanstiege auszusetzen bei Richtwertmieten und Altbaumieten, das wurde nur heuer in der größten Inflation seit 50 Jahren von der Bundesregierung abgelehnt. Ich kann das nicht verstehen.“

Wolf erinnert daran, dass er nach Wien gefragt hat …

Rendi-Wagner meint, sie halte nichts davon, „dass die Wiener eine ausgesetzte Miete haben und die Innsbrucker, wo die Mieten sehr, sehr hoch sind derzeit, zum Beispiel mehr zahlen müssen. Jetzt sind Sie Tiroler und werden gleich widersprechen…“

Sie lacht.

Wolf: „Ja, ich widerspreche Ihnen, aber nicht wegen Tirol …“

Er widerspricht tatsächlich noch einige Male.

Der Traiskirchener SPÖ-Bürgermeister Babler habe die Mieterhöhungen auch ausgesetzt, sagt Wolf.

Rendi-Wagner: „Na sehr gut, ich finde es ja gut, wenn das jemand macht, wenn es in seinem Zuständigkeitsbereich ist, aber wissen Sie…"

„Warum macht es der Herr Ludwig nicht?“, fragt Wolf.

„Aber ich frage mich, warum macht es die Bundesregierung nicht?

„Ich frage Sie als SPÖ-Vorsitzende, warum macht es die SPÖ nicht?“

„Sie können gerne Michael Ludwig einladen und mit ihm über Wien diskutieren, aber…"

„Ich diskutiere mit Ihnen über die SPÖ. Also warum macht es die SPÖ nicht dort, wo sie es kann?"

„Sie macht es dort, wo sie es für sinnvoll erachtet, sie ist jetzt in Wien offenbar zum Standpunkt gekommen, dass sie es heuer nicht macht. Ich kann Ihnen dazu jetzt zu Wien - da fehlen mir auch die Details - nicht viel sagen.“

Noch einmal die Regierung

Wolf stört es nicht, dass Rendi-Wagner zu Wien nicht viel sagen kann, und fragt auch noch nach der drastischen Erhöhung der Fernwärmepreise.

Nun wartet bereits die Verabschiedung von 3sat wie ein Damoklesschwert. „Wir sind schon weit über der Zeit“, sagte Wolf, gab Rendi-Wagner aber noch Gelegenheit, die Aufhebung der Quarantäne zu kritisieren. Für sie ergebe sich in Summe „ein großes Risiko, das die Bundesregierung hier eingeht, die geht sehenden Auges hier ein Risiko auf Kosten der Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher ein.“

Wenngleich Rendi-Wagner hier zwischendurch ganz schön in Bedrängnis kam: Ein Ende mit dem Thema Bundesregierung ist für die SPÖ-Chefin immerhin ein gutes Ende.

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