Der Schuster wird zum Spion wider Willen

© Reno Engel
Hannahs Briefe. Eine Einwanderergeschichte.

Oj wej, sagt der Schuhmacher des öfteren. Er hat allen Grund: Der Schuhmacher Max Kutner gerät in eine verworrene Geschichte, an der zuerst die Regierung und dann – und vor allem! – natürlich eine Frau schuld ist. „Hannah“.

Deshalb ist „Hannahs Briefe“ aber nur am äußersten Rand eine Liebesgeschichte.

Ronaldo Wrobel, Rechtsanwalt und Journalist aus Rio de Janeiro, war lange Kolumnist des jüdischen Magazins Menorah. In „Hannahs Briefe“ arbeitet er nun ein erstaunliches Kapitel Geschichte auf: Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs regiert Getúlio Dornelles Vargas zunächst als Diktator, später als gewählter Präsident Brasilien.

Als überzeugter Antikommunist eröffnet er eine Hexenjagd auf Kommunisten und bedient sich einer Garde von Spitzeln.

Krisensicher

In Zentrum von Wrobels Roman steht der polnische Jude Max Kutner, der in Praça Onze, dem jüdischen Viertel von Rio, eine florierende Werkstatt betreibt und nichts anderes will, als in Frieden seinem krisensicheren Beruf nachzugehen. Widerwillig wird er zum Spitzel der Geheimpolizei und muss auf Jiddisch verfasste Briefe seiner Exilgenossen übersetzen und nach verschlüsselten Botschaften durchsuchen. Dabei verliebt er sich in Hannah, die, so geht es aus den Briefen hervor, ein wahrer Engel sein muss. Er macht sich auf die Suche nach der herzensguten Wohltäterin. Die Volten, die die Geschichte ab jetzt schlägt, werden zunehmend abenteuerlicher.

Der Schuster wird zum Spion wider Willen
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Ohne zu viel zu verraten: Hannah ist kein Engel, sondern eine Prostituierte, die ebenfalls als Spionin arbeitet. Was aber nicht bedeutet, dass sie deshalb keine herzensgute Wohltäterin ist.
Wrobel hatte zu viele gute Einfälle, denen die Vertiefung mancher Eindrücke zum Opfer fällt. Gerne hätte man mehr über den sympathischen Schuster gewusst. Doch wie zum Drüberstreuen erfährt man, dass er einst mit falscher Identität eingereist ist – just mit dem Namen des Mannes, der Hannah vor Jahren zur Witwe gemacht hat. Die wiederum, obwohl sie viel Geld geerbt hat, als Edelprostituierte tätig ist: schwierig nachzuvollziehen.

Andererseits, und das muss man dem Roman zugutehalten, berichtet er von historischen Zusammenhängen, die noch lange nicht auserzählt sind: Von den europäischen Einwandererströme ins Brasilien der 1920er- und 30er-Jahre und von den Spuren, die sie hinterlassen haben.

Was das Buch nicht verdient hat, ist dieses kitschige Cover: Das hat mit dem Inhalt rein gar nichts zu tun.

Info: „Hannahs Briefe“ Übersetzt von Nicolai Schweder-Schreiner. Aufbau Verlag. 328 Seiten. 20,60 Euro

KURIER-Wertung: **** von *****

Die geheimen Talente.In aller Bescheidenheit: „Die Abenteuer seiner Jugend hatten Piet Barol gelehrt, dass die meisten Frauen und viele Männer ihn über die Maßen attraktiv fanden.“

Der Schuster wird zum Spion wider Willen
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Kein Wunder, dass die Fortsetzung von Piet Barols Story bereits in Arbeit ist.
Der gebürtige Südafrikaner Richard Mason, 33, schrieb mit „Die geheimen Talente des Piet Barol“ seinen vierten Roman, schon der erste, „Der Liebesbeweis“, war ein Bestseller. Die Piet-Barol-Story könnte das auch werden, sie ist durchaus unterhaltend. Doch die Talente des jungen Mannes bleiben nicht lange geheim: Er ist ein Schwerenöter, der in reichen Häusern Herzen bricht.

Schön wäre es, wenn es hin und wieder etwas böser und tiefgründiger zuginge. Leider bleibt er nur ein Gigolo. Der Autor bedankt sich im Nachwort bei Bizet und Bach. Man liest ihre Mitarbeit am Buch nicht heraus.

Info: Richard Mason "Die geheimen Talente des Piet Barol“ C. Bertelsmann Verlag. Übersetzt von Rainer Schmidt. 320 Seiten. 20,60 Euro

KURIER-Wertung: *** von *****

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