"Jeanny"-Darstellerin Theresa Riess: "Falco hat den Finger in eine Wunde gehalten"

"Jeanny"-Darstellerin Theresa Riess: "Falco hat den Finger in eine Wunde gehalten"
Falcos kontroverser Hit diente als Inspiration für den Thriller "Jeanny – Das 5. Mädchen" (20.15 Uhr, ORF2). Hauptdarstellerin Theresa Riess im Gespräch über ihre erste TV-Rolle, Feminismus und das Haareschneiden.

Als Falcos „Jeanny“ 1985 erschien, sorgte der Song für heftige Diskussionen. Der Text verharmlose Gewalt gegen Frauen, lautete einer der Vorwürfe – manche Radiosender reagierten mit einem Boykott. Am Erfolg des Hits konnte das nichts ändern: „Jeanny“ belegte wochenlang in mehreren Ländern die Spitzen der Charts.

Mehr als drei Jahrzehnte später wurde der Song zur Inspiration für einen Spielfilm: „Jeanny – Das 5. Mädchen“ feiert heute (Sonntag, 20.15) in ORF2 TV-Premiere. In den Hauptrollen zu sehen sind Theresa Riess und Manuel Rubey, der im Biopic „Verdammt, wir leben noch!“ (2008) den Falco gab .

Für Riess, die bisher vor allem auf Theaterbühnen aktiv war, ist es die erste große Filmrolle. Die kam „ob durch Zufall oder Schicksal – wie vom Himmel gefallen“, erzählt die 27-Jährige im KURIER-Gespräch. Sie verkörpert die 19-jährige Jeanny aus Mödling, die kurz vor der Matura steht, als sie den geheimnisvollen Steuerberater Johannes (Rubey) kennenlernt. Die beiden verlieben sich. Währenddessen befindet sich Mödling in Aufruhr: Vier junge Frauen werden vermisst, aus Angst hat man in der Kleinstadt eine Bürgerwehr gebildet. Und bald gerät ausgerechnet Johannes unter Verdacht, etwas mit den Vermisstenfällen zu tun zu haben.

"Jeanny"-Darstellerin Theresa Riess: "Falco hat den Finger in eine Wunde gehalten"

Freiheit

Den Dreh empfand Riess als „unglaublich spannend und unglaublich intensiv“, die emotionalen und gewaltvollen Szenen waren herausfordernd. „Auch die Abläufe beim Film kannte ich nicht. Insgesamt waren das alles Herausforderungen, die mich als Schauspielerin weitergebracht haben und für die ich sehr dankbar bin.“

Darunter war auch ganz Praktisches: Weil Jeanny im Film im Friseursalon der Mutter jobbt, hat Riess gelernt, Haare zu schneiden. „Während eines Lockdowns kam mir das dann zugute, als ich meinen Eltern die Haare geschnitten habe – und sie waren recht zufrieden“, erinnert sie sich schmunzelnd.

Die gebürtige Linzerin hat an der Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin studiert, hatte Auftritte an der Volksbühne und am Berliner Ensemble. Ein festes Theaterengagement wollte sie nicht annehmen: „Beim Film habe ich größere Freiheit in meinen Entscheidungen, welche künstlerischen Projekte ich angehen möchte. Das Theater ist absolut nicht passé für mich, aber im Moment konzentriere ich mich auf meine Filmkarriere.“

Explosionspotenzial

Riess ist auch als Jazzmusikerin aktiv (erst diese Woche trat sie im Wiener Café Korb auf) und hat im Vorjahr ein Philosophiestudium an der Universität Wien abgeschlossen. Einer ihrer Schwerpunkte: feministische Theorie. Wie sie vor dem Hintergrund den Falco-Song beurteilt? „Darüber könnte man einen ganzen Essay schreiben!“, so Riess lachend. „Ich bin der Meinung, Kunst darf sich auch heikler Themen annehmen und es ist grundsätzlich positiv, wenn durch solche Lieder Diskussionen entfacht werden. Und das Lied ist ja auch einfach sehr gut geschrieben!“ Falco habe mit dem Song „den Finger in eine Wunde gehalten und mit dem Explosionspotenzial dieses Themas gespielt. Interessant wäre, ob er es als Feminist gemacht hat oder ob er das Thema Gewalt gegen Frauen nur als Mittel zum Zweck für Aufmerksamkeit verwendet hat.“

Problematisch sieht Riess, dass Jeanny im Text und im Musikvideo „eine passive Rolle einnimmt, als Projektionsfläche dient, aber selbst nie zu Wort kommt“. Im Film sei das anders: Jeanny komme nicht nur zu Wort, sondern sei auch „ganz schön schlagfertig“. „In der Beschreibung steht, es geht um die Beziehung zwischen ,einem vermeintlich psychopathischen Stalker und dem Objekt seiner Begierde‘. Aus der Sicht des Stalkers stimmt das sicher. Aber der Film zeigt meiner Meinung nach Jeanny als Subjekt und unglaublich aktive, starke junge Frau, die auch selbst begehrt.“

"Jeanny"-Darstellerin Theresa Riess: "Falco hat den Finger in eine Wunde gehalten"

Steffen Schroeder und Patricia Aulitzky spielen die Eltern eines vermissten Mädchens
 

Geschwiegen

Als Feministin wolle sie sich auch in der Filmbranche für Werte einsetzen, die ihr wichtig sind, erzählt Riess. In ihrer Theaterzeit habe sie dazu oft geschwiegen – „auch aus Angst“. „Ich glaube, dass in der Kunstszene noch viel zu tun ist, was Geschlechtergerechtigkeit anbelangt und die Diversität an Personen, die in Filmen und im Fernsehen repräsentiert werden“, findet Riess. „Trotzdem muss ich sagen, erleben wir gerade eine sehr positive Entwicklung. Es bekommen immer mehr Drehbuchautorinnen und Regisseurinnen Anerkennung für ihre Arbeit.“ Insgesamt sei sie „sehr hoffnungsvoll“, was die feministische Perspektive in der Filmbranche angeht.

In die eigene Zukunft kann die Wahlwienerin jedenfalls optimistisch blicken: Sie bereitet sich schon auf die nächste Rolle vor. „Ich darf noch nichts Konkretes sagen, aber ich werde dieses Jahr noch drehen.“

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