Für prüde Gemüter sind die Abenteuer von „Fungirl“ eher nichts. Der Comic von Elizabeth Pich beginnt schon mit einer Tabus streichelnden Szene. Sie hat gerade einen erotisch konnotierten Traum mit einem Vulkan, dessen Rauch sie plötzlich riechen kann. Nebenan brennt nämlich ihre Pizza die WG-Küche ab. Bei der Feuerwehr entschuldigt sie sich freimütig mit „Sorry, ich war masturbieren.“
Fungirl ist eine junge Frau, die unbeleckt von jeglichen Skrupeln durch ihr Leben gleitet, sie sucht zwar nach Liebe, Sex und einer Aufgabe. Aber irgendwie kommt immer eine Katastrophe dazwischen. Die brennende Pizza ist nicht die einzige Kalamität, die Fungirl widerfährt. Oder den Menschen, die sie umgeben. Durch ihre Schuld, natürlich. Trotzdem schafft es Zeichnerin Elizabeth Pich, dass dieser Fettnäpfchenmagnet durchwegs sympathisch bleibt. „Sie hat gar kein Gefühl für das Normale. Sie denkt sich ja: Ich geb doch eh mein Bestes“, erklärt sie.
Normalerweise würde man die Schöpferin eines solchen Comics fragen, ob viel von ihr selbst in der Figur steckt. Aber wenn das so wäre, müsste Elizabeth Pich schon ein paar Mal im Gefängnis gewesen sein. Tatsächlich, sagt die 35-Jährige, hat sie vor allem das Lebensgefühl mit Fungirl gemeinsam: „Wenn man denkt, man ist jetzt zwar erwachsen, aber was bedeutet das genau? Warum muss man sich immer an Regeln halten, das ist ja auch doof. Dieser innere Konflikt zwischen dem Wunsch, ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu sein und dem, Kind sein zu dürfen, das kenne ich selbst auch.“
Außerdem hilft Pich, dass sie in ihren Vorstellungen immer von der größtmöglichen Katastrophe ausgeht, auch im echten Leben. Das merkt man dem Comic, in dem man sich nicht nur einmal denkt: „Das hat sie jetzt nicht wirklich gemacht“, an. „Meine Freunde lachen sich immer kaputt, wenn sie mir etwas erzählen und ich frage dann ganz arglos: Und ist dann noch dieses bizarre Szenario passiert? Und die sagen: ,Nein, natürlich nicht, das wäre ja völlig verrückt‘. Da läuft mir dann mein Comiczeichnerhirn davon.“
Im Comic ist die Katastrophe aber immer lustig, „ich will nicht, dass es ins Düstere abdriftet.“ Das ist schon eine Kunst, wenn Fungirl ausgerechnet bei einem Bestatter zu arbeiten beginnt. Und sich zum Beispiel bei der Präparation einer verstorbenen Schönheitskönigin an der falschen Säure vergreift. Hat sich Pich die Arbeitsstelle ausgesucht, weil sie so viele makabre Gagmöglichkeiten bietet? „Ich wollte mich selbst einmal bei einem Bestatter bewerben, das war in meiner Studienzeit, da hatte ich keine Lust mehr auf meinen Job in einem Nachtclub. Das ist aber gescheitert, weil man dafür einen eigenen PKW gebraucht hätte.“
Elizabeth Pich wurde in Deutschland geboren und wuchs in den USA auf. Derzeit lebt sie in Saarbrücken.
Fungirl zerdeppert unabsichtlich das Patriarchat
Immer wieder tauchen auch feministische Spitzen im Comic auf, sei es, wenn sie eine Urne zerdeppert und sagt „So klingt es, wenn das Patriarchat zerschmettert wird“, wenn Menstruationsblut einem überraschenden Zweck erfüllt oder sie in einer Buchhandlung „das männlichste Buch, das sie haben“ verlangt. Darf man darüber denn lachen? „Es gibt ja nicht den einen Feminismus. Humor hat auch etwas Versöhnendes. Ich lache auch über meinen eigenen Umgang mit dem Frausein, den ich vor 10 Jahren erlebt habe. Fungirl ist vielleicht deshalb feministisch, weil sie sich so befreit verhält. Lange Zeit hatten nur Männer den Luxus, dass sie sich keine Gedanken machen mussten, einem gewissen Ideal zu entsprechen. Ich habe aber beim Zeichnen nicht explizit daran gedacht.“
Einige ihrer Comic-Idole hat Pich, die in Deutschland geboren und in den USA aufgewachsen ist, in „Fungirl“ zitiert, etwa Charles M. Schulz („Peanuts“) und Bill Watterson („Calvin & Hobbes). „Als Kind wäre das mein größter Traum gewesen, vom Comicstrips Zeichnen so zu leben wie die. Das ist natürlich heute gar nicht mehr möglich, ich kenne niemanden, der davon leben kann, dass ein Comic in einer Zeitung abgedruckt wird. Zeitungen haben kein Geld mehr dafür, und auch im Internet ist es schwer, Geld zu machen.“
Stichwort Internet: Mit ihrem Kollegen Jonathan Kunz hat sie bereits 2011 die Webcomicserie „War and Peas“ gestartet. Die Strips gingen rasch international viral. Finanziell hat man davon erstmal nichts, wie ändert man das? „Am Anfang war Geld verdienen nicht die Intention. Es war Learning by Doing. Wir haben einen Onlineshop, in dem man Drucke und signierte Bücher kaufen kann, aber auch Schlüsselanhänger mit den Figuren und anderen Merchandise. Wir machen Auftragsarbeiten für Zeitungen und Firmen und haben Buchverträge. Ein sehr wichtiger Faktor für Comiczeichner und andere Künstler ist in den USA die Plattform Patreon: Sie ermöglicht ein stetiges Einkommen. Die Menschen kaufen da ein Abo, das kann bei einem Euro beginnen und ist nach oben offen, und bekommen dann Geschichten, die andere nicht kriegen.“ Also die noch ärgeren Katastrophen.
Elizabeth Pich liest heute, Mittwoch, um 19 Uhr in der Hauptbücherei aus "Fungirl" und ist bei Vienna Comix in der Metastadt Wien (25., 26. Mai) zu Gast.
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