Die ROMY-nominierte Schauspielerin im Gespräch über die neue TV-Reihe „Conti“, ihre Erfahrungen als „Praktikantin“ bei Gericht, Reaktionen auf ihre Autobiografie und das Rollenangebot für Frauen ab 40.
Bereits als Jugendliche moderierte sie im Radio und Fernsehen, später überzeugte Désirée Nosbusch als Schauspielerin – etwa in der gefeierten Finanzthriller-Serie „Bad Banks“. Demnächst ist die ROMY-nominierte Luxemburgerin als Anwältin in der TV-Reihe „Conti“ zu sehen (15. April, ZDF). Dafür begleitete sie eine Strafverteidigerin bei der Arbeit – „sozusagen als Praktikantin“, wie Nosbusch erzählt. Im Interview spricht sie über die gewonnenen Einblicke in die Anwaltswelt, italienische Schimpfwörter, den Umgang mit Demütigungen, das veränderte Miteinander auf Filmsets und warum es bei der Besetzung von Männern und Frauen ein Ungleichgewicht gibt.
Die Schauspielerin
Désirée Nosbusch wurde 1965 in Luxemburg geboren. Ihr Vater war Luxemburger, ihre Mutter stammt aus Italien. Bereits als Jugendliche moderierte die mehrsprachige Nosbusch im Radio und TV, bevor es sie ins Schauspielfach zog. Sie studierte in den USA, wo sie fast 30 Jahre lang lebte.
Zwischenzeitlich war es ruhiger um Nosbusch geworden, bis sie 2018 in der ZDF-Serie „Bad Banks“ als Investmentchefin Christelle Leblanc reüssierte. Es folgten u. a. die ARD-Reihe „Irland-Krimi“, die RTL-Produktion „Sisi“ und der ZDF-Zweiteiler "Süßer Rausch" von Sabine Derflinger. Im Vorjahr erschien ihre Autobiografie „Endlich noch nicht angekommen“ (Ullstein Verlag) und sie drehte mit „Poison“ ihren ersten Kinofilm als Regisseurin. Ein Starttermin ist noch nicht bekannt.
Das ROMY-Voting
Nosbusch ist heuer in der Kategorie „Beliebteste Schauspielerin Serie/Reihe“ für eine ROMY nominiert. Das Voting läuft noch bis 19. März, abstimmen kann man auf romy.at.
KURIER:Sie sind demnächst in „Conti“ als Anwältin zu sehen. In der Vorbereitung haben Sie eine Strafverteidigerin begleitet. Was haben Sie da erlebt?
Désirée Nosbusch:Ich hatte das große Glück, dass Gül Pinar, eine Anwältin aus Hamburg, die in die NSU-Prozesse involviert war, mich eine ganze Woche lang mitgenommen hat – sozusagen als Praktikantin. Ich durfte im Gericht dabei sein und im Prozess daneben sitzen, durfte sie bei Gesprächen in der U-Haft und bei Seminaren auf der Uni begleiten.
Was haben Sie dabei gelernt?
Das Faszinierendste war, zu erleben, wie sehr man immer wieder differenzieren muss und wie schnell sich Grenzen verschieben können. Ich darf keine Interna aus den Prozessen ausplaudern, aber ich habe mich dabei ertappt, wie ich emotional auf einmal mit drin hing. Es war bewiesen, dass ein Mensch etwas getan hatte, aber weil er so nett war und gute Argumente hatte, dachte ich plötzlich: Mein Gott, jetzt lasst doch den armen Kerl, ist doch gar nicht so schlimm. Da habe ich gesehen, wie schwierig es ist, immer wieder zu den Fakten zurückzukehren, und war ganz glücklich, dass ich keine Anwältin bin (lacht). Einmal habe ich mich auch in eine Zelle einsperren lassen, weil ich wissen wollte, wie das ist. Es war ein Wechselbad der Gefühle und ich bin sehr dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte. Das ist auch das Spannendste an meinem Beruf: Wenn man im Vorfeld für eine Figur seine Puzzleteile sammelt und die dann hoffentlich zu einem Bild zusammenfügen kann.
„Conti“ soll eine Reihe werden. Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, zu sagen: Mit dieser Figur und ihrer Geschichte könnte ich mir vorstellen, mehr Zeit zu verbringen?
Nach „Bad Banks“ gab es den Wunsch vom ZDF und Studio Hamburg, etwas für mich zu entwickeln. Es gab viele Gespräche, bevor wir uns auf die Anwaltswelt geeinigt haben. Ich durfte bei der Figur mitreden; sie hat zum Beispiel italienische Herkunft, so wie ich. Ich finde es schön, dass es ein Format ist, das nicht in eine Schublade passt. Es ist kein klassischer Krimi, aber auch kein typisches Gerichtsdrama. Conti ist eine Figur, über die es noch viel zu erzählen gibt. Über die private Situation mit ihrer Mutter, die an Demenz leidet, oder über den Skandal, den es um sie gab und die Vorverurteilung in der Öffentlichkeit ... Also wenn man uns lässt, ist da noch Raum für sehr viel.
Und für noch mehr italienische Schimpfwörter, Conti flucht einmal auch schön.
Ja, das kam richtig aus dem Bauch (lacht). Ich habe gesagt, solange mich niemand fragt, was das bedeutet, fluche ich auch (lacht).
Anfang Mai sind Sie im ZDF auch im Film „Blutholz“ zu sehen, der in Rumänien spielt (auf Arte feierte „Blutholz“ bereits Premiere). Auf Instagram haben Sie ihn als „Herzensprojekt“ bezeichnet. Warum?
