13 Gedichte und Balladen sind hier nun versammelt. Opulent und etwas hochtrabend illustriert mit Aquarellen, die der deutsche Künstler Anselm Kiefer eigens für diesen Band gemalt hat. (Und in denen er beharrlich Ransmayrs Namen in verschiedenen Variationen falsch schreibt.)
Reisen als Überthema
Die Gedichte handeln von Reisen ins Gebirge, in den Himmel, zum Meereshorizont. Von mit letzter Kraft erreichtem Glück und beinahe verlorenen geliebten Menschen. Und von Arztbesuchen. Dass einer, der eine gefühlte Ewigkeit auf die Entlassungspapiere aus dem Spital wartet, zum „Odysseus“ wird, angeglotzt vom einäugigen Riesen Polyphem, auch Überwachungskamera genannt, ist wunderbar schräg.
Zwischendurch wird es gewohnt gewichtig, getragen und stellenweise rätselhaft. Am besten gibt man sich diesen Gedichten einfach hin, ohne viele Fragen zu stellen. Dann wird man empfänglich für den Trost, den auch einer, von dem man es nicht vermutet hätte, bieten kann, nämlich der „Tornado“. Er ist für Ransmayr nicht der oft als „Staubteufel“ Verunglimpfte, sondern ein „Windgeist“, der neben Abfall auch „safrangelbes Birkenlaub“ und „himbeerrote Kränze aus Ahorn“ durch den zerrissenen Himmel wirbelt. Was für eine tröstende Parabel in Zeiten der Schrecken des Eises und der Finsternis.
Die Königsklasse der Lyrik ist natürlich das Katzengedicht, das wusste schon Rilke und das weiß auch Ransmayr. In „Jägerin im Sonnenbad“ ist er der gewohnt präzise Beobachter – und zugleich huldigender Verehrer kätzischer Eigenart.
Ode an eine demente Katze
Als Katzenversteherin präsentiert sich auch die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood, bekannt als Grande Dame der Dystopie. In ihrem Gedichtband „Innigst“, fabelhaft ins Deutsche übertragen vom Lyriker und Büchner-Preisträger Jan Wagner, berührt sie mit einer Ode an eine demente Katze. Die „Geisterkatze“ hat den Verstand verloren. Nicht nur wer Katzen liebt, wird weinen.
Das Vergehen der Zeit anhand von alten Reisepässen wird unsentimental besprochen. Wir „gleiten schnell durch die Zeit und hinterlassen eine Spur aus Muffinkrümeln.“ Zurückschauen? Niemals. Wer’s tut, wird zu Salz erstarren. Von gestern sind wohl auch die Wörter, die keiner mehr benutzt, etwa das titelgebende „innigst“, wie in „ich liebte ihn innigst“, schreibt die 83-Jährige, deren Mann vor drei Jahren starb.
Gesellschaftskritik, Plastikmüll und kaputte Welten: Atwood, Tochter eines Insektenforschers, warnt vor der Apokalypse, auf Twitter wie in Gedichtform. Dass die so schnell kommt, glaubt sie aber nicht. Der Welt sei es schon schlechter gegangen, sagte sie unlängst. Bis dahin: Gedichte über Vögel, komische Außerirdische und silberne Schuhe. Zart, humorvoll, innigst.