Wie Harry und Meghan: Aussteiger im Hause Habsburg
Ich will nicht das Geld des Volkes verfressen wie andere“, erklärte Erzherzog Johann Salvator, verließ das Haus Habsburg unter Verzicht seiner stattlichen Apanage und lebte fortan als Privatmann mit dem Namen Johann Orth weiter. Er war nicht der einzige Habsburger, der – wie jetzt Prinz Harry – seinen Privilegien als Angehöriger des Herrscherhauses entsagte. Unter den Habsburgern sind mehrere solcher Fälle bekannt. Und bei allen war die Liebe dafür ausschlaggebend.
Erzherzog Johann Salvator hatte mit 19 Jahren nach einer Vorstellung an der Hofoper die Tänzerin Ludmilla „Milli“ Stubel kennen und lieben gelernt. Kaiser Franz Joseph stellte seinen Cousin vor die Alternative: Entweder er verzichtet auf seine „nicht ebenbürtige“ Beziehung, oder er verlässt das Haus Habsburg.
Tragisches Ende
Die Liebe war so groß, dass Johann Salvator im Dezember 1889 dem Kaiserhaus den Rücken kehrte und auf alle Rechte und Pflichten eines Erzherzogs verzichtete. Er heiratete seine „Milli“ und wurde Spediteur. Doch die Lovestory fand ein tragisches Ende. Johann Orth kaufte ein Frachtschiff, mit dem er Zement von Hamburg nach Chile transportieren wollte.
Was unterwegs passierte, kann nur rekonstruiert werden: Der Dampfer dürfte bei Kap Hoorn in einem Orkan untergegangen sein. Alle Suchaktionen blieben erfolglos, vom 38-jährigen Johann Orth, seiner Frau und der Schiffsbesatzung hat man nie wieder gehört. 1911 wurde der einstige Erzherzog offiziell für tot erklärt.
Wie Johann Orth zählt auch sein älterer Bruder Ludwig Salvator zu den prominenten Aussteigern des Hauses Habsburg – auch wenn er seinen Titel und sein Vermögen behalten konnte. Er ließ sich in Mallorca nieder, wo viele Frauen seinem legendären Charme erlagen.
Ludwig Salvator war ein bedeutender Forscher und schrieb etliche Bücher. Während er sich Franz Josephs Zorn zuzog, waren die Sympathien der Kaiserin Elisabeth ganz bei ihm. So kam es, dass die Kaiserin den Jahreswechsel 1892/’93 bei Ludwig Salvator in Mallorca verbrachte.
In einem seiner Bücher beschreibt er, dass „Sisi“ sich während ihres Besuches mit einem einheimischen Mädchen (das seine Geliebte war) unterhielt. Die Aufregung am Wiener Hof war groß, hatte es der Erzherzog doch gewagt, die Tochter eines Tischlers auf eine Stufe mit der Kaiserin zu stellen. Franz Joseph kaufte die gesamte Auflage des Buches auf, damit es nicht in den Handel gelangte.
„Wie ein Matrose“
Ludwig Salvator hasste die Privilegien des Adels und wollte auf seiner Luxusjacht „wie ein gewöhnlicher Matrose“ behandelt werden. Auf Mallorca erwarb er acht riesige Ländereien. Er starb 1915 im Alter von 68 Jahren und hinterließ den enormen Besitz seinem Sekretär Don Antonio Vives. Auf Mallorca hält sich bis heute das Gerücht, dass in Wahrheit Ludwig Salvator der Vater der drei Kinder des Sekretärs war – und dieser nur eine Scheinehe mit einer der Geliebten des Erzherzogs eingegangen war. Jahrzehnte danach kaufte Hollywoodstar Michael Douglas das Anwesen des Erzherzogs.
Bei Erzherzog Leopold Salvator war die Sache noch komplizierter. Wie Johann Orth und Erzherzog Ludwig Salvator ein Angehöriger der Toskana-Linie der Habsburger, hatte er die Eigenart, sich nur in Prostituierte zu verlieben. Als Franz Joseph zu Ohren kam, dass er die ehemalige Prostituierte Wilhelmine Adamovic heiraten wollte, ließ er den Erzherzog in eine Nervenheilanstalt einweisen. Wieder in Freiheit, reiste er mit Wilhelmine in die Schweiz und bat den Kaiser von dort aus, „Stellung und Rang als Erzherzog ablegen und den Namen Leopold Wölfling annehmen zu dürfen“, was akzeptiert wurde.
Wurst vom Erzherzog
1903 heiratete er seine Geliebte, ließ sich aber bald wieder scheiden, um die ebenfalls aus dem Rotlichtmilieu kommende Münchnerin Maria Ritter zu ehelichen. Auch diese Verbindung scheiterte. Leopold Wölfling kehrte nach dem Zusammenbruch der Monarchie nach Wien zurück, um in Kaisermühlen eine kleine Greißlerei zu eröffnen. Für die Kundschaft im Gemeindebau war es natürlich eine Attraktion, von einem früheren Erzherzog die Wurst aufgeschnitten zu bekommen. Wölfling starb 1935.
Ein Leben in Armut
Auch seine Schwester, Erzherzogin Luise, zählt zu den schwarzen Schafen des Hauses Habsburg. Sie heiratete den Prinzen Friedrich August von Sachsen und führte in den ersten Jahren eine gute Ehe, in der sie sechs Kinder zur Welt brachte. Doch dann ging sie eine Beziehung mit André Giron, dem Französischlehrer ihrer Kinder, ein und flüchtete mit ihm nach Zürich.
Als die Beziehung mit dem Französischlehrer gescheitert war, heiratete die ehemalige österreichische Erzherzogin den um zwölf Jahre jüngeren Musiker Enrico Toselli, dem sie einen Sohn schenkte, doch auch diese Ehe wurde geschieden. Ihre letzten Jahre verbrachte Luise in bitterer Armut in Brüssel. Sie starb 1947 mit 76 Jahren.
Heimliche Hochzeit
Erzherzog Ferdinand Karl – ein Bruder des Thronfolgers Franz Ferdinand – verliebte sich in die bürgerliche Bertha Czuber. Er heiratete sie 1909 heimlich, doch der Kaiser erfuhr davon, worauf er Ferdinand Karl zum Austritt aus dem Erzhaus veranlasste. Er nannte sich fortan Ferdinand Burg. Erstaunlicherweise war sein Bruder, der Thronfolger Franz Ferdinand, der selbst eine nicht standesgemäße Frau geheiratet hatte, gegen diese Ehe. Ferdinand Burg starb 1915 als gebrochener Mann in München, seine Frau überlebte ihn um mehr als ein halbes Jahrhundert.
Alles Schicksale, die wir Harry und Meghan aus ganzem Herzen nicht wünschen.
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