Désirée Nosbusch: „Es ging mir nie darum, jemandem etwas zu beweisen“
Mit der Schauspielerei hatte sie eigentlich schon abgeschlossen, ihre Agentin sollte sie aus der Kartei streichen. Die Hoffnung auf ernstzunehmende Rollenangebote hatte Désirée Nosbusch aufgegeben, viele sahen in ihr ausschließlich die freche Jugendreporterin aus den 80ern.
Dann kam „Bad Banks“.
In der hochgelobten Finanzthriller-Serie überzeugt sie seit 2018 als Investmentbankerin Christelle Leblanc – und ist dafür auch für eine ROMY nominiert. Mittlerweile hat die 55-Jährige mit „Der Irland-Krimi“ auch die Hauptrolle in einer TV-Reihe übernommen. Im Interview erzählt die Luxemburgerin von den Schwierigkeiten, als Schauspielerin wahrgenommen zu werden und von ihrem Regieprojekt.
KURIER: Sie wollten die Schauspielerei schon aufgeben, weil es nicht so lief, wie Sie sich das gewünscht hatten. Wieso konnte „Bad Banks“ Sie umstimmen?
Désirée Nosbusch: Als ich hörte, dass Christian Schwochow (Regisseur der ersten Staffel, Anm.) mich treffen will, dachte ich erstmal: Wie bitte, hat er sich nicht vertan? (lacht) Ich kannte alle seine Filme und halte ihn für einen Ausnahmeregisseur. Allein der Gedanke, dass mich so jemand kennenlernen möchte und ich die Chance habe, zunächst beim Casting mit ihm zu arbeiten, war sehr verlockend. Als ich dann die Bücher las, dachte ich am Anfang nur: Wow! Ich selbst wäre nie darauf gekommen, mich für diese Rolle zu casten. Es hat mich dann gereizt, herauszufinden, was er in mir sieht, was ihn an Christelle Leblanc erinnern könnte. Als es dann geklappt hat, bin ich vor Freude, aber auch vor Erleichterung in Tränen ausgebrochen.
Also war ein großer Druck da?
Oja! Aber ich finde, man darf das auch nicht überbewerten. Ich liebe meinen Job über alles. Nichtsdestotrotz gibt es auch wichtigere Dinge auf der Welt. Mir ging es nie darum, jemandem da draußen etwas zu beweisen – das ist nicht mein Motor. Aber es war ein Dialog mit mir selbst. Wenn man sich etwas so sehr wünscht und versucht, da hinzukommen und dafür auch Einiges aufgibt – ich habe ja mit der Moderation aufgehört, in der Hoffnung, dass man mich dann als Schauspielerin sieht und erkennt – denkt man irgendwann: Habe ich mich selbst überschätzt? Sehe ich mich mit den falschen Augen? Jetzt bin ich mit mir selbst im Frieden. Wenn es morgen vorbei wäre, dann würde ich mich mit einem sehr warmen Gefühl zurückziehen und denken: Super, der Kreis hat sich für mich geschlossen und ich habe meinen Traum verwirklicht.
Und das ausgerechnet dank einer Serie über das wenig faszinierend klingende Thema Bankenwelt?
Am Anfang habe ich meinen Bruder, der in der Finanzwelt sehr erfolgreich ist, angerufen und gesagt: „Kannst du vorbeikommen, du musst mir helfen, Dinge zu entschlüsseln!“ (lacht). Aber ich fand es einen Geniestreich, wie unser Autor Oliver Kienle es geschafft hat, Figuren zu konzipieren, mit denen man in eine Welt eintauchen kann, mit der man sich vorher nicht unbedingt befasst hätte – also ich zumindest nicht! Man ist bereit, sich Dinge anzuschauen, die man vielleicht nicht immer auf den ersten Blick sofort versteht, aber die Figuren sind so stark, dass sie einen an die Hand nehmen und man mit geht.
Also war Ihnen als Luxemburgerin das entgegen dem Klischee eine fremde Welt?
