Josefstadt-Direktor Föttinger: "Ich will mein Publikum nicht selektieren“
Nach dem 18. Jänner sollen die derzeit geschlossenen Theater unter Einschränkungen (weniger Besucher) wieder öffnen können. Besucher aber sollen nur mit negativem Corona-Test eingelassen werden. Der Direktor des Theaters in der Josefstadt, Herbert Föttinger, verwehrt sich dagegen, das zu kontrollieren.
KURIER: An der Fassade des Theaters in der Josefstadt wird gerade am Plakat mit der Aufschrift „2021 schimmert wieder das Bühnenlicht“ gewerkt. Nehmen Sie das eh nicht ab, weil doch kein Theater stattfinden wird?
Herbert Föttinger: Nein. Ich bin voller Zuversicht, dass wir 2021 das Bühnenlicht schimmern sehen werden. Aber im Moment ist es geboten, das Plakat durch ein anderes zu ersetzen.
Mit welcher Aufschrift?
Das Theater in der Josefstadt wird Ihren Gesundheitszustand nicht kontrollieren.
Sie meinen: Keine Kontrolle, ob die Besucher getestet wurden?
Genau. Durch die Öffnung der Kultur will man eine Testpflicht der Bevölkerung erzwingen und benutzt die Theater als unfreiwillige Komplizen. Es ist einerseits sehr durchschaubar, dass es sich um einen Probelauf für eine indirekte Impfpflicht handelt. Andererseits ist es eine Form der Nötigung, deren Umsetzung aus Angst um den Imageverlust an die Theaterdirektoren weitergegeben wird.
Was stört Sie daran so?
Ich bin Theaterdirektor, das ist nicht meine Aufgabe. Ich bin nicht der Blockwart der Bundesregierung. Ich bin der festen Überzeugung, dass ich das Publikum nicht selektieren darf und vor allem will ich es nicht selektieren. Ich bin als Direktor angetreten um zu sagen: Kommt alle rein, nicht um eine Auswahl zu treffen, wer dieses Theaters würdig ist und wer nicht. Wir werden ganz sicher niemanden nach einem Testbeleg fragen, geschweige denn nach einem Impfpass.
Aber das wäre doch für das Publikum eine zusätzliche Sicherheit!
Ich muss Ihnen sagen: Wir haben ein hervorragendes Präventionskonzept. Unser Publikum ist sicher. Es gibt keine einzige Clusterbildung im Theater.
Aber das weiß man nicht, weil das Contact Tracing zusammengebrochen ist.
Wenn es zu einer Clusterbildung im Theater gekommen wäre, dann hätten wir das auch mitbekommen. Wir hatten einen einzigen Fall, bei dem eine im Nachhinein positiv getestete Person im Publikum saß– wir mussten selbst deren Sitznachbarn kontaktieren, weil die Gesundheitsbehörden nicht einmal zurückgerufen haben. In der Josefstadt hatten wir zwischen März und Dezember bei 450 MitarbeiterInnen zehn Corona-Fälle – und unser Sicherheitskonzept funktioniert so einwandfrei, dass es zu keiner einzigen Weiterübertragung innerhalb des Theaters gekommen ist. Es gibt keine Infektionsketten in der Josefstadt! Wir testen beinahe täglich. Wenn in den Alten- und Pflegeheimen ähnlich strenge Sicherheitskonzepte verlangt und auch durchgeführt worden wären, müsste man nicht so viele Tote beklagen. Die Bundesregierung hat beim Schutz der Schwächsten versagt. Dort muss etwas gemacht werden, aber es gibt keinen Grund, im Theater ein Testergebnis zu verlangen.
Doch: Wenn in der Verordnung steht, dass Theater nicht anders aufsperren dürfen.
Aber es ist sicher nicht meine Aufgabe, das zu kontrollieren. Ich lese, dass die Exekutive stichprobenartig kontrollieren soll. Stellen Sie sich vor, vor der Vorstellung kommen zehn Polizisten und fragen die Menschen nach dem Impfpass! Bei dieser Vorstellung wird mir übel!
Das ist doch machbar.
