Gerechtigkeit für Phil Collins!

Gerechtigkeit  für Phil Collins!
Plädoyer. Der Star mit dem patscherten Leben galt lange als der Inbegriff des Uncoolen. Das ist unfair – seine Musik ist in Wahrheit großartig.

Phil Collins, 68, hat Madonna drei Dinge voraus.

Erstens: Er ist seit Mittwoch Ehrendoktor der Kunstuni Graz und als solcher im Besitz eines Steirerhuts.

Gerechtigkeit  für Phil Collins!

Zweitens: Er hat einmal mit Joe Zawinul Sliwowitz getrunken, wie er sich im Interview mit der APA erinnert.

Und drittens: Er ist das, was Madonna seit ihrem peinlichen Auftritt beim Song Contest nicht mehr ist. Er ist cool.

An dieser Stelle sträubt sich die Tastatur: Wie kann man die Begriffe „Phil Collins“ und „cool“ in einem Satz unterbringen? Ist das überhaupt erlaubt?

Daher sei es vorsichtiger formuliert: Phil Collins ist nicht mehr uncool. Und das ist schon sehr viel.

Denn Phil Collins, der kleine, rundliche Mann mit den anschmiegsamen Hitballaden und der weichen, aber stets ein bisschen quäkenden Stimme, galt viele Jahre lang als Inbegriff dessen, was in der Popmusik NICHT cool war. Als Verkörperung der plexiglasglatten Geschmackswüste der Achtzigerjahre. Es war ja damals auch unmöglich, ein Radio aufzudrehen, ohne dass Phil Collins heraussprang und einen mit viel Gefühl in den Hintern biss.

Die Folge: Wer immer eine Pointe über mangelndes Stilbewusstsein brauchte, bemühte dazu Phil Collins. Und wer den dringenden Wunsch verspürte, sozialen Suizid zu begehen, bekannte sich dazu, daheim gerne „Against All Odds“ zu hören.

Jetzt scheint sich das zu drehen – wenn Phil Collins Glück hat, wandert er gerade vom Fach des Antihelden in den Kultstatus, etwas, was Johnny Cash passiert ist oder Mickey Rourke oder auch Peter Rapp.

Indiz: Nicht nur, dass das Happel-Stadion am 2. Juni restlos voll sein wird, ist es offenbar auf einmal völlig in Ordnung, sich im Freundeskreis zu Phil Collins zu bekennen. „In The Air Tonight“ findet heute jeder gut.

Salz und Suppe

Einer seiner großen Fans ist Martin Grubinger, der erfolgreichste Schlagwerker der Welt. Grubinger nennt Phil Collins „Meister und Vorbild“: „Phil Collins! Fast alle denken in diesem Moment an den Sänger und Popstar! Mein erster Phil Collins-Moment war das Genesis-Play-Along-Buch, das mein Vater mit all seinen Schlagzeug-Schülern durchgespielt hat.“

Grubinger war sechs Jahre alt, als er zum ersten Mal Genesis hörte. „Phil Collins war sofort ein wichtiger Teil meines Drummer-Lebens. Der Sound, das Timing, die Groove! Man konnte förmlich spüren, dass er es liebte!“

Natürlich gebe es versiertere Schlagzeuger, so Grubinger. „Aber das sollte kein essenzieller Maßstab für uns Musiker sein. Wie mischt sich der Sound des Drummers in die Band, kann er sich zurücknehmen und uneitel sein? Und kann er im entscheidenden Moment das Salz in der musikalischen Suppe sein? Das alles konnte Phil Collins!“

Gregor Barcal, Autor und Pointen-Lieferant des ORF und selbst Schlagzeuger, sieht das ähnlich: „Phil Collins zählt wirklich zu den besten Schlagzeugern der Welt. Die früheren Genesis-Nummern strotzen ja nur so vor ungeraden Beats. “ Man könne außerdem genau hören, sagt Barcal, dass Collins Motown-Fan sei (für einen Schlagzeuger grundsätzlich kein Fehler).

Suspekter Erfolg

Der Musikmanager Klaus Hoffmann hat Phil Collins berufsbedingt öfter getroffen: „Auf den ersten Blick wirkt er wie ein Durchschnittsmann, der tatsächlich Modelleisenbahnen sammelt. Dieses biedere Image steht in scharfem Kontrast zu seinem überproportionalen Erfolg in den Achtziger- und Neunzigerjahren.“

Dieser Erfolg war es auch, meint Hoffmann, der Phil Collins für „coole“ Kreise suspekt gemacht hat. Der Erfolg und der glatte Sound.

Gerechtigkeit  für Phil Collins!

Auch Hoffmann hat aber den Eindruck, dass sich Phil Collins’ Image gerade wandelt: „Mir scheint, dass man seine Musik wieder mögen darf. Es ist so wie bei ABBA – in meiner Jugend war ich ein musikalischer Außenseiter, weil ich sie mochte. Ähnlich ist’s mit Collins. Man darf sich heute wieder an seinen Melodien freuen, man darf einem Großen noch einmal bei der Arbeit zusehen.“

Patschert

Was Phil Collins zum idealen Ziel für Sympathien macht: Sein patschertes Leben. Obwohl er ein Star ist, hatte er mit einem, vorsichtig formuliert, unübersichtlichen Privatleben zu kämpfen. (Seine zweite Ehefrau verließ er für eine Jugendliebe, die ihn wiederum sofort verließ. Seine dritte Frau kehrte während der Scheidung zu ihm zurück, zog aber trotzdem die Scheidung durch.)

In seiner Biografie „Not Dead Yet – da kommt noch was“ erzählt er so offen über seine privaten Auffahrunfälle, dass man es kaum schafft, NICHT gerührt zu sein.

In einer Talkshow hat er vor Jahren berichtet, wie er einmal alleine in seiner Villa saß, frisch verlassen, im Kühlschrank nur Bier, schwer depressiv, und sich dachte: Ob sich Madonna jetzt auch so fühlt? Vermutlich nicht ...

Dafür ist er jetzt Ehrendoktor in Graz. Und mit ein bisschen Glück erlebt er es noch: Wie es sich anfühlt, cool zu sein.

Phil Collins am 2. Juni in Wien

Bei den Shows der Australien-Tour zu Beginn des Jahres  spielte Phil Collins alle seine Solo-Hits, darunter „In The Air Tonight“, „Another Day In Paradise“ und „You Can’t Hurry Love“. Er hatte aber auch Genesis-Klassiker wie „Invisible Touch“ und „Follow You Follow Me“ im Programm. Wegen der Rückenprobleme muss Collins die meiste Zeit sitzen.  Schlagzeug spielt sein Sohn Nicholas.

Infos zum Konzert: Das erste Konzert der „Still Not Dead Yet“-Europa-Tour von Phil Collins findet am 2. Juni im Ernst-Happel-Stadion von Wien statt.  Einlass: 17.00 Uhr, Beginn: 19.00 Uhr. Aufgrund genauer Einlass-Kontrollen  bitten die Veranstalter, rechtzeitig anzureisen und keine großen Taschen oder Getränkeflaschen mitzunehmen.  Karten gibt es noch unter  www.oeticket.com

 

 

 

Kommentare