Teststation in der "Tenne": ATV-Doku über "Winter der Einheimischen"

Teststation in der "Tenne": ATV-Doku über "Winter der Einheimischen"
Der Privatsender ATV besuchte für "Pistenzauber trifft Pandemie" im zweiten Corona-Winter Skigebiete in ganz Österreich.

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

ATV zog am Mittwochabend eine Bilanz zum praktisch nicht vorhandenen Wintertourismus in der Corona-Saison 2020/2021. „Pistenzauber trifft Pandemie“ nennt sich die Reportage, die zwischen Hohe-Wand-Wiese und Kitzbühel gedreht wurde.

Wobei sich der Pistenzauber aktuell freilich in Grenzen hält. Die nackten Zahlen zeigen einen Nächtigungsrückgang von bis zu 90 Prozent (etwa in Kitzbühel), Wirtschaftsforscher Oliver Fritz nennt einen landesweiten Umsatzverlust von jedenfalls 14 Milliarden Euro.

Keine Gaudi

In Schladming spricht man vom „Winter der Einheimischen“. Man sieht einen leeren Wintercampingplatz. Ja auch das gibt es.

Ehepaar Mandl aus Gratkorn (Stmk), das dort einen Zweitwohnsitz angemeldet hat, ist allerdings legal angereist. Die beiden sitzen vor ihrem geräumigen Campingmobil. "Wir sind zwar da, aber es ist nicht so wie immer", sagt sie. "Die Gaudi ist nicht so, wie es die Jahre davor war", sagt er.

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Dass das Skifahren für die Einheimischen freigegeben wurde, sorgte bekanntlich für Unmutsäußerungen im Land. Bilder von überfüllten Liftstationen seien zum Symbol einer „ungleichen Behandlung“ geworden, sagt Politikberater Thomas Hofer. Während man so manche ungeschickt formulierte Verordnung wieder vergesse, würden diese Bilder in den Köpfen hängen bleiben, sagt er.

Der derzeit so wie alle anderen Bühnen geschlossene Wiener Rabenhof setzt mit Ironie genau auf diese Thematik auf und erklärte das Theater im Gemeindebau zum Skiressort. Er habe nichts gegen den Skisport einzuwenden, sagt Thomas Gratzer, aber die Bilder von vollgestopften Gondeln seien "a bissl schiach“ gewesen. An die Politik sei schon die Frage zu stellen, warum hier „mit zweierlei Maß gemessen“ werde,

Blechlawinen

Am Semmering argumentiert Bürgermeister Hermann Doppelreiter, dass Skifahren ein Freiluftsport sei, wodurch es zu weniger Infektionen komme als in geschlossenen Räumen. Aber auch am Semmering entstanden unschöne (laut ATV weltweit verbreitete) Bilder von vollgestopften Rodelwiesen und Blechlawinen auf der Passstraße. Ein Einheimischer fragt sich, warum die Leute sich das überhaupt antun. Sie hätten teilweise um halb vier am Nachmittag zwei Kilometer Stau beobachtet. Er habe sich gefragt: "Wenn's heroben sind, ist es finster. dann können's heimfahren. Warum stehen die noch?"

Im Kärntner Innerkrems hat man die Lifte gar nicht erst aufgesperrt. „Wenn die Gastronomie zu ist, ist es nicht möglich die Lifte kaufmännisch zu führen“, sagt Bergbahnenbetreiber Heinz Kausch. ATV spricht mit Günther Wilscher, 2018 war er noch „Liftwart des Jahres“, in dieser Saison ist er arbeitslos.

Teststation in der "Tenne": ATV-Doku über "Winter der Einheimischen"

Bier wegschütten

Im Hecherhof im Bezirk Schwaz lagert Bier im Wert von rund 45.000 Euro. „Im schlimmsten Fall muss ich alles wegschütten“, sagt Hüttenwirt Wolfgang Schulze-Boysen. Er darf seit 24. Dezember nicht einmal Takeaway anbieten, weil das Haus keine Anbindung an eine öffentliche Straße hat. Daher musste er nach Öffnung der Skilifte - mitten im Betrieb - zusperren. Dagegen hat er eine Individualbeschwerde beim VfGH eingelegt. „Ich bin ein Wirt und kein Almosenempfänger. Ich will, dass wir alle mit denselben Karten spielen“, sagt er.

Der „Wuff“, wie er genannt wird, agiert nicht im Stile eines Wutwirts. Die ATV-Doku aus der Reihe „Aktuell im Fokus“ verzichtet überhaupt auf knallige Formulierungen vor den Werbepausen. Recht unaufgeregt führt Reporterin Jenny Laimer durch die Sendung, präsentiert Zahlen und Fakten, befragt Verantwortliche und Einheimische. Dadurch, dass die Doku ein umfassendes Bild aus der ganzen Skination zeigen möchte, geht vielleicht da und dort etwas die emotionale Tiefe ab. Auf Befragungen in Ischgl, dessen Après-Ski-Drama der ORF ja in zwei „Am Schauplatz“-Dokus abgebildet hat, verzichtet man hier gleich zur Gänze

Testen in der Tenne

Dennoch gibt es ein paar Schmankerl. Etwa, dass in der berühmten Hohenhaus Tenne im Zielstadion von Schladming, wo ansonsten zu dieser Zeit Schnapsbretter herumgereicht werden, eine Teststation eingerichtet ist. "Es fühlt sich natürlich irgendwie witzig an", sagt Corona-Beauftragter Peter Weichbold.

