"Was bin ich doch für eine unwürdige Mutter!"

"Was bin ich doch für eine unwürdige Mutter!"
Die französische Autorin Carole Fives über vermeintliche Mutterpflichten und worüber man als Mutter keinesfalls sprechen darf

KURIER: Ihr Buch bietet einen anderen Blick auf das Muttersein und die angeblichen Mutterpflichten. Als deren oberste gilt: immer für sein Kind da sein. Ist das oberste Mutterpflicht?

Carole Fives: Nein, denn eine Mutter ist nicht nur Mutter. Eine Mutter ist zuerst einmal Frau, sie hat einen Beruf, soziale Interessen und Verpflichtungen und vielleicht eine Beziehung.

Aber oft erwartet man von einer Mutter, ausschließlich Muttertier und täglich 24 Stunden nur für das Kind da zu sein.

Ja, aber ich hoffe, dass sich das gerade ändert. Abgesehen davon, dass heute auch die Väter in die Pflicht genommen werden. Ständige Verfügbarkeit als Mutter zu verlangen, ist eine missbräuchliche Erwartung. Eine Mutter hat auch eine eigene Existenz als Mensch. Nur als Mutter wahrgenommen zu werden, bedingt auch einen sozialen Abstieg. Die Reduktion auf das Mutterdasein ist eine Entfremdung von sich selbst, das kann einen verrückt machen. Natürlich gibt es Frauen, die sich allein mit dieser Rolle wohlfühlen, das ist auch ok, aber ich halte das für eine Minderheit und jede Frau auf ihr Mutterdasein zu reduzieren wäre schlimm.

"Was bin ich doch für eine unwürdige Mutter!"

Die französische Autorin Carole Fives beschreibt in ihrem zweiten auf Deutsch erschienenen Roman das Leben einer Alleinerzieherin, die sich mühsam Freiräume erkämpft. Abwesenheiten, die immer länger werden und schließlich zum Problem werden. Es sind „Kleine Fluchten“, die die Ausweglosigkeit ihrer Lage letztlich noch verschärfen. Unheimlich, authentisch und stellenweise auch komisch: Insbesondere dann, wenn Fives den Terror anderer tugendhafter Mütter aufs Korn nimmt. 

Die Mutter eines siebenjährigen Sohnes erzählt in teils autobiographischen Passagen davon, wie schwierig der Weg als Alleinerzieherin sein kann. Die Einsamkeit, die Alleinerzieherinnen erleben, kennen übrigens auch Mütter in Beziehungen, sagt Fives. Die Kritiken in Frankreich waren zahlreich und großteils begeistert. Wütende Reaktionen habe sie vor allem von militanten Männergruppen erhalten. 

Carole Fives: "Kleine Fluchten". Übersetzt von Anne Braun. Zsolnay Verlag. 142 Seiten. 19,60 Euro.

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