Jan Böhmermann: "Durchhalten, liebe Österreicher!"
Er ist wohl eine der polarisierendsten Figuren der deutschen Medienlandschaft: Jan Böhmermann. Mit seiner Late-Night-Show „Neo Magazin Royale“ (donnerstags bei ZDFneo) und seinen Satire-Aktionen sorgt er regelmäßig für Schlagzeilen, mit einem Beitrag über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan löste er in Deutschland eine kleine Staatskrise aus. Am 6. Februar macht ROMY-Preisträger Böhmermann gemeinsam mit dem Rundfunktanzorchester Ehrenfeld im Wiener Gasometer Halt. Dem KURIER hat er vorab ein Telefoninterview gegeben.
KURIER: Sie kommen am 6.2. nach Wien mit dem Rundfunktanzorchester unter dem Titel „Wiederaufbautour“. Was soll denn wiederaufgebaut werden?
Jan Böhmermann: Das müssen Sie als Österreicher doch viel besser wissen als ich. Was ich da aus der Ferne, aus dem Ausland mitbekomme, was da los ist – das sind ja Verhältnisse wie bei uns zuletzt 1895. Das ist ja furchtbar. Sowohl kulturell als auch politisch, aber auch sozial ist das Land derart im Würgegriff Ihres, ich glaube, 31-jährigen Gelkanzlers und seines – wie heißt noch mal der Kumpel, der früher in der Wehrsportgruppe war?
Sie meinen HC Strache?
HJ Strache! Österreich ist das Land von Karl-Heinz Böhm und Falco, das kann doch nicht sein, dass das so weitergeht.
Und das wollen Sie mit einem Konzert ändern?
Das ist zumindest ein Versuch. Ich kann ja nicht mehr als Kultur und Unseriöses, aber jeder ist in diesen unsicheren Zeiten gefragt, sein Bestes zu geben. Und ein Lied kann eine Brücke sein. Wir wollen, wenn schon keine Brücke bauen, dann wenigstens Tunnel buddeln nach Österreich. Damit die Guten rauskommen zur Not.
Wollen Sie im Fernsehen alt werden?
Das ist mein großer Traum. Ich bin auch schon in den letzten zehn Jahren sehr alt geworden im Fernsehen. Zu verwelken vor den eigenen Augen und denen der Zuschauer, das fand ich immer schon toll. Die Haare werden weniger, das Gesicht wird faltig und man spiegelt so die Unzulänglichkeiten der Zuschauer auf die Zuschauer zurück. Die denken: Ach guck mal, jetzt wird er alt! Aber in der Zeit, in der ich alt geworden bin, sind auch die Zuschauer alt geworden. Denken Sie da mal drüber nach!
Wird das noch im klassischen Fernsehen sein oder irgendwann bei Snapchat oder an einem ähnlichen Ort?
Zur Not bei FPÖ TV, zumindest in Österreich. Ist auch viel besser. Da ist man nicht mit so vielen lästigen anderen Meinungen beschäftigt und hat immer eine Schlagzeile, die die Regierung stützt. Viel praktischer als öffentlich-rechtliches Fernsehen in Österreich.
Sie erklären Ihre Satire-Aktionen in der Regel nicht.
Das ist richtig.
Sie sagen „Man muss die Verwirrung aushalten“. Fällt Ihnen das Aushalten selbst manchmal schwer, wenn die Reaktionen nicht so sind, wie Sie sich das vorstellen?
Naja, die Reaktionen, die ich mir vorstelle, haben eine große Fehlertoleranz. Zum Beispiel bei dieser Erdogan-Geschichte haben wir uns alle, das ganze Team und ich, schon überlegt, was alles passieren kann und hatten das alles auf dem Schirm. Dass unsere Vorhersagungen manchmal doch so präzise sind, ist aber erschütternd.
Und wenn die Empörungswelle einmal ausbleibt, sind Sie dann enttäuscht?
Nein, dann bin ich erleichtert, dann kann ich nämlich andere Sachen machen. Zum Beispiel mal was Leckeres kochen oder zum Sport gehen. Da hat man ein paar Tage frei, die man sich vorher eingeplant hat für die Bewältigung von Leserpost oder Antwortentwürfen schreiben oder Verhandlungen mit Sendern oder Interviews geben. Wenn das ausbleibt, ist das eigentlich immer positiv. Das ist wie Urlaub.
Ärgern Sie sich manchmal über den Fernseh-Jan-Böhmermann?
Der Fernseh-Jan-Böhmermann ist ein arrogantes Arschloch, das sage ich auch ganz offen. Wen ich gerne mag, das ist der Interview-Jan-Böhmermann, der sich beim KURIER ins Interview reinschmust, der freundliche Antworten auf alle Fragen hat. Den find‘ ich nett. Der Typ, der im Fernsehen zu sehen ist, ist ein durchgeknallter Idiot.
