"Hin & weg" in Litschau: Jahrmarkt der dramatischen Kunst
Zeno Stanek hatte, der Pandemie geschuldet, als Motto „Mut und Vergänglichkeit“ oder – abgewandelt – „Mut zur Vergänglichkeit“ ausgegeben. Doch die gut 40 Produktionen, die Lesungen und Konzerte lassen sich nicht unter einen Hut bringen. Eigentlich hat der Tausendsassa – Stanek ist nicht nur Intendant und Veranstalter, sondern auch Verleger von Theaterstücken – wieder all jene nach Litschau eingeladen, die sein Team, darunter Katharina Stemberger und Ernst Molden, gut finden: arrivierte Künstler, Kollektive, Reinhardtseminaristen ...
So ist „Hin & weg“ ein Jahrmarkt der dramatischen Kunst. Als Teilnehmer (das Wort „Zuschauer“ ist zu passiv) muss man sich aus dem riesigen Angebot – 140 Veranstaltungen an zwei Wochenenden – seinen eigenen Spielplan zusammenstellen. Und Kondition beweisen. Nicht so sehr, weil der Tag im Strandbad mit „Theater Yoga“ beginnt und nach Mitternacht beim „Feuergespräch“ nahe dem Herrenseetheater endet. Sondern weil Distanzen zu überwinden sind. Denn Stanek lässt allerorts Theater spielen: in der Blechhalle, im alten Kaufhaus und anderen Leerständen, neben dem See, im Wald und auf der Heide. Mit der Zuversicht, dass es nicht schüttet.
Für den Mut, auch heuer wieder ein logistisch komplexes Festival zu organisieren, wurde Stanek das vergangene Wochenende mit Prachtwetter wie Sternenhimmel belohnt. Sein Artist in Residence erfüllte zudem alle Erwartungen, auch wenn der Monolog „Finale“, mit dem Calle Fuhr den Auftakt bestritt, nicht unbedingt ein „Theateressay“ ist: Der Regisseur und Autor, Chefdramaturg am Wiener Volkstheater, stand wie ein Kabarettist auf der Bühne. Leichtfüßig, berührend, unterhaltsam erzählte er fünf mehr oder weniger wahre Geschichten mit der gleichen Aussage: Nur gemeinsam können wir die Herausforderungen meistern.
Fuhr richtete zudem auf der Waldbühne seinen inneren Monolog „All das Ungesagte“ als szenische Lesung ein, bestritten von Anton Widauer. Als Requisiten dienen zwei Dosen Bier. Ein junger Mann rechnet mit seinem Vater, den er nie kennenlernen durfte, an dessen Grab ab. Sein Leben lang gab er sich die Schuld, dass seine Mutter verlassen worden war. Nun wird er Vater – und er will zu seiner Verantwortung stehen. Packend.
Nachstellungen
Die "Anleitung zum Fellnerismus“ von Felix Hafner hingegen enttäuschte über weite Strecken: Es wurden lediglich legendäre TV-Interviews nachgestellt und „WoFe“ damit geradezu die Ehre erwiesen. Die "Recherche" kam über bekannte Fakten nicht hinaus.
Großartig hingegen geriet „Sagt man noch Indianer“ in der Regie von Ed. Hauswirth: Barbara Gassner ergänzte die Recherche über ihre Großtanten, die unfreiwillig mit nach Wien ziehen mussten und fortan für die Verwandten im Pinzga die "Stadtindianer" waren, mit coolen Reenactments alter Fotos. Zu pointiert hingegen setzte Markus Kupferblum „Das Meer sehen“ von Ursula Mihelič als szenische Lesung in einem Holzschuppen um: Für das Stück über den Ausbruch einer jungen Frau, verkörpert von Fanny Altenberger, aus der Männerwelt mit Artemisia Gentileschi als Leitfigur hätte es unbedingt eine Regisseurin gebraucht.
Paul Skrepek nahm seine grandiosen Klangmaschinen in Betrieb; das Schattentheater mit Briefen von Franz Kafka langweilte leider. Der Höhepunkt war die ausgeklügelte Dramatisierung der Dostojewski-Erzählung „Der Traum“ als gespenstische Soundinstallation: Die Gruppe kollekTief schleuste das Publikum in einer verlassenen Wohnung durch irrwitzige (Alp-)Traumwelten. Diese Produktion ist auch am Wochenende 21./22. August zu sehen - und sollte nicht versäumt werden!
Litschau im Waldviertel: Zeno Stanek veranstaltet rund um den Herrensee das beliebte „Schrammel.Klang.Festival“ und zudem seit 2018 „Hin & weg“. Das Angebot wird nun unter dem Jahr um Theaterworkshops und eine Zirkusschule erweitert. Denn Stanek ist nun auch Geschäftsführer des Theater- und Feriendorfes Königsleitn.
Das Wochenende 20.–22. 8.: Gerti Drassl stellt Calle Fuhrs „Heldenplätze“ vor, Gerald Votava interpretiert Christine Nöstlinger, Anna Marboe richtet „In Ewigkeit Ameisen“ von Wolfram Lotz ein (mit Doris Weiner), Fritzi Wartenberg bringt „Bei aller Liebe – jetzt wird gefotzt“ zur Uraufführung (Empfehlung!) usw.
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