Facebook-Chefin Gifford: „Wir sind uns der Verantwortung bewusst“
„In der aktuellen Pandemie ist die Herausforderung durch Falschmeldungen noch einmal bedeutender als zuvor“, so Angelika Gifford zum KURIER. Die Facebook-Vizepräsidentin, zuständig für Zentraleuropa, ist zu Gast bei den Österreichischen Medientagen, die am heutigen Mittwoch starten (siehe Infobox unten). Dabei trifft wie jedes Jahr das Who ist Who der (heimischen) Medienbranche zusammen und diskutiert über verschiedene Baustellen, von der Zukunft der Printmedien über die Herausforderungen der Digitalisierung – bis zu Fake News, die gerade in den vergangenen Monaten verstärkt zum gesellschaftlichen Problem geworden sind.
Facebook arbeite deswegen daran, „Menschen verifizierte Informationen zur Verfügung zu stellen, aber auch Falschinformationen und unzulässige Inhalte zu entfernen bzw. einzudämmen“, erklärt Gifford. „Zum Beispiel haben wir über zwei Milliarden Menschen auf unser COVID-19-Informationszentrum und via Pop-ups auf Facebook und Instagram auf verifizierte Informationen von Gesundheitsbehörden wie der Weltgesundheitsorganisation aufmerksam gemacht.“
Drei Schritte
Erst vor Kurzem hat die Washington Post über eine Studie der New York University und der Université Grenoble Alpes berichtet, laut der Fake News auf Facebook sechs Mal mehr Likes, Shares und Interaktionen erzielen als Postings von vertrauenswürdigen Quellen. Widersprechen Maßnahmen gegen Fake News nicht bis zu einem gewissen Grad der Logik der Plattformen, wo Interaktionen ein wichtiger Bestandteil sind?
Weder die Nutzerinnen und Nutzer „noch wir haben ein Interesse daran, Falschinformationen auf unseren Plattformen zu sehen“, so Gifford. Seit Jahren gehe Facebook verstärkt dagegen vor und habe „enorme Fortschritte gemacht“. Das Unternehmen setze auf drei Schritte: „Wir entfernen Konten und Inhalte, die gegen unsere Gemeinschaftsstandards oder Werberichtlinien verstoßen. Wir reduzieren die Reichweite von Falschbehauptungen, die nicht direkt gegen unsere Richtlinien verstoßen, damit weniger Menschen sie sehen. Dafür arbeiten wir weltweit mit über 80 unabhängigen Faktencheck-Organisationen zusammen, die Inhalte in mehr als 60 Sprachen überprüfen.“ Durch Kennzeichnung von als falsch eingestuften Informationen und Warnhinweise klicken laut Gifford Nutzerinnen und Nutzer „in etwa 95 Prozent der Fälle den Inhalt letztlich nicht an. Dieses Beispiel zeigt mir, dass unser Ansatz effektiv ist.“
Hass bekämpfen
Facebooks Plattformen „spielen eine wichtige Rolle im täglichen Leben von Menschen überall auf der Welt. Wir sind uns der damit einhergehenden enormen Verantwortung bewusst und haben in den letzten Jahren riesige Fortschritte, etwa bei der Bekämpfung von Hassrede, gemacht. Die müssen wir aber noch besser erklären“, meint Gifford.
„Und was oft untergeht: Auf unseren Plattformen passieren zur überwältigenden Mehrheit positive Dinge. Mehr als 400 Millionen Menschen sind etwa in Facebook-Gruppen vernetzt, helfen sich gegenseitig oder sammeln Spenden für den guten Zweck. Menschen entdecken Veranstaltungen in der Nachbarschaft, etwa einen Tag der offenen Tür im Museum oder ein Live-Konzert.“
Frauenförderung
Bei den Medientagen wird Gifford jedoch nicht über Fake News sprechen, sondern ist gemeinsam mit Autorin und Unternehmerin Tijen Onaran beim Panel „Digital.Tech.Leadership“ eingeladen (morgen, 16 Uhr), wo es darum gehen soll, wie Managerinnen Zukunft gestalten. „Ich finde es wichtig, dass wir auf den Medientagen den Themen Digitalisierung und Frauenförderung auch eine Podiumsdiskussion widmen“, so Gifford.
In der Vergangenheit sei sie bei ähnlichen Veranstaltungen häufig als einzige Frau unter lauter Männern auf der Bühne gesessen: "Ich habe mich dann irgendwann entschieden, Einladungen auszuschlagen, wenn nicht mindestens eine weitere Frau an der Diskussion teilnahm. Wir können nicht einfach auf die Stimme, Meinung und Lebenswirklichkeit von 50 Prozent der Bevölkerung verzichten – egal ob von Männern oder Frauen."
Und wie gestalten Managerinnen die Zukunft, wie es in der Beschreibung der Diskussion heißt? „Auch wenn ich jetzt vielleicht verallgemeinere: Im Laufe meiner beruflichen Stationen habe ich häufig beobachtet, dass viele Kolleginnen eher dazu tendieren, in ihrer Arbeit und ihren Entscheidungen nicht sich selbst in den Vordergrund zu stellen, sondern den Gesamterfolg und damit ihre Teams. Männer dagegen, so zumindest meine Erfahrung, betonen tendenziell häufiger ihre ganz persönlichen Erfolge. Deshalb glaube ich, dass es uns Managerinnen unter Umständen leichter fällt, ein Team-zentriertes und damit diverses, inklusives Arbeitsumfeld zu fördern.“
Das tue Unternehmen langfristig gut, „denn viele Studien zeigen, wie Diversität den Weg zu höherer Innovationskraft und größerem langfristigen Geschäftserfolg ebnet“.
Zur Inklusion gehöre auch, "alle Mitarbeitenden auf dem Weg der digitalen Transformation gleichermaßen mit einzubeziehen und mitzunehmen. Digitalisierung hat schon seit einiger Zeit unsere Arbeitswelt sichtbar verwandelt, durch die Pandemie stark beschleunigt. Bei Facebook gehen wir mittelfristig davon aus, dass 50 Prozent unserer Mitarbeitenden dauerhaft virtuell aus der Ferne arbeiten und nicht mehr in einem unserer Büros sitzen", erläutert Gifford.
"Das kann enorm positive Auswirkungen auf Diversität haben, weil es uns Zugang zu Talenten ermöglicht, die sich vielleicht gar nicht für uns entscheiden würden, wenn sie für den Job etwa ihren Wohnsitz verlegen müssten. Das bedeutet aber auch, Führungskräfte müssen lernen, Mitarbeitende digital zu führen und hybride Teams anzuleiten."
Die 28. Österreichischen Medientage finden heute und morgen am Erste Campus in Wien mit beschränkter Teilnehmerzahl statt, Puls24 und horizont.at übertragen ganztägig.
Auf dem Programm stehen u. a. die Podiumsdiskussion „Tele-Visionen“ zur heimischen TV-Zukunft (heute, 12 Uhr), „Europa als Hollywood“ (heute, 14 Uhr), „Transformation und Technik – wer liefert’s?“ u. a. mit KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon (morgen, 15.20 Uhr) sowie zum Abschluss (morgen, ab 17 Uhr) ein Talk mit Gerald Fleischmann, dem Medienbeauftragten des Kanzlers. Das ganze Programm finden Sie unter horizont.at.
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