Und wie ist der private Jan Böhmermann?
Das verrate ich Ihnen nur im Beisein von fünf Medienanwälten.
Die haben Sie ja nach den diversen Shitstorms sicher schon fest angestellt.
Ja, ich habe viele fest angestellte Medienanwälte, die für mich arbeiten. Die werden mit Facebook-Likes für ihre Facebook-Seiten bezahlt.
Wo ist Ihre Schmerzgrenze bei Witzen und bei Satire?
Es gibt ein paar unangenehme Themen, die ich persönlich nicht lustig finde. Die größte Schmerzgrenze ist eigentlich die Beantwortung der Frage nach der Schmerzgrenze. Sobald ich darüber nachdenke, fangen die Schmerzen an und deswegen würde ich ungern mit der Beantwortung dieser Frage weitermachen.
Sie haben sich in der „Zeit“ mal als „Public Intellectual“ bezeichnet …
Nein, das stimmt nicht, habe ich nie gemacht! Das ist eine Zuschreibung, die von außen kommt. Ich bin geistig nicht in der Lage, zum einen, das Wort „Intellectual“ vernünftig auszusprechen, noch weiß ich, was das bedeutet. Und selbst wenn ich es wüsste, würde ich das niemals öffentlich über mich selbst behaupten. Nennen Sie mich vielleicht einen öffentlichen Jongleur. Das wäre treffender.
Wie sehen Sie Ihre Rolle als öffentlicher Jongleur?
Man muss sehen, dass einem möglichst nichts runterfällt, wenn man jongliert, sonst bleibt der Applaus aus. Und wenn einem was runterfällt, dann muss man so tun, als wäre das Absicht.
Und in der Gesellschaft?
Die Rolle des Komikers oder Quatschvogels in der Gesellschaft kann man gar nicht hoch genug bewerten – im Ernst. Das würde ich aber im Ernst niemals tun, sondern das muss leider die Gesellschaft selbst herausfinden. In Österreich – das ist das Schöne – hat die Gesellschaft bald die Gelegenheit, herauszufinden, wie hoch der gesellschaftliche Stellenwert von Künstlern oder Komikern ist, wenn nämlich Kunst und Komik, die sich gegen bestimmte Meinungen richten, von der Regierung verboten oder torpediert werden.
Sie haben getwittert „Wie kann man nur aufstehen, wenn man sieht, was in der Welt so los ist“. Sind Sie Pessimist?
Nein, überhaupt nicht. Das ist einfach eine Frage, die sich manchmal stellt. Die Frage, die auch wichtig ist: Lachen – pro und contra. Darf man das überhaupt noch? Ist das eine Sache, die überhaupt noch zeitgemäß ist: Humor? Da geht’s gar nicht um die Beantwortung, da reicht die Frage, die man einfach mal so in den Raum stellt. Und das muss man dann so ein bisschen wirken lassen und auch aushalten, dass es keine Antwort gibt.
Und wie stehen Sie jeden Tag auf?
Ich stehe jeden Tag gut gelaunt auf, weil ich durch Zwangsgebühren alimentiert werde. Ich bin staatsfern, inhaltlich komplett unabhängig und wenn gar nix mehr läuft, kann ich einfach auch als Jongleur an der Ampel arbeiten und krieg immer noch 10 Euro am Tag. Ganz wichtig: Die eigenen Ansprüche und die Lebenshaltungskosten unten halten, dann kann aber eigentlich nicht viel passieren. Ich bin frohen Mutes, das kann aber auch meine Dummheit sein.
Was wollen Sie mit Ihren Aktionen erreichen?
Weltfrieden.
Ein hochgestecktes Ziel.
Na gut. „Aim high …“ Ne. „Per aspera ad astra“, so ist es richtig.
Sind Sie ein bisschen größenwahnsinnig?
Absolut. Das ist aber Einstellungsvoraussetzung, um überhaupt in der Lage zu sein, sich auf die Bühne zu stellen, eine Fernsehsendung zu moderieren, ohne beim geringsten Applaus direkt in sich zusammenzufallen. Größenwahnsinn, Narzissmus, Eitelkeit – das ist alles Teil der Figur. Wichtig oder schön wäre es, wenn man das privat ein kleines bisschen von sich absprengen kann, damit man auch noch in der Lage ist, sich mit Menschen zu umgeben, die man nett findet und die einen selber auch nett finden. Aber wie das funktioniert, verrate ich Ihnen nicht ohne meine Medienanwälte.
Twitter ist ja so etwas wie Ihr Tagebuch. Was würde denn passieren, wenn das eines Tages abgedreht wird?
Ich habe das akustisch nicht verstanden wegen Ihres schweren Dialekts.