Und im Tiroler Jochberg, wo es den britischen Skilehrer-Cluster gab, wird das typisch Tiroler „alles richtig gemacht“ sogar noch ausgebaut. Alois Reichholf, Leiter der örtlichen Skischule, sagt: „Wir haben nicht nur alles richtig gemacht, sondern sogar a bissl besser.“ Man habe alle aus beruflichen Gründen anwesenden Gäste durch einen Arzt „auf eigene Kosten testen lassen“. Wilde Partys? Gab es nicht, das hätten alle polizeilichen Verhöre ergeben.

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Anschließender Polit-Talk

Auf das schlechte Image, das manche Vorfälle und manch widerwilliges Handeln in Tirol dem Tourismus gebracht haben könnte, wird später auch in dem von Meinrad Knapp geleiteten Talk eingegangen. Hotelier und Neos-Tourismussprecher Sepp Schellhorn meint: „Tirol hat dem Land schon einen Bärendienst erwiesen. Wenn es einen Monat dauert, vom ersten Auftreten der Mutation bis zum Inkrafttreten einer Quarantäneverordnung; dann frag ich mich schon, was ist mit dem Land los?“ Österreichs Tourismus lebe „vom internationalen Markt. Wenn es darum geht, Sicherheit zu vermitteln, sind wir schlecht ausgestiegen.“

Aber zurück zur Doku: In Schladming versuche man „höllisch aufzupassen, dass nichts passiert,“ sagt Georg Bliem, Geschäftsführer der Planai-Hochwurzen-Bahnen GmbH. Man mache dieses Jahr mit dem Betrieb der Seilbahnen „sicher Verluste“. Aber indem man bereits in dieser Saison ein umfassendes Sicherheitskonzept umsetze, hege man "die Hoffnung, dass die Gäste das zurückzahlen.“

Technischer Schnee

Als ob die diversen Virusmutationen nicht schon schlimm genug für den Wintertourismus wären, wird dann auch noch der Klimawandel thematisiert. ATV-Wettermann Manuel Kelemen erklärt, dass Osterskilauf künftig in niedrigeren Lagen „immer schwieriger“ wird, das Sommerskifahren werde über kurz oder lang „ein Auslaufmodell“ sein.

Aber war es jemals wirklich in?

Der Bedarf an technischem Schnee werde in den nächsten Jahren jedenfalls zunehmen, heißt es. Ja, Sie haben richtig gehört. Man sagt technischer Schnee und nicht Kunstschnee, weil es ja tatsächlich Schnee sei, nur eben technisch hergestellt.

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Jenny Laimer auf der Hohe-Wand-Wiese nahe Wien. Hier gibt es aufgrund der schlechten Schneesituation nur noch einen Plastikteppich für Ski-Anfänger

Den Touristen aus Deutschland wird es egal sein, ob man auf technischem Schnee oder auf Kunstschnee fährt. Sie werden wieder nach Österreich kommen, ist ARD-Korrespondentin Andrea Beer überzeugt. Auch wenn in diesem Winter „ein Trauerspiel, zweiter Akt“ aufgeführt worden sei. Es sei „fast schon unverschämt“ gewesen, wie sich die Tiroler Politik verhalten habe. Die „vollkommene Uneininsichtigkeit“ angesichts der hohen Zahlen der Mutante sei im Nachbarland schon ungut aufgefallen, „weil es mit Ischgl verbunden worden ist“.

Zuversichtlicher Klammer, kritische Werdenigg

Skilegende Franz Klammer befürchtet nicht, dass der schlechte Ruf am Skifahren dauerhaft kleben bleibt. „Skifahren ist ein zu schöner Sport, als dass sich die Leute das nehmen lassen wollen“, sagt er. Österreich sei nach wie vor eine „extreme Skination“. Er mache sich eher Sorgen um die Jugend, die durch zahlreiche ein „Überangebot“ an „Nebengeräuschen“ in der hochtechnisierten Welt vom Skisport entfremdet werde.

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Ex-Skirennläuferin Nicola Werdenigg hält als kritische Beobachterin den Status als Skination Nummer eins ohnehin für nicht mehr für haltbar. „Seit gut 20 jähren wissen wir, dass es rückläufig ist. Viele können sich das nicht mehr leisten.“ Aber es tue „dem Selbstvertrauten der Österreicher gut, wenn man sich an anderen Dingen orientieren kann, sei es Kunst oder andere Sportarten oder sich gar nicht mehr so national festhalten muss.“

„Man vergisst schnell wieder“

Die Touristiker werden es anders sehen und ob der Wintertourismus nun tatsächlich nachhaltiger gestaltet wird, wie sogar der plötzlich streichelweiche Tiroler Wirtschaftskammerchef Christoph Walser in der anschließenden Diskussion andeutete, ist eher zu bezweifeln.

„Man vergisst schnell wieder“, sagt man in Schladming.

Maria Hauser vom Stanglwirt, wo am Hahnenkamm-Wochenende sonst immer die große Weißwurstparty angesagt ist, berichtet, dass dieses Jahr aus aller Welt Bilder geschickt wurden, auf denen die Fans zuhause Weißwürste brühen und sich in Lederhosen und Dirndl geschmissen haben. „Wir vermissen es so“, würden die Leute schreiben.

Und auch der Liftwart aus Innerkrems hat recht traditionelle Erwartungen an die Zukunft: „Ski Heil und wir foan wieder bis zum Saisonende.“

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