Nehammer verzichtete auf Grillerei bei Puls 4 - dennoch wurde gegrillt
"Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*
Karl Nehammer sieht sich derzeit als Krisenkanzler und dokumentierte dies auch mit einer grundsätzlichen Entscheidung bei den "Puls 24 Sommergesprächen". Während sich sein Vizekanzler (aufgrund einer Corona-Erkrankung um eine Woche verspätet) zu der ländlichen Outdoor-Location im Wienerwald begab und sich dort beim Grillen und Zwiebelschneiden zeigen ließ, bat Nehammer die Puls4-Moderatoren Bianca Ambros und Thomas Mohr zu sich ins Bundeskanzleramt.
Am Anfang dankt er für die Flexibilität und sagt: „Das ist mein Arbeitsplatz, momentan gibt es einige Themen, die nicht nur besprochen sondern tatsächlich auch gelöst werden müssen.“ Der Locationwechsel habe es ihm ermöglicht, seinen Terminkalender einzuhalten - „weil mir das das Arbeiten gegen die Krise derzeit besser ermöglicht.“
Mohr spricht an, dass Nehammer insgesamt derzeit einen „Strategiewechsel“ eingeschlagen habe, mit einem abgesagten Familienurlaub und gecancelten Festspielbesuchen. Ob er solche Anlässe oder Bilder meidet, weil sein Image darunter leiden könnte?
Rückverlegbar
Nehammer erklärt, dass er den Familienurlaub in klassischer Form auf Kreta abgesagt habe, „weil die Situation zu instabil ist.“ Er spricht die fragile Situation um die Gaslieferungen aus Russland an.
Der Urlaub werde in mehrere verlängerte Wochenenden umgewandelt, "an Orten, die mit dem Auto immer schnell erreichbar sind und vor allem schnell rückverlegbar nach Wien, wenn irgendwas passiert.“
Vom Irenental nahe Purkersdorf (NÖ), wo die Puls4-Sommergespräche ansonsten aufgezeichnet werden, wäre Nehammer laut Routenplaner in 55 Minuten rückverlegbar zum Bundeskanzleramt. Offenbar müssen die verlängerten Wochenenden dann noch näher am Stadtzentrum stattfinden, um die Krisenfestigkeit des Kanzlers erhalten zu können.
Jedenfalls vermeidet Nehammer es so, beim lustigen Smalltalk am - horribile dictu - Gasgriller gefilmt zu werden. Er sitzt nun in offiziellem Setting vor Österreich-Flagge und EU-Flagge, lediglich die Obstschalen am Tisch erinnern an das eigentlich als locker vorgesehene Ambiente.
Gegrillt wird ohne Griller
Es folgt aber bereits nach drei Minuten eine weniger lockere Frage, die sogar in Richtung Grillen geht. Ambros: „Aber wenn Zeit fürs Krisenmanagement der Anlass ist für die Absage Ihres Urlaubs und auch anderer Events, warum fahren Sie dann durch die österreichischen Bezirke und besuchen Festzelte?“
Nehammer, nach kurzer Nachdenkpause: „Weil es auf der einen Seite wichtig ist, dass die Republik zeigt, dass Kultur wichtig ist, durch die Symbolik, und es gleichzeitig aber auch wichtig ist als Bundeskanzler, mit den Menschen im Gespräch zu sein, ihre Sorgen zu hören, ihre Nöte und Ängste, und derer gibt es leider derzeit zu viel.“ Er müsse beides erfüllen, hier im Bundeskanzleramt zu arbeiten und „für die Menschen greifbar“ zu sein. Das möchte er „irgendwie in Einklang“ bringen.
Nach vier Minuten das nächste unangenehme Thema. Ambros konfrontiert ihn mit Parteitagssagern wie „Jetzt kümmern uns die Viren nicht mehr“ oder „Alkohol oder Psychopharmaka“. Ob er manchmal zu sehr er selbst sei?
Scharfe Zunge
Nehammer lächelt kurz und meint, er müsse sich selbst maßregeln. Er erinnert - wie bei seinem ORF/Puls4-Antrittsinterview an selbem Ort - daran, dass er in der Schule Altgriechisch gelernt habe und zitiert: „Die Zunge ist oft schärfer als das Schwert.“ Er sei auf Parteitagen oft ironisch und diese Ironie werde dann nicht im Gesamtzusammenhang dargestellt. Wenn sich durch den Einzelsatz Menschen verletzt fühlen, dann tut mir das leid.“
Nach fünf Minuten dann ein richtiger Hammer. Mohr zitiert eine von Puls 4 in Auftrag gegebene Umfrage, laut der Nehammer im vergangenen Jahr nur 22 Prozent der Befragten mit seinen Vorschlägen überzeugt habe, unter befragten ÖVP-Wähler_innen auch nur 45 Prozent.
Während Nehammer also bereits am sprichwörtlichen Grill der Journalisten saß, durfte Regierungspartner Kogler noch darüber sprechen, dass er gerne zum Würstelstand geht und dass seine ärgste kulinarische Sünde gewesen sei, als Kind Krautfleckerl mit Ketchup gegessen zu haben.
Das Krisensetting im Kanzleramt verschaffte Nehammer wesentlich früher krisenbehaftete Fragen. Dafür nutzte er den Talk, um zu garantieren, dass die Wohnungen trotz Energiekrise auch im Winter warm sein werden (siehe Artikel unten).
Der Verdacht liegt ohnehin nahe, dass die oben zitierten Umfragewerte nur besser werden, wenn es die Regierung schafft, die Energiekrise und andere Krisen in den Griff zu kriegen. Sommergesprächs-Location hin oder her.
Scharfe Würstel im Büro
FPÖ-Chef Herbert Kickl, der am Donnerstagabend vor Nehammer an der Reihe war, und sich sehr wohl der Grillerei stellte, schafft es laut eigenen Angaben, seinen Arbeitsort und Grillwürstel zu verbinden. Kickl: „Ich mach das im Büro, lass' sie mir vom Würstelstand kommen, mit einer Schnitte Brot, scharfem Senf und scharfen Pfefferoni.“
Beim "Sommergespräch" durfte er die Würstel dann selbst auflegen. "Rechts hinten", meinte der Puls4-Grillmeister - was dem streitbaren Politiker sogar einen herzhaften Lacher abrang.
Kickl schien beim lockeren Smalltalk überhaupt in seinem Element, schnitt aus den Kartoffeln sogenannte „Kickl-Wedges“, erklärte so nebenbei, warum seine Partei in der Corona-Krise sowieso immer recht hatte, und brachte sogar noch die Information unter, dass er kein Lammfleisch mag.
Zu Pferdeleberkäse gab es keine Angaben.
TIPP: Die Sommergespräche von Puls 4 und Puls 24 zum Nachschauen
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