Verzeihung! Twitter ist quasi Ihr Tagebuch. Was, wenn es abgedreht wird?
Wenn das Tagebuch verfilmt wird, dann würde ich hoffen, dass ich von Til Schweiger gespielt werde, und mein Love Interest von Til Schweigers Tochter. Das fände ich schön. Ich glaube aber, das ist nicht so sonderlich spannend.
Interessant. Gemeint habe ich aber eigentlich „abgedreht“ im Sinne von „abgeschaltet“.
Achso! Dann habe ich das alles auf meiner Festplatte gesichert und kann es immer noch mal durchlesen und mich daran zurückerinnern, wie doof bzw. schlau ich früher mal war. Es ist nicht so, dass von all dem mein Leben abhängt.
Sie haben ja heuer eine ROMY bekommen und vor der Verleihung angekündigt, in einer Glitzerburka zu kommen. Daraus wurde ja nichts …
Das durfte ich nicht aus politischen Gründen. Wegen des Vermummungsverbots. Die haben sie mir abgenommen.
Wie sehen die Outfitpläne für das Konzert in Wien aus?
Ich habe tatsächlich die Cowboystiefel von Rudi Carrell aus dem Fundus von Radio Bremen geklaut und werde die auf der Bühne eventuell anziehen. Und ich hoffe, dass auch Menschen aus dem Parteivorstand der FPÖ vorbeikommen und wir gemeinsam auf der Bühne ein schmissiges deutsches Lied singen, um an die schönen Zeiten früher zu denken, in denen die Welt noch besser war.
In Cowboystiefeln?
Genau, als die Zeit der Ausrottung der Indianer, weil man einfach Land brauchte, verklärt wurde zu so einem Kleine-Jungen-Spiel: Cowboy und Indianer. Und daran erinnern die Cowboystiefel. Also ich trage Cowboystiefel, aber nichts anderes.
Also sind Sie nackt?
Ist das in Wien legal oder habt ihr da schon so strenge Gesetze bei euch? Verhüllung ist verboten, aber ganz nackt ist, glaube ich, auch nicht erlaubt, oder?
Sie könnten es ja ausprobieren.
Darf man in Österreich eigentlich auch rauchen? Ist erlaubt in Kneipen und so, oder?
Ist erlaubt, ja.
Das ist schön! Dem Lungenkrebs eine Chance geben, das finde ich toll.
Welche Lieder spielen Sie bei der Tour? Werden neue Songs geschrieben oder ist es ein „Best of“ der Nummern, die man aus „ Neo Magazin Royale“ kennt?
Es gibt ein Repertoire von Liedern, von denen wir wissen, dass sie Hits sind, weil sie viele Klicks im Internet haben, und die live noch mal ganz besonders toll werden. Es wird auch neue Lieder geben, aber die verrate ich vorher noch nicht. Es wird vielleicht sogar einen prominenten Stargast geben, der in Wien mit auf der Bühne steht - aber auch das ist eine Sache, zu der ich noch nichts sagen kann. Die Ansage ist: Es wird entweder richtig scheiße oder richtig geil oder irgendwas dazwischen. Das versuchen wir einzuhalten.
Wo steht denn die ROMY bei Ihnen?
Die ROMY? Ich kann mal ganz kurz… Sie steht in einem verschlossenen Schrank, den man nicht einsehen kann, hier in meinem Studio (man hört das Öffnen einer Schranktür im Hintergrund), neben der Goldenen Kamera und über den Grimme-Preisen. Aber wenn ich die Türe zumache … so (man hört das Schließen einer Schranktür) … dann sieht das niemand.
Warum soll das niemand sehen? Will man seine Preise nicht stolz herzeigen?
Doch, natürlich, aber man muss auch ein bisschen aufpassen, wem man das zeigt. Man sollte solche Sachen eher in sich tragen als vor sich hertragen. Aber auch nicht zu sehr in sich tragen, sonst dreht man durch. Über Preise freue ich mich, aber die Arbeit bleibt ja die gleiche. Man muss ja weitermachen. Alles andere ist Quatsch. Deswegen ist das, glaube ich, nichts, auf dem man sich zu sehr ausruhen sollte.
Alles klar. Das war’s von meiner Seite – möchten Sie noch etwas loswerden?
Ich grüße Österreich. Durchhalten. Halten Sie durch, liebe Österreicher, wir sehen uns bei der nächsten ROMY.
Da kommen Sie?
Wenn ich nominiert bin, komme ich auf alle Fälle. War eine tolle Feier. Ich hätte noch wahnsinnig gerne mit Medienminister Blümel gesprochen, aber ich hatte leider keine Lust.
Vielleicht klappt es ja nächstes Mal.
Ich drücke die Daumen. Drücken auch Sie die Daumen! Alles Gute nach Österreich! Durchhalten!
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