Völlig! Das ist ja das Lustige, dass die Menschen denken, wir in Luxemburg wüssten grundsätzlich, wie es in der Finanzwelt zugeht. Ich komme aus dem Süden des Landes und aus einer Generation, in der es das in Luxemburg alles noch nicht so gab, wie heute – da drehte sich noch alles um die Stahlindustrie. Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie und mir war nichts ferner als die Finanzwelt. Mein Bruder ist da anders, der hat das studiert und ist da mit den Jahren reingewachsen. Aber ich bin wirklich so, dass ich mein Geld – übertrieben gesprochen – am liebsten noch unter der Matratze hätte, weil ich so groß geworden bin. Geld hat mich nie wirklich gereizt. Es ist schön, welches zu haben, es schafft Freiheiten, aber ich würde nicht meine Seele dafür verkaufen.
Christian Zübert, der Regisseur der zweiten Staffel von „Bad Banks“, hat Parallelen zwischen Film- und Finanzwelt gezogen. Sehen Sie die auch?
Ja, in gewisser Weise investiert man auch in der Filmwelt in Seifenblasen. Das ist absolut eine Parallele, die ich erkennen würde. Und dann ist es natürlich auch eine Form von Sucht, weil vor allem schneller Erfolg zu einer Droge werden kann. Wenn man nicht aufpasst und sich nur über die Anerkennung von außen definiert, ist das sehr gefährlich. Man kommt in ein Hamsterrad, will mehr, mehr, mehr. Da geht es auch irgendwann nicht mehr um die Nullen dahinter oder um das Geld, das damit verbunden ist, sondern einfach um eine Öffentlichkeit und die Angst vor dem Machtverlust, wie in „Bad Banks“ gut zu sehen ist.
Haben Sie diese Droge auch erlebt?
Es gab Phasen in meiner Karriere, da habe ich mein Lebensglück sehr viel mehr vom äußeren Erfolg abhängig gemacht, als gesund war. Gott sei Dank bin ich von zu Hause und von meinen Eltern mit einer großen Bodenständigkeit beschenkt worden, sodass ich dann doch sehr schnell wieder gemerkt habe, dass ein gutes Privatleben, zwei tolle Kinder, Freunde zu haben und einen gewissen Humanismus zu leben, sehr viel wichtiger ist. Das Wissen, dass mich all das ausmacht und ich nicht weniger wert bin, nur weil ich gerade keine Preise oder Auszeichnungen bekommen habe, um es jetzt mal plakativ auszudrücken, ist beruhigend. Aber es ist wie eine Waage, die man immer wieder aufs Neue justieren muss.
Frühe Karriere
Désirée Nosbusch wurde in Luxemburg geboren. Mit 12 Jahren kam sie zum Kinderradio, moderierte zahlreiche Jugendsendungen im deutschen Fernsehen, 1984 den „Grand Prix“.
Zweiter Durchbruch
Nosbusch lebte viele Jahre in den USA, wo sie zwei Kinder großzog. Um ihre Karriere war es ruhiger geworden – bis 2018 die Finanzthriller-Serie „Bad Banks“ kam. Staffel 1 ist aktuell auf Netflix zu sehen und in der „Bad Banks“-Nacht von 2. auf 3. April ab 0.50 Uhr bei ZDFneo.
Die Rolle der Christelle Leblanc war eigentlich nicht als Frau angelegt.
Ursprünglich waren zwei Männer in den Hauptfiguren vorgesehen. Es ist ein großartiger Fortschritt, dass diese Rollen mit zwei Frauen besetzt wurden. Dass der Erfolg das gekrönt hat, hat um so mehr bewiesen, dass auch Frauen in solchen Positionen und Rollen funktionieren. Ich hatte eine sehr schöne Erfahrung, vorletzte Woche während der Berlinale. Ich ging zum Einkaufen über den Ku‘damm und es kam plötzlich eine Frau auf mich zu, wahnsinnig elegant, eine Erscheinung. Und sie reichte mir die Hand und sagte: „Ich möchte Ihnen gratulieren. Wir kennen uns nicht, aber ich war die erste deutsche Investmentbankerin an der Wall Street. Sie haben das toll gemacht, genau so ist es.“ Und das zeigt mir einmal mehr: wir müssen wohl etwas richtig gemacht haben, mit dieser Serie.
Sie haben einmal gesagt, die junge Désirée sei Ihnen lange im Weg gestanden.