Zum einen, weil ich schon seit Jahren mit Joachim Król spielen wollte, aber auch wegen der Thematik. Es geht um das illegale Roden von Wäldern, Korruption, das Leben der Roma ... Für solche Stoffe muss es auch Platz im Fernsehprogramm geben. Das ist vielleicht nicht so kommerziell, aber wie ich finde sehr unterstützenswert. Als Schauspielerin hatte ich die Herausforderung, Rumänisch zu lernen. Ich durfte wieder eine andere Welt kennenlernen. Bis dato war ich nie in Siebenbürgen gewesen, kannte Weißkirch nur aus Erzählungen. Es ist so schön, wenn der Beruf es einem ermöglicht, dass man etwas lernt; wenn man reicher an Erfahrung und an Wissen nach Hause kommt.
Im Vorjahr ist Ihre Autobiografie erschienen. Welche Rückmeldungen haben Sie bekommen?
Es ist viel sachter und stiller verlaufen, als ich dachte. Ich hatte große Sorge, dass man sich auf gewisse Themen (im Buch wird Missbrauchserfahrung angesprochen, Anm.) stürzt und alles andere in den Hintergrund gerät. Das ist Gott sei Dank nicht passiert. Es ist kein Bestseller geworden. Ich bin auch nicht auf Verkaufstouren gegangen, was mir vom Verlag, glaube ich, ein bisschen verübelt wurde. Mir fällt so etwas wahnsinnig schwer. Ich kann super ein Projekt verkaufen, aber nicht mein Leben. Doch ich habe mir gedacht: Die, die es finden wollen, werden es finden. Und wenn ich Reaktionen zu dieser bestimmten Thematik bekommen habe, dann waren sie sehr wohlwollend und positiv. Es haben sich Frauen gemeldet, die ebenfalls Opfer „meines Schattens“ waren und die gesagt haben: Danke, dass du es ausgesprochen hast, ich habe mich nicht getraut. Diese Dinge waren es wert, dass ich das Buch geschrieben habe.
Sie beschreiben im Buch viele kleine bis große Demütigungen, die Sie in der Branche ertragen mussten: Von Medien, von Regisseuren oder von Hollywood, als Sie nach Ihrer Scheidung vom Filmkomponisten Harald Kloser nicht mehr "nützlich" erschienen und sich Menschen von Ihnen abwandten, wie Sie schildern. Sind seit Erscheinen des Buches manche auf Sie zugekommen, die gesagt haben: War doch nicht so okay, wie das damals abgelaufen ist, oder die sich vielleicht entschuldigt haben?
Nein, leider nicht. Ich habe nur gemerkt, dass einige einen Bogen um mich machen (lacht). Und einige waren, glaube ich, ganz froh, dass ich sie nicht beim Namen genannt habe. Aber ich wollte ja kein Rachebuch schreiben oder jemanden an den Pranger stellen. Das Gute ist, dass sich in der heutigen Zeit viel verändert hat. Gewisse Dinge müssen dann erst ins Extrem gehen. Im Moment merkt man, dass Menschen an einem Set vielleicht übervorsichtig sind, sich manches nicht mehr trauen oder sich gegenseitig fragen: Darf ich dich noch umarmen? Aber ich finde, es ist nie etwas zu viel, wenn es um Respekt und die Privatsphäre eines anderen Menschen geht. Und irgendwann wird sich das in einer gesunden Mitte einpendeln.
Aber fragen Sie sich rückblickend manchmal, wie Sie das ausgehalten haben?
Ja. Ich muss von meiner italienischen Großmutter eine gute Portion Kraft mitbekommen haben. Gott sei Dank empfinde ich nie Rachegefühle, Neid, Missgunst oder Schadenfreude. Das sind alles Dinge, die einen selbst mitvergiften. Ich schaue selten zurück, weil ja nicht alles schön war und man nicht immer an alles erinnert werden will. Aber ich bin froh, dass ich mir den Glauben an das Gute bewahrt habe und weiterhin Menschen vertrauen kann. Ich möchte nicht die bestrafen, die es gut meinen, nur weil es andere nicht getan haben.
Sie sind aktuell viel beschäftigt. In Ihrem Buch thematisieren Sie aber auch, dass es für Frauen mit zunehmendem Alter schwieriger wird, Rollen zu bekommen. Erst kürzlich gab es die Kampagne „Let’s change the Picture“ von der deutschen Schauspielerin Gesine Cukrowski, die mit Kolleginnen auf diesen Umstand aufmerksam gemacht hat.
Ich finde es richtig und gut, dass sie das gemacht haben, denn wir sind nicht da, wo wir hinwollen. Das ist auch ein Appell an Autoren, Geschichten zu schreiben, wo Platz für uns ist. Ich merke als Produzentin in meiner Firma, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen. Es sind immer mehr Frauengeschichten gefragt und nicht mehr, wie früher, nur die Geschichten von Männern. Es gibt ein Ungleichgewicht, wenn 60-jährige Männer von 60-jährigen Männern gespielt werden und die 50-jährige Ehefrau daneben von einer 35-Jährigen gespielt wird. Da müssen wir gemeinsam dagegen ankämpfen und da müssen auch die 35-Jährigen sagen: Pass auf, ich finde, da bin ich nicht richtig dafür. Ich schätze mich glücklich, dass ich so viel arbeiten darf und sage immer: Hey, von Leuten wie mir gibt es noch viel mehr und sie haben auch ein Anrecht, zu spielen. Hier muss noch viel passieren.
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