Der rot-grüne Phantom-Sideletter im Wiener Rathaus
„In Wien gibt es keine geheimen inhaltlichen Abmachungen in Sidelettern. Dafür ein ambitioniertes Fortschrittsprogramm mit 206 Seiten.“ So kommentiert Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) die nun bekannt gewordenen Praktiken auf Bundesebene. Bei der SPÖ Wien bestätigt man das.
Wobei es noch gar nicht so lange her ist, dass auch in Wien Koalitionsvereinbarungen neben dem offiziellen Regierungspakt für Debatten sorgten. 2015, als es zu einer Neuauflage der rot-grünen Koalition kam, war von einem Sideletter die Rede, in dem mehrere Punkte vereinbart gewesen sein sollen: 15 Aufsichtsräte in städtischen Unternehmen, die von den Grünen ausgesucht werden, ein Ausstieg aus den Frankenkrediten sowie eine Senkung des Budgets des Presse- und Informationsdienstes (PID) um ein Drittel.
Schon damals war umstritten, ob es ein solches Papier überhaupt gebe, sechs Jahre später lassen sich die Vorgänge umso schwerer rekonstruieren: „Was die Aufsichtsräte betrifft, handelte es sich um eine mündliche Vereinbarung“, ist aus grünen Kreisen zu vernehmen. Letztlich seien es aber 8 und nicht 15 gewesen. „Und unsere Delegierten haben davon gewusst.“
Aus Schaden klug
2010, bei der ersten rot-grünen Regierungsbildung, habe man auf eine solche Vereinbarung vergessen – mit dem Ergebnis, dass allein die SPÖ die Posten besetzte. „Im Sinne der Kontrolle wollten wir das ändern“, heißt es bei den Grünen. „Dass die Neos jetzt stolz darauf sind, keine derartige Vereinbarung getroffen zu haben, ist etwas kurios.“
Offen kommuniziert wurde 2015 auch die geplante Reduktion des PID-Budgets um ein Drittel. Wobei die Regierungsspitzen Michael Häupl und Maria Vassilakou in aller Öffentlichkeit debattierten, was genau damit eigentlich gemeint sei. „Diese Meinungsverschiedenheit zeigt, dass es eben auch dazu keine schriftliche Vereinbarung gegeben hat“, erinnert sich einer der damals von SPÖ-Seite Beteiligten. „Ich habe jedenfalls diesen angeblichen Sideletter nie zu Gesicht bekommen.“
Umgesetzt wurden diese Vereinbarungen jedenfalls allesamt.
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