Ja, ich würde sogar sagen, die junge bis noch ins Erwachsenenalter hinein. Man kann’s positiv sehen und sagen: Wow, du hattest so eine tolle Präsenz. Aber was die Schauspielerei angeht, hatte ich schon das Gefühl, dass viele Regisseure und Produzenten immer nur die Désirée sahen und Schwierigkeiten hatten, sich vorzustellen, dass die Désirée auch hinter einer Rolle verschwinden kann. Und ich habe dieses Problem total verstanden, weil es uns als Zuschauer ja genauso geht, egal, was wir uns ansehen. Jetzt konnte die Désirée endlich hinter Christelle Leblanc verschwinden. Ich habe viele Fehler gemacht, ganz bestimmt, aber ich kann sagen, dass ich mich bemüht habe, meinen Weg gerade und ehrlich zu gehen – und das war mir immer das Wichtigste.
Mittlerweile haben Sie das Gefühl, „wieder zum Club zu gehören“, wie Sie einmal meinten. Sie sind in „Der Irland-Krimi“, und demnächst in „Meister des Todes 2“ im ZDF zu sehen. Wieder in Rollen von starken Frauen.
Es sind starke Charaktere, mit Narben, Verletzungen und Schwächen und das macht sie für mich wahnsinnig interessant und liebenswert. Stark alleine reizt mich nicht. Es sind Frauen, die hinfallen und wieder aufstehen und das ist auch mein Motto im Leben.
Was viele nicht wissen: Sie haben in den USA Regie und Filmproduktion studiert, haben dort auch einen Kurzfilm gemacht. Bleibt jetzt neben der Schauspielerei überhaupt noch Zeit für Regieprojekte?
Ich mache dieses Jahr meinen ersten Kinofilm als Regisseurin, im Spätsommer drehen wir. Es gibt ein Theaterstück, das heißt „Gift“, das auch in Deutschland sehr erfolgreich war, in einer Inszenierung – man höre und staune – von Christian Schwochow. Ich habe mir schon vor Jahren die Rechte gesichert und gemeinsam mit Lot Vekemans, einer großartigen holländischen Autorin, das Drehbuch entwickelt. Der Film ist jetzt finanziert und wir drehen im August, September. Und ja, das ist mal wieder eine harte Probe und ich werde demütig an die Aufgabe rangehen (lacht).
Auf der Webseite Ihrer Produktionsfirma liest man von einem „femininen Touch“, was bedeutet denn das?
Der feminine Touch ist automatisch dabei, weil wir eine Firma sind, in der fast nur Frauen arbeiten – das hat sich so ergeben. Wir arbeiten auch wahnsinnig gerne mit Männern. Meine Partnerin Alexandra Hoesdorff und ich haben die Firma vor zehn Jahren gegründet und wir haben viele Projekte produziert, bei denen Frauen Regie geführt haben und im Vordergrund standen. Das ist kein Mantra, aber natürlich wollen wir gute Frauen unterstützen. Wenn man sich den letzten Diversitätsbericht von 2018 ansieht – nur 22 Prozent der gesamten deutschen Kino-Minuten wurden von Frauen gemacht – dann wissen wir, wir sind noch nicht da, wo wir hingehören. Und ich empfinde es als meine Aufgabe, als Frau, die das Glück hat, in diesem Beruf zu arbeiten, gute Frauen zu fördern.
Traurig, diese Zahlen.
Schon, oder? Aber da muss man einfach dranbleiben. Was mich so wahnsinnig an meinem späten Erfolg freut, ist, wenn junge Kolleginnen auf mich zukommen oder auch Frauen, die in meinem Alter sind, und mir sagen: Désirée, du machst uns Mut, es ist nicht vorbei, wenn man eine 5 vorne stehen hat. Und ich habe das ja nicht geplant – ich habe immer nur meine Hausaufgaben gemacht und ich habe wahnsinnig Glück gehabt. Und dass ich mit meinem Glück, das mir widerfahren ist, andere ermutigen kann und sagen kann: Nein, es ist überhaupt nicht vorbei, im Gegenteil – das ist das Schönste, was man sich wünschen kann.
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