Die türkise ÖVP hat neben den offiziellen Kanälen einen wichtigen außenpolitischen Kanal aufgemacht, den es so eigentlich nicht gibt: Die Bild-Zeitung des Axel-Springer-Verlages war immer topversorgt mit Nachrichten aus Wien und hatte für Kurz vor allem eines in petto: Große Schlagzeilen, die selten unangenehm waren. Boulevard? Ja. Reichweite? Jawohl!
Reisen mit Verlag abgestimmt statt mit Merkel
Die Beziehung zwischen Wiener Kanzleramt und dem Axel-Springer-Verlag war so eng, dass man im offiziellen Berlin dem Vernehmen nach die Nase darüber rümpfte, dass die Deutschland-Reisen des Kanzlers enger mit dem Verlag abgestimmt gewesen seien als mit der damaligen Kanzlerin Angela Merkel. Neben dem über einen internen Skandal gestolperten Ex-Chefredakteur Julian Reichelt war dessen rechte Hand, Paul Ronzheimer, ein wichtiger Kontakt für Kurz. Ronzheimer veröffentlichte 2018 das Buch „Sebastian Kurz – Die Biografie!“, in dem er den damals noch 31-Jährigen Neo-Kanzler als politischen Superstar abfeierte.
"Bild"-Reporter für alle Fälle
Für Ronzheimer, der als Bild-Reporter für alle Fälle die Schlagzeilen von den Krisenherden aus aller Welt lieferte – er war in Afghanistan genauso wie aktuell in der Ukraine – hatte Österreich stets eine Sonderrolle eingenommen: Wann immer es in Wien kriselte, war der Krisenreporter zur Stelle. Und als Sebastian Kurz im Vorjahr zurücktrat, war es Ronzheimer, der in österreichischen Talkshows auftrat und als einer der wenigen unabhängigen Journalisten an ein Politcomeback des ins Trudeln geratenen Kurz glaubte.
Kurz-Kontakt Thiel
Der Einstieg in die Privatwirtschaft von Kurz gelang letztendlich über einen Unternehmer, der ebenfalls Einfluss im Axel-Springer-Verlag hat: Palantir-Chef Alexander Karp war knapp zwei Jahren im Aufsichtsrat und wurde danach Mitglied im wichtigen Aktionärsausschuss. Ein mächtiger Posten: In diesem Gremium treffen Eigentümervertreter des Fonds KKR, Springer-Chef Mathias Döpfner und Verlegerwitwe Friede Springer wichtige Entscheidungen für die Zukunft des Unternehmens treffen.
Der Mann, der Sebastian Kurz unter seine Fittiche nahm, heißt Peter Thiel, ein deutschstämmiger Silicon-Valley-Investor, der auch Palantir gründete. Kurz arbeitet seit heuer bei Thiel Capital als „Global Strategist“.
"Wer mit der Bild im Aufzug nach oben fährt, fährt mit ihr auch wieder nach unten", sagte Aufsichtsratschef Döpfner einst. Und so bekam die starke Achse Bild/Ballhausplatz diesen Sonntag eine ernste Delle ab: Kanzler Karl Nehammer war gerade von seinem Besuch beim ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenksij zurückgekehrt, als die Bild eine Sensation enthüllte und sogleich in den Boden versenkte.
Die Ukraine-Story
„Ösi-Kanzler plant Blitz-Reise zu Putin“, drang aus der Ukraine Richtung Berlin durch: „Dieser Plan sorgt für blankes Entsetzen in der Ukraine!“, schrieb der in der Ukraine stationierte Ronzheimer. Zahlreiche kritische Stimmen folgten – der internationale Dreh war damit gesetzt: Ein Kleinstaaten-Kanzler mache sich wichtig, in dem er als erster EU-Regierungschef zum mutmaßlichen Kriegsverbrecher Putin reise. Erst langsam kristallisierte sich am Montag heraus, dass diese Reise durchaus auch eine willkommene Sendboten-Charakteristik der EU haben dürfte: Bringt der Kanzler des kleinen Österreichs nichts zusammen, ist zumindest der Schaden nicht so groß wie bei den mächtigen EU-Staaten wie Frankreich oder Deutschland. Riskant? Ja. Weltfremd? Eher nein.
Der Ex-Springer-Mann bei Nehammer
Wiewohl der Draht zur aktuellen Bild-Führung etwas abgerissen sein dürfte, sitzt Axel Springer nun in neuer Form beim Wiener Kanzler: Ex-Bild-Chef Kai Diekmann, mittlerweile als Berater unterwegs, berät Nehammer. Und er war auch in der Ukraine mit. Zaubern kann auch er nicht: Verhindert hat er die Negativ-Schlagzeile über Nehammer nicht. Über Kosten und wer diese übernimmt, hüllte sich das Kanzleramt auf KURIER-Anfrage in Schweigen.
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