HBO-Serie "Industry": Zwischen Koks und Konkurrenzdruck
Dass die Finanzwelt eine spannende Serienkulisse hergibt, ist kein Geheimnis. Das bewies zum Beispiel die hochgelobte deutsche Serie „Bad Banks“ mit Paula Beer und Désirée Nosbusch. Etwas weniger überzeugend versuchte sich daran die italienisch-britische Produktion „Devils“. Mit der HBO/BBC-Serie „Industry“ kann man seit dieser Woche bei Sky erneut in das Leben zwischen Glasfassaden, Zahlentabellen, Anzügen einerseits und durchfeierten Nächten, Sex und Drogen andererseits eintauchen. In Gegensatz zu „Bad Banks“ steht hier aber kein Thriller im Mittelpunkt, sondern vor allem das (Zwischen-)Menschliche.
Rauer Wind
„Industry“ handelt von einer Gruppe junger Berufseinsteiger, die im renommierten Londoner Finanzunternehmen Pierpoint Fuß zu fassen versuchen. Sie kommen frisch von der Uni, haben befristete Jobs und erfahren gleich am ersten Tag, welcher Wind hier weht: Sie sollen sich die anderen jungen Kollegen im Raum gut ansehen – nur die Hälfte von ihnen wird eine Fixstelle bekommen. Der Konkurrenzdruck ist entsprechend hoch.
Unter den Einsteigern ist etwa Harper (Myha’la Herrold) aus New York, die sich mit einem gefälschten Abschluss beworben hat. Yasmin (Marisa Abela) kämpft bei ihren Vorgesetzten vergeblich um Anerkennung – und wird in erster Linie zum Mittagessenholen eingeteilt. Robert (Harry Lawtey) versucht, seine Herkunft aus der Arbeiterklasse zu verschleiern, was ihm jedoch schon aufgrund der Kleiderwahl nicht ganz gelingt. Gus (David Jonsson) hat auf mehreren Eliteunis studiert und scheint sich besser einzufinden, eine Affäre mit einem Kollegen bringt ihn jedoch aus dem Konzept. Und Hari (Nabhaan Rizwan) verbringt vor lauter Angst, nicht fix genommen zu werden, die Nächte im Büro und hält sich mit Pillen wach – was sein Körper nicht lange mitmacht.
Sie alle lernen einander besser kennen, werden zu Freunden, Liebhabern und/oder Feinden. So genau ist das nicht immer zu unterscheiden.
Entbehrungen und Demütigungen
Kreiert wurde die Serie von Mickey Down („You, Me and the Apocalypse“) und Konrad Kay („Hoff the Record“), die beide selbst aus der Finanzwelt kommen. Regie bei der ersten Episode führte „Girls“-Schöpferin Lena Dunham. „Industry“ besticht nicht durch eine übergeordnete Handlung, sondern mit den Charakteren. Man will wissen, wie es mit ihnen weitergeht, wie sie sich entwickeln und wie lange sie die Erniedrigungen ihrer Chefs hinnehmen. Oder ob das gute Geld, das sie verdienen, all die Entbehrungen rechtfertigt.
Dass man sich hier die Nächte um die Ohren schlägt oder vor dem gesamten Team blöde Sprüche anhören muss, gehört anscheinend dazu. Den Druck, den die Protagonisten im Job aushalten müssen, entladen sie verständlicherweise in diversen Partys. Blöd nur, wenn man direkt vom Feiern in die Arbeit kommt und ausgerechnet dann ein schwerer Fehler passiert.
Was genau da an den Computern mit den vielen Zahlen eigentlich gearbeitet wird, bleibt jedoch oft rätselhaft. Da ist „Industry“ – anders als „Bad Banks“ – manchmal doch zu sehr mit den persönlichen Dramen beschäftigt. Sehenswert ist die Serie trotzdem. Eine zweite Staffel wurde bereits bestellt.
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