Viele Scheußlichkeiten sind machbar. Aber der Weg, der hier genommen wird, ist absurd und gefährlich. Wenn man will, dass die Menschen sich impfen lassen, muss man auch zu einer Impfpflicht stehen. Aber nein, man sagt: „Wenn du nicht geimpft bist, darfst du halt an den schönen Dingen des Lebens nicht teilhaben. Deine Entscheidung.“ Wenn es sein muss, dann darf man sich vor klaren Ansagen einfach nicht drücken. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin wirklich kein Gegner der Impfung! Aber ich möchte nicht der sein, der eine Überwachung exekutieren muss.
Aber in bestimmte Länder kann ich jetzt schon nur mit Gelbfieberimpfung einreisen.
Wenn es zur Bekämpfung der Pandemie nötig ist, dann muss man zu einer Impfpflicht stehen, auch wenn es Wählerstimmen kostet!
Und jetzt, was heißt das für die Josefstadt?
Im Jänner wird gespielt, an Nachmittagen am Wochenende, anders geht es nicht wegen der abendlichen Ausgangssperre. Dazu fällt mir ein Bibelzitat ein: “Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun”. Denn wenn man davon ausgeht, dass nur Getestete, also Gesunde, im Theater sitzen – warum muss man dann die Vorstellung um 19 Uhr beenden? Dass es schwer ist, wissen wir alle, aber das Unverständnis über konkrete Handlungsweisen der Regierung nimmt immer mehr zu.
Manche sagen: die Theater besser zulassen.
Ja, dann schließt man jene Betriebe, die am sichersten waren. Vielleicht wäre es im Vergleich zur jetzigen Lösung aber die bessere Variante gewesen, Ich habe der Kunststaatssekretärin auch vorgeschlagen, bis 1. März geschlossen zu halten oder mit 150 statt 250 Besuchern zu spielen. Ökonomisch ist das eh schon wurscht. Es ist eine Katastrophe.
Bestandsgefährdend?
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Bundesregierung zahlt den Einnahmenentfall, oder sie muss die Josefstadt zusperren. Wir haben das ja nicht verschuldet. Bei beiden Lockdowns wurden die Theater als erstes zugesperrt. Das zeigt auch den Stellenwert, den das Theater hat. Man redet zwar von einer Kulturnation, aber man ist keine.
Schade. Aber die Politik kann da auch nicht gewinnen, oder?
Im Frühling hatte man den Eindruck: Das ist eine schwierige Zeit, aber gemeinsam stehen wir sie durch. Es hat uns alle gleichermaßen getroffen, so lange es halbwegs gerecht zuging, konnte man es akzeptieren.
Und jetzt?
Dieses Gefühl ist abhandengekommen. Mit den vielen Erlässen und der nicht geglückten Lockdown-Politik wurden die Menschen wahnsinnig verunsichert. Sie werden ängstlicher – und auf der anderen Seite abgestumpft. Kinder dürfen nicht in die Schule, aber man darf mit einem Piepserl am Rathausplatz eislaufen. Das ist nicht nachvollziehbar.
Aber die Menschen brauchen doch Ventile für ihren emotionalen Druck in diesen dunklen Zeiten – und da sind Eislaufen und Skifahren und lockere Regelungen zu Weihnachten doch höchst willkommen.
Auch ein Theaterbesuch ist ein solches Ventil für viele Menschen. Dem Virus ist es aber wurscht, ob es dich in der Gondel oder im Theater erwischt. Bundeskanzler Kurz betont immer, dass er ein würdevolles Weihnachten ermöglichen will. Haben Sie nicht das Gefühl, dass man ein würdevolles Weihnachten auch ohne Party, Schlittschuh und Ski feiern kann? Wir werden es sicher überleben, wenn wir heuer keine große Weihnachtsparty machen – um 2021 wieder so leben und feiern zu können, wie es unserer Seele gut tut. Ich hoffe aber, dass die Regierung auch an die denken wird, die wirklich nicht würdevoll Weihnachten feiern, weder heuer noch in den letzten Jahren. Sie sollte an die Kinder im Lager Kara Tepe auf Lesbos denken. Das würdevolle Weihnachten endet nicht beim eigenen Christbaum.
Kommentare