"Idiotenparadies" von Pippa: Weltgeschichten aus dem Wienerwald
Als Künstler bleibt einem gerade viel Zeit zum Nachdenken, denn Corona sagt seit Monaten ohnehin alles ab oder verschiebt Auftritte auf die Zeit danach. Viele Musiker oder Plattenfirmen haben bereits fix fertig in der Schublade liegende Aufnahmen zurückzogen.
Auch das neue Werk der österreichischen Musikerin und Schauspielerin Pippa Galli ist der (ersten) Corona-Welle zum Opfer gefallen.
„Für mich ist da am Anfang eine Welt zusammengebrochen, es war furchtbar. Denn man hat sehr viel Zeit, Arbeit und Energie investiert, und dann bekommt man nichts zurück“, sagt die 35-Jährige im KURIER-Gespräch.
Da Pippa nicht einfach untätig zu Hause auf Besserung warten wollte, hat sie ihre eigene Podcast-Reihe gegründet, in der sie jene Themen beleucht, die auf „Idiotenparadies“, so der Titel des neuen Albums, eine Rolle spielen.
Es geht um Freiheit, Gleichgültigkeit, um Wien, Floskeln und „Euphorie durch Melancholie“. Das alles wird mit Gästen wie dem Schauspieler Manuel Rubey klug thematisiert.
Tiefgründig
Ihr Erstling „Superland“ überzeugte 2019 mit ansprechenden, textlich stets in die Tiefe gehenden Popsongs. Nun legt sie mit „Idiotenparadies“ nach. Zur Hand ging ihr – wie auch schon beim Debüt – Hans Wagner, von der Band Neuschnee.
„Wir haben zusammen im Studio viel an Sounds getüftelt, viel ausprobiert.“
Pippas zweiter Tonträger ist verspielter, elektronischer, vielfältiger. Sie setzt diesmal weniger auf klassisches Singer-Songwriting, wühlt weniger im Balladenfach – und nur selten schlurfen die Beats im Zeitlupentempo. „Ich habe mich von allen Erwartungshaltungen verabschiedet und einfach mein Ding durchgezogen. Ohne Kompromisse“, erklärt Pippa das neue Soundgerüst.
Nachsatz: „Ich wollte mich einfach künstlerisch und kreativ mit meinen Songs ausdrücken, egal ob das Ergebnis dann radiotauglich ist oder in eine Radio-Format-Schablone passt.“
Neue Welt
Die stets von eingängigen Melodien getragenen Nummern zeichnen sich durch eine Leichtigkeit und Lässigkeit aus. Und wieder einige gute Textpassagen: „Wo ist die schöne neue Welt, wo ist die Antwort ohne Geld?“, heißt es in „Dystopia“.
Für eine Antwort brauche es Umbrüche im großen Stil: „Die aktuelle Corona-Krise wäre da sicher eine Chance, aber vielleicht braucht es noch mehr. Ich denke, der Mensch muss den Glauben an sich finden, damit so Dinge wie das bedingungslose Grundeinkommen möglich werden.“
„Im Moment traut sich unsere Gesellschaft das nicht zu, wir sind so im Leistungstrott gefangen, dass wir nicht mehr zu träumen wagen. Wir knüpfen unsere Existenzberechtigung an Arbeit und Leistung. Aber was ist Arbeit? Wer definiert sie und ihren Wert?“
Musikalisch verpackt Pippa die kleinen und großen Fragen des Lebens mit Ironie und Witz. Es wird gerappt („Egal“), geht zackig und kantig in Deichkind-Manier durch die Disco („Tagada“).
Platz bleibt aber auch für Melancholie. Unter die Haut geht das Lied „Meine Traurigkeit“. Pippa erzählt aber auch „Weltgeschichten aus dem Wienerwald“ und sucht das globale Glück im Grätzel, singt: „Wien du machst mich verrückt“. Da geht’s ihr wie Egon Friedell: „Man kann es in Wien nicht aushalten, aber woanders auch nicht.“
www.pippamusik.at
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