Kürzlich wurden die Chefs gewählt
Erst im Sommer war die ORF-Führung neu gewählt worden: Generaldirektor Roland Weißmann, Eva Schindlauer als Kaufmännische Direktorin, Stefanie Groiss-Horowitz als Programmdirektorin, Ingrid Thurnher als Radiodirektorin und Harald Kräuter als Technischer Direktor. Sowohl Schindlauer als auch Groiss-Horowitz gelten als grüne Personalwünsche. Eine heikle Gratwanderung für die Kontrollpartei: Hinter den Kulissen wurde eifrig mitverhandelt, vor dem Vorhang auf den „unabhängigen Stiftungsrat“ verwiesen.
Scharfe Kurve von Kogler
Der grüne Parteichef, Vizekanzler Werner Kogler, ordnete das in der Diskussionssendung Im Zentrum in einer seiner berühmten Satzgirlanden so ein: "Was den ORF betrifft, ging es vor allem darum sicherzustellen, dass dort nicht reinregiert wird am Schluss. Dort wurde aus unserem Antrieb heraus der Stiftungsrat eingeladen, kompetente Persönlichkeiten zu suchen, um sich zu bewerben." So knapp sah man den Grünen selten eine Kurve am eigenen Anspruch vorbei nehmen.
Türkis-Blau wollte sogar die Gebühren abschaffen
Was nicht vergessen machen soll, was die türkis-blaue Vorgängerregierung in Sachen ORF so alles vorhatte. Dort stand der FPÖ-Wunsch nach einer Abschaffung der Gebühren, also der finanziellen Grundlage des öffentlich-rechtlichen Senders, mit Unterschrift beider Seiten im Geheimabkommen.
Vorgeblich entpolitisiert
Das Treiben wirft einmal mehr ein Schlaglicht auf die vorgebliche Entpolitisierung des ORF. Die war unter Wolfgang Schüssel 2001 angestoßen worden. Wo vorher Politiker im obersten ORF-Gremium saßen, wurden nachher "unabhängige Stiftungsräte" entsendet. Der Haken: Die waren zumeist politische Gewährsleute, die alsbald sogenannte "Freundeskreise" bildeten. Einer der SPÖ, einer der ÖVP, ein blauer … Sobald mehr als eine Stimme einer Partei zuordenbar war, entstand eine politische Vereinigung im ach so entpolitisierten ORF.
Die Kanzlerpartei hat automatisch die meisten Stimmen, das sieht ein kompliziertes Bestellungsprozedere mit unterschiedlichen Beschickungen vor. Die Regierung darf etwa direkt neun Räte entsenden, von denen zwei grün sind, fünf türkis und zwei "unabhängig".
Was zunehmend für Verstimmung sorgt: Die Präsenz von PR-Unternehmern und Lobbyisten im Stiftungsrat. Auf der Regierungsliste stehen gleich zwei Personen, die im Lobbyingregister vertreten sind: die ÖVP-nahen PR-Experten Jürgen Beilein und Gregor Schütze. Lockl ist zwar nicht im Register, ist aber ein Intimus von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, den er auch offiziell berät. Beilein beriet den ÖVP-Klub im letzten Untersuchungsausschuss. Der SP-"Freundeskreis"-Leiter Heinz Lederer ist PR-Mann und sein ÖVP-Gegenüber Thomas Zach ist Strategie- und Unternehmensberater. Beide stehen im Lobbyregister. Über ihre Kunden ist wenig bekannt, daher auch nicht darüber, wie sie etwaige Interessenskonflikte mit der ORF-Redaktion vermeiden.
Redaktion ist sauer
Diese ist angesichts der Enthüllungen über die beiden koalitionären Sideletter verstimmt: Man sei "empört, mit welcher Dreistigkeit“ es ausschließlich um die Interessen „der politischen Parteien und Postenschacherei" gehe.
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